"Dritte Runde", titelt einfach Le Soir. "Haut es beim dritten Mal hin? Das liegt auf dem Tisch: Abkühlungsperiode von zehn Tagen für Primarschulen, Mundschutzmaskenpflicht ab sechs Jahren, Veranstaltungen mit mehr als 200 Besuchern gestrichen", fasst Het Laatste Nieuws zusammen. "Konzertierungsausschuss tagt heute erneut: Dritter Versuch, aber diesmal 'ohne Tabus'", greift das GrenzEcho die gestrigen Worte des Premierministers auf.
Der Konzertierungsausschuss wagt beim dritten Treffen in ebenso vielen Wochen endlich den Sprung, meint De Standaard. Es muss wirklich Schluss sein mit den bisherigen halbherzigen Maßnahmen, andernfalls droht die komplette politische Bankrotterklärung. Von einem Lockdown kann aber keine Rede sein. Wir haben uns alle in den vergangenen Wochen schon selbst weggeschlossen. Angesichts der Ansteckungszahlen hat der Konzertierungsausschuss gar keine andere Wahl, als die Primarschulen zu schließen. Das bleibt ein schmerzhafter Schritt und es wäre sehr ungerecht, die Kinder allein den Preis zahlen zu lassen. Deswegen werden auch die Erwachsenen großflächig eingeschränkt, das ist essenzielle Solidarität.
Zeit, die Prinzipien mal Prinzipien sein zu lassen
Laut dem flämischen Unterrichtsminister Ben Weyts sollten die Schulen der letzte Ort sein, an dem die Lichter ausgehen. Prinzipiell stimmen wir dem zu, so Het Laatste Nieuws. Aber jetzt ist es an der Zeit, die großen Prinzipien mal beiseite zu schieben und sich stattdessen für die effizientesten Maßnahmen zu entscheiden. Wenn sich das Virus heute vor allem über Schulen ausbreitet, dann ist es leider sinnvoll, auch dort einzugreifen. Dafür müssen die anderen Sektoren nicht aus Prinzip sinnlos leiden und bluten.
Für Het Nieuwsblad sind die weitreichenden Empfehlungen des Expertengremiums GEMS wie die politischen Spielchen bei Koalitionsgesprächen: Die Latte wird so hoch wie möglich gelegt, damit am Ende in der Regierungserklärung noch was übrigbleibt. Genau so wird es heute im Konzertierungsausschuss auch laufen. Auf der Suche nach einem Kompromiss werden die politisch Verantwortlichen manchen Empfehlungen folgen, andere verwerfen und andere entschärfen.
Während der zweiten und dritten Welle gab es drei klare Prioritäten, hält Gazet van Antwerpen fest: das Gesundheitswesen schonen, die Schulen offenhalten und die Wirtschaft weiterlaufen lassen. Es kann durchaus sein, dass in dieser vierten Welle keine dieser Prioritäten aufrechterhalten werden kann. Was heute auch beschlossen werden wird, wir sind zurück auf Start. Das ist die harte und unbequeme Wahrheit. Aber wir wissen inzwischen auch nur allzu gut, was passiert, wenn wir den Ernst der Lage leugnen.
Die kopflosen Hühner im Reich der Blinden
Wir agieren wie kopflose Hühner in dieser Pandemie, findet La Dernière Heure. Ein Auf und Ab von Lockern und Verschärfen. Und was, wenn wir alle daneben liegen? Es gibt Zweifel – aber es gibt auch keine Alternativen, keine Lösungen, es herrscht Ohnmacht. Deswegen werden wir dem Konzertierungsausschuss folgen und die Schutzmaßregeln respektieren. In der Hoffnung, dass das Karussell irgendwann anhält; auch wenn wir nicht allzu sehr daran glauben.
Auch Le Soir zieht den Vergleich der kopflosen Hühner heran. Und wirft gleich noch die Begriffe "Kakophonie", "Chaos" und "Panikfußball" hinterher. Die Vorgehensweise der politisch Verantwortlichen und die ständigen, radikalen Richtungswechsel kann man kaum anders als tödlich bezeichnen. Das Virus und seine Unvorhersehbarkeit treiben alle in den Wahnsinn, aber die Politik hat sich oft genug selbst in den Fuß geschossen.
Als wir Ende des Sommers systematisch die Dämme gegen das Virus eingerissen haben, ist kaum nach vorne geschaut worden, konstatiert Het Belang van Limburg. Das Reich der Freiheit war wohl eher ein Reich der Blinden. Alle wollten nur kurzfristig denken und haben alle Warnungen über die Virusvarianten in den Wind geschlagen. Was wir jetzt brauchen, ist vorausschauendes Handeln. Nicht die Jo-Jo-Aussagen von Jan Jambon und Konsorten.
Die Geduld ist am Ende
Das GrenzEcho schmäht die vom Expertengremium GEMS vorgeschlagenen Maßnahmen als "Aktionismus" und als de facto Lockdown. Die Zeitung wettert ebenso gegen die Idee einer allgemeinen Impfpflicht, gegen eine Impfpflicht beim Gesundheitspersonal und die Impfung von Kindern. Dennoch meint das Blatt: Der Staat hat es in 20 Monaten nicht geschafft, den Schutz seiner Bürger zu gewährleisten. Die Menschen sind angesichts dessen gut beraten, sich selbst und andere zu schützen: indem sie sich an die altbekannten Hygieneregeln halten, sich impfen lassen, auch ein drittes und viertes Mal, und endlich akzeptieren, dass dieses Virus Teil unseres Lebens ist und auch bleiben wird.
L'Avenir behauptet derweil, dass Kindern "überhaupt keine Gefahr" durch das Coronavirus droht und dass sie die Erreger gleich stark weitergeben, egal ob sie nun geimpft sind oder nicht. Ihre Impfung ist deshalb abzulehnen, ebenso wie eine Schließung von Kindergärten und Grundschulen oder Fernunterricht. Das macht nämlich überhaupt keinen Unterschied dafür, ob man Weihnachten im großen Freundes- oder Familienkreis feiern kann, so L'Avenir. Die einzige Lösung sind entschiedene und starke Maßnahmen für einen Zeitraum von zwei Wochen und die Booster-Impfungen für alte Menschen voranzutreiben.
Das sieht De Tijd anders: Die Nachbarländer haben es vorgemacht beziehungsweise sind dabei. Die Corona-Zahlen treiben auch Belgien über diese Schmerzgrenze: Die Frage muss gestellt werden, ob wir uns noch den Luxus leisten können, so viel Verständnis für die Impfverweigerer zu zeigen. Vakzine sind zwar kein Allheilmittel, aber sie helfen ganz entscheidend, die Ansteckungen zurückzudrängen und den Druck auf das Gesundheitswesen zu verringern. Ungeimpften zu verbieten, viele andere Personen zu treffen, kann kurzfristig sehr schnelle Ergebnisse bringen. Langfristig muss der Impfgrad nach oben. Das wird wieder zu Wut führen. Aber auf der anderen Seite der Gesellschaft ist die Geduld langsam am Ende.
Boris Schmidt