"Klimakonferenz – Die Staaten der Welt sind aufgefordert, zu handeln", titelt Le Soir. "200 Länder der Welt beginnen mit einem zweiwöchigen Verhandlungsmarathon", so die Schlagzeile von De Morgen.
Im schottischen Glasgow hat die 26. UN-Klimakonferenz begonnen. Hier sollen sich die Staaten der Weg auf verbindliche Maßnahmen einigen, um doch noch die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen. "Die führenden Politiker der Welt geben wenig Hoffnung", notiert De Standaard. "Wenig Hoffnung beim Auftakt", beklagt auch De Tijd. "Selbst Gastgeber Boris Johnson ist pessimistisch", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins.
Klima: Flandern hat seine Hausaufgaben nicht gemacht
Belgien steht im Grunde symbolhaft für die zögerliche Haltung. "Premierminister Alexander De Croo musste mit leeren Händen nach Glasgow", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. Der Grund: Die Teilstaaten konnten sich bislang nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Und da steht vor allem Flandern auf der Bremse. "Belgien würde gerne Verantwortung übernehmen, aber wartet auf Flandern", so die Schlagzeile von L'Echo.
"Flandern hat seine Hausaufgaben immer noch nicht gemacht", titelt Het Nieuwsblad. Das ganze Wochenende lang hat die flämische Regierung nach Wegen gesucht, wie die Region die Klimaschutzziele erreichen will. Da liegen jetzt immerhin Ideen auf dem Tisch: "Für Diesel- und Benzinfahrzeuge steht die Ampel auf rot" schreibt De Morgen. Ab 2027 sollen Verbrennungsmotoren nun auch von flämischen Straßen verbannt werden. "Ab 2027 nur noch E-Autos", schreibt auch Het Laatste Nieuws.
"Die Politik hinkt hier gnadenlos hinterher", glaubt Le Soir in seinem Leitartikel. Laut Umfragen würden sieben von zehn Belgiern strengere Klimaschutzmaßnahmen befürworten. Und auch in der Wirtschaftswelt ist man sich längst darüber im Klaren, dass an der Klimaneutralität kein Weg vorbeiführt. Da kann man sich nur wundern, dass die Politik da nicht in die Gänge kommt. Beängstigend ist vor allem die Tatsache, dass die flämische Regierung jetzt, sechs Jahre nach Paris, ein Wochenende durchverhandeln muss, um nicht mit leeren Händen nach Glasgow fahren zu müssen. Einige haben offensichtlich immer noch nicht verstanden, dass Klimaschutz keine Ideologie ist, kein politisches Schlachtfeld, sondern eine Erfolgspflicht.
Während in Glasgow die ganze Welt versucht, das Klima zu retten, muss die flämische Regierung also Überstunden kloppen, um sich Klimaschutzziele zu setzen, kann Het Nieuwsblad nur feststellen. Bis zum Samstag braucht man eine Einigung, damit die N-VA-Umweltministerin Zuhal Demir nicht mit leeren Händen nach Glasgow fahren muss. Aber ist diese Vorgehensweise wirklich vernünftig? Jetzt will man hier mal eben während der Herbstferien schnell-schnell Maßnahmen übers Knie brechen, die möglicherweise großen Einfluss auf das Leben der Flamen haben werden. Die Klimakrise hat Besseres verdient als derartige Hopplahopp-Arbeit.
Selbst aktiv werden!
"Musste Belgien eigentlich mit einer so großen Delegation nach Glasgow reisen?", fragt sich ketzerisch Het Laatste Nieuws. Natürlich musste man bei der Klimaschutzkonferenz Flagge zeigen. Aber müssen es gleich mehrere Minister und Dutzende Berater sein? Denn mal ehrlich: Belgien wird bei diesem Gipfel nun auch keine Schlüsselrolle spielen. Davon abgesehen gäbe es im eigenen Land genug dringende und ganz praktische Probleme, die schnellstens einer Lösung bedürfen. Kurz und knapp: Wie will man in diesem Land das Klima retten, wenn man nicht spontan sein Rad mit in den Zug nehmen kann? Wenn der Zug denn fährt, denn darauf verlassen kann man sich nicht. Es könnte manchmal doch so einfach sein.
"Belgien spricht also mal wieder nicht mit einer Stimme", beklagt auch De Morgen. Zum Glück sind wir nur ein Teil der großen EU-Delegation, die ein ehrgeiziges Klimaschutzprogramm vorzuweisen hat, das ja auch für Belgien verbindlich sein wird. Um diese Ziele zu erreichen, sollten wir im Übrigen nicht immer auf unsere gewählten Volksvertreter warten, sondern selbst aktiv werden, indem wir eben unser Verhalten ändern. Vor allem dürfen wir nicht die zögerliche Haltung vieler Industriestaaten als Entschuldigung betrachten, um auch weniger zu unternehmen.
Debatte um Atomkraft, die Quadratur des Kreises
Parallel zur Klimaschutzkonferenz in Glasgow geht in Belgien auch die Debatte über den Atomausstieg in ihre heiße Phase. De Tijd spricht auf Seite eins vom "Endspiel". In den letzten Tagen haben die frankophonen Liberalen MR klargemacht, dass sie die Abschaltung aller belgischen Atomkraftwerke ablehnen. Die Akte setzt denn auch die Vivaldi-Koalition buchstäblich unter Hochspannung.
Jeder hat hier natürlich seine eigene Wählerschaft im Blick, konstatiert La Libre Belgique. Und tatsächlich ist es so, dass das Gutachten des Betreibers der Hochspannungsnetze Elia keinen eindeutigen Befund liefert: Je nach Entwicklung stehen hinter der Versorgungssicherheit noch Fragezeichen. Das hat vor allem damit zu tun, dass die N-VA in Flandern die Genehmigung von Gaskraftwerken blockiert. Dieser Mangel an innerbelgischer Kooperation kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Davon abgesehen, dass man sich die Frage stellen kann, ob der Bau solcher CO2-Schleudern wirklich das glücklichste Signal wäre.
In der Energiepolitik kann man nicht alles haben, glaubt denn auch De Tijd. Kostengünstig und klimafreundlich soll es sein, zugleich aber auch ohne geopolitische Risiken, also ohne abhängig zu sein von autoritären Regimen, und dann muss auch noch die Versorgungssicherheit gewährleistet sein. Und das alles ohne Atomkraft. Das ist, Stand heute, die Quadratur des Kreises. Da muss man sich nicht wundern, wenn das Argument, am Ende doch zwei Reaktoren am Netz zu lassen, wieder an Kraft gewinnt.
Natürlich gibt es für alles Pro- und Contra-Argumente, meint auch L'Echo. Gegen die Atomkraft spricht eben das, wenn auch kaum wahrscheinliche, Risiko eines größeren Unglücks. Und auch das nach wie vor ungelöste Problem des radioaktiven Abfalls. Weil das alles so komplex ist, ist hier kein Platz für ideologische Scheuklappen und politische Dogmen. Und auch nicht für argumentative Abkürzungen und scheinbar einfache Wahrheiten. Von unseren politisch Verantwortlichen dürfen wir hier Nüchternheit und Weitsicht erwarten.
Roger Pint