"China treibt die Gaspreise wieder in die Höhe", titelt De Standaard. Und auch am heimischen Markt herrscht Unruhe: "Nie da gewesener Ansturm auf Energieverträge", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Het Laatste Nieuws wird konkreter: "Noch schnell einen festen Vertrag, bevor Gas 60 % teurer wird".
Insbesondere der Gaspreis geht auf den Weltmärkten regelrecht durch die Decke. Allein die Ankündigung Chinas, wonach das Land für den Winter zusätzliches Gas brauche, ließ den Preis an einem Tag um zwölf Prozent ansteigen. Viele Verbraucher versuchen, die Folgen für ihr Portemonnaie abzufedern. Bei den Energieunternehmen stehen die Telefone nicht mehr still.
Und auch die verschiedenen Regierungen des Landes stehen buchstäblich unter Hochspannung, kann Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel nur feststellen. Sie spüren den Druck. Von allen Seiten wird gefordert, die Folgen für die Bürger abzumildern. Das hätte man sich früher überlegen können, besser gesagt müssen.
Drehen wir die Uhr mal ein paar Monate zurück: Schon Anfang des Jahres warnten Experten vor einem drastischen Anstieg der Energiepreise. Dies vor dem Hintergrund des zu erwartenden wirtschaftlichen Neustarts nach dem absehbaren Ende der Coronakrise. Ein "perfekter Sturm" wurde erwartet.
Anders gesagt: Was wir jetzt sehen, das ist alles andere als eine Überraschung. Es ist, wie es immer ist in diesem Land: Der Feueralarm wird nicht ausgelöst, wenn sich erste Rauchentwicklung zeigt, sondern erst dann, wenn das Dach lichterloh in Flammen steht.
Eine "halbe wissenschaftliche Wahrheit"
"Die Maske hängt bald definitiv am Hacken", titelt derweil De Morgen. In Flandern zumindest fällt die Maskenpflicht heute in vielen Bereichen weg. De Morgen spricht vom "Abschied vom Covid-Symbol schlechthin". In Brüssel und in der Wallonie hingegen ändert sich erst einmal nichts.
In Flandern zumindest wird sich das Leben also ab jetzt wieder "fast normal" anfühlen, freut sich Het Laatste Nieuws. Einige Gesundheitsexperten geben hier aber den Spielverderber. Die Aufhebung der Maskenpflicht komme zu früh, erklärten unter anderem Steven Van Gucht, Erika Vlieghe oder auch Geert Molenberghs. Ach so? Das sind dieselben Leute, die im Frühjahr 2020 überall predigten, dass wir möglichst keine Masken tragen sollen.
Wissenschaftler rechtfertigen sich häufig, indem sie darauf hinweisen, dass die Forschung ein ständig fließender Prozess ist und Einsichten mit der Zeit reifen können. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Jeder weiß, dass im Frühjahr 2020 die Wichtigkeit von Masken bewusst kleingeredet wurde, weil es schlichtweg nicht genug gab. In Flandern würde es keinen Sinn machen, die kollektive Maskenpflicht bis Ende des Jahres aufrechtzuerhalten. Wenn eine vierte Welle kommt, dann ist das die der Ungeimpften; nicht der Unmaskierten.
"Innerbelgische Solidarität? Von wegen!"
Einige Leitartikler beschäftigen sich heute auch mit den föderalen Hilfen für die Wallonische Region. Um die Kosten für den Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe stemmen zu können, gibt der Föderalstaat der Wallonie ein Darlehen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro.
"Ein Darlehen? Ernsthaft?", fragt giftig La Dernière Heure. Das hat es in diesem Land noch nie gegeben. Von wegen innerbelgischer Solidarität! Die Wallonen werden die föderale Finanzspritze brav zurückzahlen müssen. Und das, bitte schön, nicht zum Nulltarif, sondern zum marktüblichen Zinssatz. Das erinnert doch stark an die Vorgehensweise etwa einer Europäischen Zentralbank oder eines Internationalen Währungsfonds. Das ist also das Belgien von heute: Seite an Seite, aber bitte nicht zu nah.
Eine nicht ganz unbegründete Kritik
L'Echo hat bei der gestrigen Pressekonferenz aber offensichtlich auch positive Punkte ausgemacht. So hat Premierminister Alexander De Croo für eine Stärkung der innerbelgischen Solidarität plädiert. Unter anderem wünscht er sich einen "strukturellen Mechanismus", um im Falle von Naturkatastrophen der betroffenen Region dann – ohne Palaver – schnell unter die Arme greifen zu können. Schön und gut, aber das die Wallonie sich jetzt mit einem Darlehen begnügen muss, das ist doch ein, sagen wir, "seltsamer" Auftakt für diese innerbelgische Solidarität.
All das mag mit dem Image der Wallonie in Flandern zu tun haben, meint selbstkritisch La Libre Belgique. Die N-VA etwa bezeichnet die Wallonische Region als das "Griechenland von Belgien". Und, seien wir ehrlich, man sollte sich nicht darauf beschränken, mit Empörung auf die flämischen Entgleisungen zu reagieren. Vielmehr müssen wir der Realität ins Auge sehen: Die Wallonie ist bis über beide Ohren verschuldet. Trotz unzähliger "Pläne", die die tollsten Namen trugen, hat die Region den Strukturwandel immer noch nicht hinbekommen. Die flämische Kritik ist also doch nicht ganz unbegründet.
Der "Baron der Antipolitik"
Einige Zeitungen beschäftigen sich schließlich mit dem Urteil gegen den belgischen Ex-Politiker Karel Pinxten. Nach seiner Laufbahn unter anderem als belgischer Landwirtschafts- und Verteidigungsminister war er an den Europäischen Rechnungshof berufen worden, wo er zwischen 2006 und 2018 Mitglied des Aufsichtsgremiums war. Wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten und Selbstbereicherung wurde er jetzt vom Europäischen Gerichtshof verurteilt. Unter anderem verliert er Zweidrittel seiner Pensionsansprüche.
Het Belang van Limburg nennt Pinxten den "Baron der Antipolitik". Der Mann hat monatlich stolze 17.000 Euro verdient. Und das reichte offensichtlich immer noch nicht. Nicht nur, dass er wirklich von allen Vorzügen schamlos profitiert hat; er hat auch noch Gelder in Höhe von mindestens 160.000 Euro abgezweigt. Das ist Wasser auf den Mühlen von Extremisten aller Art. Der Vlaams Belang wird schlafend reich.
De Tijd sieht das genauso. Wieder einer, bei dem sich alle Klischees zu bewahrheiten scheinen. Einige kriegen offensichtlich tatsächlich den Hals nicht voll. Dabei sollten doch gerade Politiker eine Vorbildfunktion haben. Diese Affäre versetzt der Glaubwürdigkeit der Politik einen erneuten schweren Schlag. Die Politikverdrossenheit, daran sind die Politiker selbst schuld. Die Wähler sind nicht dumm.
Roger Pint