"Die Erdgaspreise sind so hoch wie nie", schreibt De Tijd. "Die Energiepreise in Europa explodieren, die Rechnung für die Belgier wird teurer", titelt L'Echo. "Günstiger Strom für zwei Millionen Belgier soll bleiben – Groen will Ausweitung der Sozialtarife dauerhaft machen", greift Het Laatste Nieuws einen Vorstoß der föderalen Energieministerin Tinne Van der Straeten auf.
Dem Coronavirus hat man während der Pandemie nachgesagt, dass es der "große Gleichmacher" sei. Jetzt scheint es aber für zunehmende Ungleichheit zu sorgen, kommentiert Het Laatste Nieuws. Jüngstes Beispiel: Die steigenden Gas- und Elektrizitätspreise drohen immer mehr Familien in Energiearmut zu stürzen. Die Weltwirtschaft ist dabei, nach der Corona-Krise wieder anzuziehen. Während das an sich eine gute Nachricht ist, bedeutet es aber auch, dass die Nachfrage nach Energie plötzlich viel größer als das Angebot ist. Die Folge: Gas- und Elektrizitätspreise gehen durch die Decke. Das gleiche Problem sehen wir übrigens auch an den Tankstellen.
All das trifft natürlich besonders ärmere Familien. Sie müssen mehr als zehn Prozent ihres Einkommens für die Energierechnung aufbringen, oder sie schränken ihre Lebensqualität ein, um die Rechnungen noch bezahlen zu können, zum Beispiel, indem sie weniger oft duschen. Das Perverse: Je ärmer die Familien, desto weniger können sie es sich leisten, in Maßnahmen zu investieren, um die Energiekosten abzufedern. Das wird eine der großen Herausforderungen für die politisch Verantwortlichen in den nächsten Monaten: Wie kann verhindert werden, dass aus der Gesundheitskrise eine soziale Krise wird, fragt Het Laatste Nieuws.
Konsequenzen und Ursachen
Wir müssen akzeptieren, dass es langfristig nur eine Richtung gibt: einen allgemeinen Preisanstieg, schreibt L'Echo. Erschwerend kommt hinzu, dass wir mit dem Energiewandel begonnen haben und mit der Elektrifizierung unserer Transportmittel. Beides zusammen setzt unsere Energieversorgung unter nie da gewesenen Druck. Es ist höchste Zeit, diese Realitäten zu akzeptieren und darüber nachzudenken, wie unsere Gesellschaften und Unternehmen diese Schocks absorbieren können, fordert L'Echo.
De Tijd blickt auf die Konsequenzen: Werden die hohen Gaspreise in Europa für Stagnation und hohe Inflation sorgen? Soweit ist es noch nicht, aber die Gefahr besteht. Außerdem schaden sie der klimafreundlicheren Energiepolitik: In anderen Ländern greifen Stromproduzenten und Industrie schon wieder auf die günstigere, aber viel umweltverschmutzendere Steinkohle zurück.
Schuld an den steigenden Energiepreisen ist aber nicht nur die Wirtschaft, die langsam wieder hochfährt. Russland ist ein wichtiger Gaslieferant für Europa – und nutzt das auch als geopolitische Waffe. Die Lektion, die Belgien und andere Länder ziehen müssen, ist, dass ein variabler Energiemix wichtig ist. Und für Belgien gilt: Jetzt ist nicht der richtige Augenblick, um auf Gaszentralen zu setzen. Zumindest nicht, wenn die Preise bezahlbar bleiben sollen. Mit gesalzenen Strompreisen gewinnt man keine Wahlen. Das erklärt vielleicht, warum Groen und Ecolo nicht mehr ausschließen, dass zwei belgische Atomkraftwerke vielleicht doch länger am Netz bleiben könnten, analysiert De Tijd.
Aufgeladene Diskussionen
Ansonsten wirft der Konzertierungsausschuss am Freitag weiter seinen Schatten voraus. Nach Frankreich setzen jetzt auch die Niederlande auf den Corona-Pass, hält Het Belang van Limburg fest. Das befeuert natürlich auch hierzulande die Diskussion über das Covid-Safe-Ticket. Beim Konzertierungsausschuss wird es wohl heiß hergehen – sowohl die Diskussion um den Corona-Pass als auch um die Mundschutzmaskenpflicht sind gemeinschaftspolitisch aufgeladen. Wenn er konsequent ist, muss der Konzertierungsausschuss die solidarische Strategie des "Tous ensemble", des "Alle zusammen", eintauschen gegen mehr Privilegien für Geimpfte. Eine Passierschein-Gesellschaft mit Einschränkungen der Freiheiten für Nicht-Geimpfte scheint unabwendbar, ist Het Belang van Limburg überzeugt.
Mal wieder kollidieren regionale Forderungen nach Lockerungen mit den Warnungen der Gesundheitsexperten, vorsichtig zu bleiben, resümiert Le Soir. Hier wird mal wieder vergessen, dass – zumindest was Covid angeht – kein Land und keine Region eine Insel ist. Alle politisch Verantwortlichen sehen sich den gleichen Fragen, den gleichen Situationen, den gleichen notwendigen Entscheidungen gegenüber. Weder die politische Farbe noch irgendwelche Slogans wie "freies Flandern" sind die richtige Grundlage für gute Entscheidungen. Was es braucht, ist eine korrekte Bewertung der Lage in all ihren Nuancen.
Der Blick über den Tellerrand muss aber auch über Belgien hinausgehen: Nur weil bestimmte Regionen schon zu mehr als 90 Prozent geimpft sind, bedeutet das nicht, dass die Pandemie und die Gefahr für diese Regionen vorbei wären. Je stärker das Virus zirkuliert, desto größer das Risiko, dass es so mutiert, dass die Impfstoffe nicht mehr wirken. Diese Experteneinschätzung sollte auch berücksichtigt werden bei der Debatte über eine dritte Impfdosis. Beziehungsweise darüber, ob es nicht besser wäre, die Impfstoffe stattdessen bedürftigen Ländern zur Verfügung zu stellen, meint Le Soir.
Die frühen Warnsignale nicht ignorieren
De Morgen kommt zurück auf verschiedene homophobe Vorfälle der vergangenen Tage, darunter eine gegen Homosexuelle gerichtete Aufkleber-Aktion in Antwerpen und Gent. Das ist eine neue Dimension und beunruhigend, weil es zu unterstreichen scheint, dass homophobe Bewegungen im öffentlichen Raum immer selbstsicherer auftreten. Dabei handelt es sich um verschiedene radikale Gruppen, die sich sonst gegenseitig an die Kehle gehen würden: von fanatischen Moslems und anderen religiös inspirierten Erzkonservativen auf der einen Seite bis hin zu Rechtsextremen auf der anderen. Aber in einem sind sie sich einig: ihrer Ablehnung von allem, was mit L, G, B, T oder Q zu tun hat.
Dass die rechte Ecke in dieser Hinsicht immer lauter wird, ist kein Zufall. Sie fühlen sich durch die offizielle Politik von EU-Staaten wie Polen oder Ungarn beflügelt. Die zunehmende Gewalt, die Einschüchterung und die Aufkleber-Kampagnen müssen für Belgien frühe Warnsignale sein. Wir dürfen diese Entwicklung nicht ignorieren. Es muss ein- und durchgegriffen werden, appelliert De Morgen.
Boris Schmidt