Abschied von zwei Ikonen", titelt Het Nieuwsblad. Het Laatste Nieuws ist präziser: "Abschied von einer Rock-Ikone und einem Fußballhelden", so die Schlagzeile.
Zu sehen ist auf der einen Seite Charlie Watts. Der Schlagzeuger der Rolling Stones ist gestern im Alter von 80 Jahren gestorben. "Er hat 58 Jahre lang die Rolling Stones zusammengehalten", schreibt Het Laatste Nieuws. Auf der anderen Seite sieht man Wilfried Van Moer. Der Mittelfeld-Spieler starb im Alter von 76 Jahre an den Folgen einer Hirnblutung. Het Belang van Limburg stellt nur Wilfried Van Moer in den Vordergrund. Er galt als Ausnahmetalent, vergleichbar heute mit einem Kevin De Bruyne. "Ein 'Großer' des belgischen Fußballs ist von uns gegangen", schreibt La Dernière Heure.
"Die Uhr tickt"
Ganz anderes Thema auf Seite eins von De Morgen: "Die Zeit drängt für die Evakuierungsoperation in Afghanistan", so die Schlagzeile. Die belgische Rettungsoperation "Red Kite" hat zwar in den letzten Tagen erhebliche Fortschritte gemacht, doch bleibt nicht mehr viel Zeit. Der Grund: "Die amerikanische Armee will den Flughafen Kabul wie vereinbart räumen", notiert La Libre Belgique auf ihrer Titelseite. "Die USA halten am Truppenabzug zum 31. August fest", schreibt auch das GrenzEcho. Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder ist aber optimistisch: "Die Operation Red Kite kann bis Freitag beendet sein", sagt sie auf Seite eins von L'Echo und De Tijd.
"Die Uhr tickt", mahnt Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Die Uhr tickt erstmal in Kabul, wo die Streitkräfte alles daransetzen, um möglichst alle Belgier beziehungsweise Afghanen mit Belgienbezug aus dem Krisenland herauszuholen. Die Uhr tickt aber auch für die Streitkräfte an sich. Die Armee stößt nämlich ganz offensichtlich an ihre Grenzen. Gerade erst zeigt sich wieder, wie abhängig wir insbesondere von den Amerikanern sind. Wenn die USA ihre Truppen fristgerecht zum 31. August aus Afghanistan abziehen, dann ist auch die belgische Rettungsoperation Geschichte. Belgien könnte die Mission ohne die Hilfe der Amerikaner nicht durchziehen. Gleiches gilt aber auch für andere Nato-Staaten bis hin zu Frankreich und Deutschland. Das sagt viel aus über den Zustand der europäischen Armeen. In Belgien sind die Streitkräfte regelrecht kaputtgespart worden. Ironischerweise sind es ausgerechnet die Parteien, die am liebsten den Rotstift bei der Armee angesetzt haben, die jetzt ein größtmögliches Engagement in Kabul einfordern. Es ist immer so: Wenn es brennt, dann wird die Armee zum Löschen gerufen. Das sieht man in Afghanistan, das galt auch schon für die Flutkatastrophe im Süden des Landes. Und doch will niemand den Streitkräften zusätzliche Mittel bewilligen.
Die Schlacht um die Renten
Viele Leitartikler beschäftigen sich heute aber auch mit der Zukunft der Renten. Der OpenVLD-Vorsitzende Egbert Lachaert hatte zuletzt mit einem überraschenden Vorstoß von sich reden gemacht. Grundbedingung für den Erhalt einer Mindestpension ist für ihn, dass der Betreffende mindestens 20 Jahre gearbeitet hat. "Die Rente der Arbeitslosen ist im Fadenkreuz", titelt denn auch La Dernière Heure.
Die Schlacht um die Renten hat begonnen, glaubt sinngemäß Het Nieuwsblad. Auf den Vorstoß von Egbert Lachaert reagierte die PS-Pensionsministerin Karine Lalieux gleich not amused – ihre Partei spricht von einer Provokation. Wobei: Ob Lachaert recht hat oder nicht, diese Frage stellt sich eigentlich gar nicht. Er hatte höchstwahrscheinlich die beiden wallonischen Freundinnen Virginie und Caroline vor Augen; die eine hat ihr Leben lang gearbeitet, die andere war die meiste Zeit arbeitslos. Wie bei einem schlechten Witz muss man jetzt nicht fragen, wer von den beiden die höhere Rente bekommt. Das ist natürlich niemandem zu erklären. Für die Renten gilt denn auch, was auch auf so viele andere Bereiche zutrifft: Hier ist eine gründliche Reform nötig.
Wer soll die Renten bezahlen?
Der Streit um die Rentenreform wird ohne Zweifel den Herbst beherrschen, ist De Tijd überzeugt. Und hier wird die Koalition liefern müssen. Der Preis für die Vergreisung der Bevölkerung wird mit jedem Jahr höher. Und im Koalitionsabkommen steht, dass die Mindestrente schrittweise auf 1.500 Euro angehoben werden soll. Die ebenso unangenehme wie berechtigte Frage lautet: Wer soll das bezahlen? In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob diese Regierung neben dem Corona-Krisenmanagement auch zu sozialwirtschaftlichen Reformen in der Lage ist.
Bei dieser Debatte geht es in erster Linie um Bezahlbarkeit, glaubt auch De Standaard. Die PS hat sich mit ihrer Forderung nach einer Mindestrente von 1.500 Euro durchgesetzt. Nur wie das finanziert werden soll, das weiß niemand. Nötig wäre jedenfalls eine Anhebung der Beschäftigungsrate auf 80 Prozent. Das steht im Übrigen auch so im Regierungsabkommen. Denn nur so kann die Zukunft der Sozialen Sicherheit gewährleistet werden. Die PS hat diese Akte an sich gerissen. Das stellt die Sozialisten vor eine große Verantwortung.
"Aber worauf wartet die PS-Pensionsministerin noch?", fragt sich Het Belang van Limburg. Alle Welt wartet auf Karine Lalieux‘ Entwurf einer Rentenreform. Ein Jahr hatte sie jetzt schon Zeit. Sie sollte jetzt endlich ihr Ei legen. In der Hoffnung, dass das Reformprojekt stimmig und gut unterfüttert sein wird. Dieses Vorhaben ist jedenfalls zu wichtig, um daraus ein politisches Spektakel zu machen.
Der Schatten der Delta-Variante
Le Soir blickt schließlich schon auf das anstehende Ende der Sommerpause und insbesondere den Schulanfang. Über alledem hängt der Schatten der Delta-Variante. Wird der Schulbetrieb problemlos verlaufen können? Wird man an den Universitäten wieder mit vollen Hörsälen arbeiten können? Hinter alledem stehen insbesondere in Brüssel noch große Fragezeichen. Wegen der niedrigen Impfquote droht ja in der Hauptstadt eine ausgewachsene vierte Welle. Vor allem hier besteht denn auch die Gefahr einer Konfrontation zwischen Geimpften und Ungeimpften. Das Thema polarisiert mehr denn je und könnte sogar zu einer tiefen Spaltung der Gesellschaft führen. Und das erst recht, wenn die Zahlen wieder durch die Decke gehen. Auch deshalb müssen wir vorsichtig bleiben. Sorglosigkeit ist auch im Herbst absolut unangebracht.
Roger Pint