"Es hört nicht auf", titelt Het Belang van Limburg. "Jetzt traf es Namür und Dinant", so die Schlagzeile von L'Avenir. "Wassermassen in den Straßen von Dinant und Namür", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins.
Am Samstagabend standen plötzlich weite Teile der Provinz Namür unter Wasser. Nach einem heftigen Gewitter verwandelten sich Straßen in reißende Flüsse. Besonders betroffen waren die Städte Namür und Dinant. Es entstand erheblicher Sachschaden. Und das alles gerade mal zehn Tage nach der Unwetterkatastrophe, die insbesondere die Provinz Lüttich getroffen hatte.
"In der Provinz Namür gab es den zweiten Akt der Sommerüberschwemmungen", schreibt La Libre Belgique. "Wieder durch Wasser überrascht", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Einmal alle hundert Jahre, jetzt zwei Mal innerhalb von nur zwei Wochen", meint leicht resigniert Gazet van Antwerpen. "Was ist mit unserem Wetter los?", fragt sich De Standaard. Und Le Soir zieht schon erste Lehren aus den Katastrophen dieses Sommers. "Die Wallonie muss dringend überdacht werden", schreibt das Blatt. Das ist die Meinung von vier Experten für Raumordnung und Städtebau.
Umdenken in puncto Raumordnung dringend notwendig
La Libre Belgique ist der gleichen Meinung. Unabhängig davon, wer oder was im Einzelnen Schuld an den Katastrophen war, müssen wir uns dringend eine Reihe von grundsätzlichen Fragen stellen, meint das Blatt. Zum Beispiel werden immer noch Gebiete entlang der Wasserläufe bebaut. Zwar gibt es in der Wallonie längst Karten, die einige Gebiete als Risikozonen ausweisen. Die örtlichen Bürgermeister sind aber immer noch zu großzügig mit Sondergenehmigungen. Das Ganze übersteigt aber diese punktuellen Feststellungen. Insgesamt müssen wir einsehen, dass wir nicht länger unsere Welt zubetonieren dürfen. Die Ortschaften breiten sich immer weiter aus; entsprechend gibt es auch immer mehr Straßen. Das muss schnellstens aufhören. Das Wasser, mehr noch, die Natur müssen wieder ihren Platz bekommen. Statt zu versuchen, sich auf einen Kampf mit den Elementen einzulassen, den man nur verlieren kann.
Gazet van Antwerpen sieht das ähnlich. "Wir müssen die Natur wieder der Natur zurückgeben", meint das Blatt. Eigentlich darf man die Häuser und Wohnungen, die vom Wasser weggerissen wurden, nicht mehr an derselben Stelle wiederaufbauen. Zumindest wird man dann "anders" bauen müssen. Das mag logisch klingen, aber in der Praxis bedeutet das ein vollständiges Umdenken unserer bisherigen Raumordnungspolitik. Dieser Prozess mag stellenweise schon eingesetzt haben, aber oft viel zu halbherzig. Der flämische "Betonstopp" wurde ja längst verwässert. Hoffentlich sorgen die Katastrophen dieses Sommers für ein Umdenken. Ein Umdenken auch in puncto Klimaschutz!
Es gibt inzwischen mehr als genug Alarmzeichen, ist auch Het Belang van Limburg überzeugt. Warnsignale, die zeigen, dass dringend was passieren muss: Hitzewellen in Kanada, extreme Trockenheit in den USA, Waldbrände in Sibirien und nun eben auch Überschwemmungen in Westeuropa und im Übrigen auch in China. Immerhin hat die EU jetzt unter anderem mit ihrem Green Deal endlich den richtigen Weg eingeschlagen. Zugegeben: Europa allein wird das Klima nicht retten. Das ist aber kein Grund, untätig zu bleiben. Europa kann auch durchaus mal eine Vorreiterrolle übernehmen.
Bitte keine Hexenjagd!
Le Soir mahnt bei alledem aber zur Besonnenheit. Jetzt, wo die Staatstrauer hinter uns liegt, jetzt läuft unter Hochdruck die Suche nach den Schuldigen. Und schon jetzt lässt das Übles erahnen. Zu beobachten sind da etwa Personen des öffentlichen Lebens, die – ohne mit der Wimper zu zucken – Fake News untermauern und unbewiesene Anschuldigungen in den Raum stellen. Und die sich – ohne rot zu werden – auch schon mal gerne selbst widersprechen. Auch sieht man in Sozialen Netzwerken einen Wildwuchs an frischgebackenen Experten für Hydrologie, Talsperren oder Wetterprognosen, oder alles zusammen, die Karten und Zahlen in den Raum schmeißen ohne die erforderliche Kontextualisierung. Das alles nur, um zu "beweisen", dass all das "natürlich" vorhersehbar gewesen sei. Das sorgt dafür, dass Behörden und Talsperren-Verantwortliche inzwischen die wildesten und einfältigsten Gerüchte dementieren müssen. Ja, es mag Fehleinschätzungen gegeben haben, ja, es mag sein, dass Irrtümer begangen wurden, dass man die Folgen der Katastrophe hätte abschwächen können. Ein Land, das sich gerade erst durch so viel Empathie und Solidarität ausgezeichnet hat, verdient aber mehr als "Experten für alles", die um jeden Preis Schauprozesse führen wollen. Bitte keine Hexenjagd!
Nach der Silbermedaille noch Gold dazu?
Die Zeitungen sind aber heute hin- und hergerissen zwischen Verzweiflung und auch Freude. Freude über die Silbermedaille des Radsportlers Wout Van Aert bei den Olympischen Spielen in Tokio. "Silber für Wout Van Aert", jubelt Het Laatste Nieuws. "Und die Turnerinnen sind besser drauf als je zuvor!", fügt das Blatt hinzu. Denn die Equipe um Nina Derwael hat das Mannschafts-Finale erreicht. "Und der silberne Wout Van Aert ist Topfavorit für das Zeitfahren am Mittwoch", ist Gazet van Antwerpen überzeugt. "Am Mittwoch doch noch Gold?"; fragt sich hoffnungsvoll Het Nieuwsblad.
Wie ein schlechter Witz
Innenpolitisch droht schließlich eine neue Polemik um den Atomausstieg. Die Provinz Flämisch-Brabant hat die Baugenehmigung für ein Gaskraftwerk verweigert. "So gut wie alle Lichter waren auf grün, und doch keine Genehmigung", schreibt De Standaard. Dahinter wird ein Sabotageakt der N-VA vermutet, die in der Provinz Flämisch-Brabant am Ruder ist. Deswegen auch die Schlagzeile von De Morgen: "Politische Schlacht um die Gaskraftwerke".
"Gaskraftwerke? Passt das noch in unsere Zeit?", fragt sich Het Nieuwsblad. Diese Anlagen, die CO2 ausstoßen, ausgerechnet die sollen den Weg weisen in eine klimaneutrale Zukunft? Klingt nach einem schlechten Witz. Wir haben aber keine Alternative. Die zwei jüngsten Atomkraftwerke am Netz zu lassen, so wie es die N-VA fordert, das ist keine gute Idee. Und hier geht es nicht um Ideologie. Vielmehr ist es dringend nötig, dass in diesem Land endlich eine konsequente Energiepolitik geführt wird. Dass Gaskraftwerke nötig sind, um die Energiewende hinzubekommen, das ist eben die Folge der bisherigen flattrigen Politik.
"Wie wäre es mit Zusammenarbeit?"
"War es nicht die N-VA, die in den letzten Jahren immer für 'Investitionssicherheit' plädiert hat?", fragt provokativ De Morgen. Im vorliegenden Fall sind wir weit davon entfernt. Alle Lichter standen auf grün, und doch wird am Ende die Genehmigung nicht erteilt. Den Atomausstieg wird man damit nicht aufhalten. Allenfalls wird der Strom dadurch in Flandern teurer. Das kann die N-VA doch nicht wollen. Das Ganze wird sich sicher noch aufklären, meint das Blatt sarkastisch. Denn, es kann doch nicht sein, dass die N-VA so flagrant gegen die eigenen Grundsätze verstößt.
"Wie wäre es mit Zusammenarbeit?", empfiehlt denn auch De Standaard. Es sieht verdächtig danach aus, als habe die N-VA in dieser Geschichte ihre Finger im Spiel. Dabei muss doch jedem einleuchten, dass ein Mindestmaß an Kooperation nötig ist, damit dieses Land zumindest halbwegs regierbar ist. Politische Spielchen mögen dem einen oder anderen Player kurzfristig Befriedigung geben. Dem Bürger bringt das aber überhaupt nichts.