"Wir machen wieder dicht", titelt La Dernière Heure. "Wenn auch nicht alles", fügt das Blatt hinzu. Für La Libre Belgique weht nun doch ein "eisiger Wind über das Weihnachtsfest. Het Nieuwsblad macht letztlich alles am Resultat fest: "Jetzt müssen wir nur hoffen, dass damit Omikron ausreichend abgebremst werden kann".
Der Konzertierungsausschuss hat am Abend eine Reihe von neuen Maßnahmen ergriffen - trotz sinkender Corona-Zahlen. Nur ist die Omikron-Variante auf dem Vormarsch. Und in einigen Ländern hat diese Mutante für einen sprunghaften Anstieg der Fallzahlen gesorgt. Das Treffen der Vertreter aller Regierungen des Landes war denn auch mit Spannung erwartet worden. Die Ergebnisse werden unterschiedlich bewertet.
"Weihnachten ist gerettet", jubelt Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Wir können Weihnachten feiern", schreibt auch Het Laatste Nieuws. Bei anderen Zeitungen überwiegt die Kritik: "Eine schreckliche Ungerechtigkeit", titelt L'Avenir. Gemeint ist die Tatsache, dass vor allem die Kultur quasi vollständig heruntergefahren wird.
"Der Kultursektor guckt wieder in die Röhre", titelt das GrenzEcho. "Die Regierung opfert die Kultur, um einen Endjahreslockdown zu vermeiden", schreibt nüchtern De Standaard. "Die Kultur wird zum Opfer der Angst vor Omikron", so fasst es Het Belang van Limburg zusammen. Le Soir bringt es mit einer giftigen Schlagzeile auf den Punkt: "Und ansonsten: Frohe Weihnachten".
Eine unlogische Entscheidung
Viele Zeitungen üben vor allem scharfe Kritik an der Schließung des Kultursektors. "Das ist vollkommen unberechtigt", wettert etwa Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Dass die Regierungen des Landes angesichts des Vormarsches der Omikron-Variante strengere Maßnahmen ergreifen, das ist natürlich nachvollziehbar und richtig. Was aber nicht bedeutet, dass man dafür egal was beschließen muss. Dass Sportwettkämpfe von jetzt ab wieder ohne Publikum stattfinden müssen, das würde man ja noch als normal bezeichnen. Theater, Kinos und Konzertsäle zu schließen, das ist aber nur schwer zu verkaufen. Die Begründung von Premierminister Alexander De Croo, der darauf verweist, dass die Ansteckungsgefahr in Innenräumen größer ist, diese Begründung ist allzu vereinfachend. Vor allem, wenn man sich Weihnachtsmärkte vor Augen hält, wo die Menschen dicht gedrängt stehen und mindestens für jeden Schluck Glühwein die Masken abgenommen werden.
Dagegen geht es im Kultursektor doch schon sehr gesittet zu, hakt L'Avenir ein. Das Publikum sitzt brav an seinem Platz, hat eine Maske auf und der Saal ist gut gelüftet. Da kann man doch eigentlich zu dem logischen Schluss kommen, dass das Ansteckungsrisiko in einem solchen Rahmen doch echt überschaubar ist. Nicht umsonst hatten die Experten eine Schließung des Kultursektors denn auch nicht ausdrücklich empfohlen. Die Entscheidung des Konzertierungsausschusses, das doch zu tun, ist denn auch vollkommen unlogisch.
Damit droht man jedenfalls einem ganzen Sektor den Gnadenstoß zu versetzen, warnt L'Echo. Die Kinos, Theater und Konzertsäle zu schließen, das ist absurd. Wenn ein Sektor etwas unternommen hat, um Covid-safe zu werden, dann ist es doch der Kultursektor. Wie groß ist der Kontrast, wenn man aus der Brüsseler Oper kommt und sich dann das Gedränge auf dem Weihnachtsmarkt anschaut. Vor diesem Hintergrund kann man sich wirklich die Frage stellen, ob man auch nur irgendein Problem löst, wenn man die Kultur herunterfährt. Und das auch noch auf die Gefahr hin, dass viele Kulturschaffende jetzt definitiv die Brocken hinschmeißen.
Willkür oder zynische Logik?
Das Ganze hat einen Anstrich von Willkür, findet La Dernière Heure. Womöglich ging es den Regierungen schlichtweg nur darum, "irgendwas" zu tun, damit man ihnen danach nicht vorwerfen kann, angesichts der offensichtlichen Omikron-Gefahr untätig geblieben zu sein.
Nein, dahinter verbirgt sich durchaus eine gewisse Logik, hält aber Le Soir dagegen. Allerdings eine zynische. Man versetze sich in die politisch Verantwortlichen: Kann man es den Bürgern verkaufen, dass die Kneipen und Restaurants schließen müssen, während die Theater und Konzertsäle aufbleiben dürfen? Da mögen die Kulturstandorte noch so gut ventiliert sein, hier geht es wohl nur um die Außenwirkung. Was freilich nichts daran ändert, dass die Entscheidung ungerecht und unlogisch ist.
De Standaard sieht das ähnlich. Die Politik hat sich wohl für den Weg des geringsten Widerstandes entschieden. Keine neuen Einschränkungen für private Feiern oder für den Horeca-Sektor. Denn für solche Entscheidungen fehlte zwei Tage vor Weihnachten auch schlichtweg der Spielraum. Aber auch diese Entscheidung ist dafür nicht leichter zu verkaufen: Die Kultur herunterzufahren, während Cafés aufbleiben und die Bürger zuhause mit einer theoretisch unbegrenzten Zahl an Gästen feiern dürfen, das ist nicht nachvollziehbar.
Alles für die Operation "Rettet Weihnachten"
Letzteres ist sehr wohl verständlich, sind sich aber Het Laatste Nieuws und De Morgen einig. Bei aller – zum Teil berechtigten – Kritik an den gestrigen Beschlüssen: Es ist richtig, dass sich die Politik jetzt wieder aus dem Privatleben der Menschen heraushält. Wir erinnern uns ans letzte Jahr. Da wollte der eine oder die andere schon Pizzakartons zählen, um zu ermitteln, ob nicht zu viele Menschen an einem Tisch sitzen. Oder Drohnen mit Wärmebildkameras über die Gärten fliegen lassen. Die Politik scheint verstanden zu haben, dass die Menschen die Wärme der Festtage und die Nähe ihrer Familie nötig haben. Letztlich war der gestrige Konzertierungsausschuss so eine Art Operation "Rettet Weihnachten". Alles andere wurde dem untergeordnet.
Roger Pint