"Anschlag", titelt Het Belang van Limburg. Het Laatste Nieuws ist präziser: "Ein Mordanschlag auf offener Straße nach einem Fernsehauftritt", schreibt das Blatt. "Jetzt ist plötzlich auch der Journalismus im Fadenkreuz", so die Schlagzeile von De Morgen.
Das Opfer, das ist Peter R. de Vries. Der Journalist ist in den Niederlanden und darüber hinaus bekannt. Er ist spezialisiert auf alte, ungelöste Fälle, sogenannte Cold Cases. Er hat schon diverse Straftäter enttarnt, manchmal Jahrzehnte nach der Tat. Auch deswegen stand er offensichtlich auf diversen Todeslisten. Am Abend wurde er in Amsterdam auf offener Straße angeschossen. Drei Verdächtige wurden inzwischen festgenommen. Ihre genauen Motive sind noch unklar. Peter R. de Vries liegt im Krankenhaus und ist offenbar in einem kritischen Zustand.
"Der Sommer aller Gefahren"
"Mindestens 30 Jugendliche kommen infiziert aus Spanien zurück", so derweil die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad. "34 flämische Jugendliche auf Party-Reise in Spanien infiziert", schreibt auch Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Diese Zahl kommt von Reiseveranstaltern, die auf Jugendreisen spezialisiert sind. Das ist aber wohl nur die Spitze des Eisbergs.
Einige Zeitungen fassen das Thema denn auch breiter: "Delta-Variante – Der Sommer aller Gefahren", titelt La Dernière Heure. "Dann doch kein sorgloser Sommer?", so die bange Frage auf Seite eins von Het Belang van Limburg.
Die Delta-Variante ist inzwischen schon dominant in Belgien. Und man befürchtet, dass Reiserückkehrer das weiter befeuern könnten. Die Zahl der Neuinfektionen nimmt inzwischen wieder zu. "Steigende Fallzahlen, wie schlimm ist das eigentlich?", fragt sich Le Soir auf Seite eins. Die Zeitung liefert aber auch gleich die Antwort: Die meisten Experten seien nicht in Alarmstimmung, schreibt die Zeitung. Dank der Impfungen sei die Situation nicht vergleichbar mit den vorherigen Krankheitswellen.
Sorgen um mögliche gebrochene Versprechen
Dennoch: Es hängen dunkle Wolken über dem Konzertierungsausschuss, der Ende nächster Woche ansteht, ist Het Nieuwsblad überzeugt. Wie Dominosteine fallen beliebte Urlaubsziele um und färben sich wieder rot. Man hat die Lage in Europa wohl zu rosig eingeschätzt. Vor allem in den bekannten Partyhochburgen schnellen die Zahlen in die Höhe. Es war wohl besonders naiv zu glauben, dass auch wilde Feiern in Nachtclubs und Discos wieder möglich sein würden. Resultat von alledem: Notgedrungen müssen Reiseveranstalter wieder damit beginnen, Reisen abzusagen bzw. umzubuchen. Die Betroffenen sind wütend, fühlen sich von den feiernden Jugendlichen um ihren Urlaub betrogen. Und das ist nachvollziehbar. All die Politiker, die den Bürgern allerlei neue Lockerungen vorgegaukelt haben, die dürften ihrerseits inzwischen doch ziemlich nervös werden. Wenn die Flügel der Freiheit in den nächsten Wochen doch wieder beschnitten werden müssen, dann werden die Enttäuschung und die Wut groß sein. Das hat der Konzertierungsausschuss sich selbst zuzuschreiben. Gebrochene Versprechen sorgen für Entrüstung und Ernüchterung. Bis in die Wahlkabine.
Die Führung in einem anderen Rennen übernehmen
"Da bleibt nur eins: Impfen, impfen, impfen", mahnt Gazet van Antwerpen. Spätestens seit dem Vormarsch der Delta-Variante wissen wir, dass jeder Prozentpunkt zählt. Und spätestens jetzt sollte man sich auch noch einmal über eine mögliche Impfpflicht für Pflegepersonal Gedanken machen. Mal ehrlich: Es ist doch absurd. Auf der einen Seite arbeiten die Impfzentren mit ihren zahllosen freiwilligen Mitarbeitern fieberhaft, um so viele Menschen wie eben möglich zu erreichen und zu immunisieren. Und auf der anderen Seite werden immer noch ungeimpfte Pflegekräfte auf Patienten bzw. Senioren losgelassen. Weil sie eine Spritze verweigern, bringen sie Menschen in Gefahr. Das können wir uns in der aktuellen Situation nicht erlauben. Mehr denn je lautet die Botschaft: Wir müssen so viele Menschen wie möglich impfen.
Und eigentlich machen wir das in diesem Land ja auch schon ziemlich gut, meint De Morgen. Nirgendwo in Europa wird derzeit schneller geimpft als in Belgien, genauer gesagt in Flandern. Und Ehre, wem Ehre gebührt: Der Staat hat diesmal wirklich mal so funktioniert, wie man es von einem fürsorglichen Wohlfahrtsstaat erwarten kann. Covid ist noch nicht geschlagen, aber eine wichtige Schlacht haben wir gewonnen. Doch wir sind noch nicht am Ziel. Innerhalb Europas sind die Unterschiede schon flagrant. Geschweige denn, wenn man sich den Rest der Welt anschaut. Vielerorts geht die Katastrophe ungebremst weiter. Es würde die Flamen, die Belgier, die Europäer ehren, wenn sie am Ende auch in einem anderen Rennen die Führung übernehmen würden, nämlich wenn es darum geht, Impfstoff so schnell und so ehrlich wie möglich in der Welt zu verteilen.
"Pionier bei der Rückgabe von Raubkunst"
"Belgien öffnet die Tür hin zu einer Rückgabe kolonialer Raubkunst", titelt derweil La Libre Belgique. "Belgien Pionier bei der Rückgabe von Raubkunst", so auch die Schlagzeile des GrenzEchos. Belgien will ernsthaft daran arbeiten, dass Kunstwerke insbesondere aus dem Kongo, die über nachweislich unrechtmäßige Wege nach Belgien gelangt sind, zurückgegeben werden.
Und eigentlich sollte das doch das Normalste der Welt sein, meint La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Mehr noch: Bereits 1973 wurde eine UN-Resolution verabschiedet, die schon genau das forderte: die Rückerstattung von Kunstwerken, derer insbesondere die früheren Kolonien beraubt wurden. In der Folge hat Belgien aber gerade mal 200 Stücke dem damaligen Zaire wieder ausgehändigt, das Ganze mit sehr viel bösem Willen. Man sollte aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Aber an der Grundfeststellung darf nicht mehr gerüttelt werden: Viele Kunstwerke, die in belgischen Museen lagern, wurden illegal erworben. Das ist nicht zu leugnen. Und deswegen ist die Rückgabe dieser Objekte eine Notwendigkeit.
Eine Frage der Ehre
L'Avenir sieht das genauso. Hier geht es nicht nur um das Verhältnis zwischen Belgien und seiner ehemaligen Kolonie. Die Frage nach der Rückgabe von Raubkunst stellt sich so ein bisschen überall auf der Welt. In allen großen Museen der Welt lagern Stücke, die durch Plünderungen, Diebstahl, Gewalt, Nötigung, Lug und Betrug in westliche Hände gelangt sind. So wurden Staaten wie allen voran Griechenland oder Ägypten regelrecht um ihr kulturelles Erbgut gebracht. Die Frage der Rückgabe bleibt aber oft zutiefst politisch bzw. ideologisch gefärbt. Das beginnt oft schon mit dem Vorwurf, dass die betreffenden Länder nicht über die Möglichkeiten verfügen, die Stücke fachgerecht zu konservieren. Wir sollten den Ländern aber vertrauen und ihnen gegebenenfalls mit fachkundigem Rat zur Seite stehen. Für Belgien ist das in Bezug auf die Demokratische Republik Kongo eine Frage der Ehre.
Roger Pint