"UEFA verbietet 'Regenbogen-Stadion" bei EM – die UEFA ist für Toleranz, wenn es ihr passt", titelt De Morgen. "UEFA-Urteil löst Welle der Empörung aus", schreibt das GrenzEcho. "Homophobie: Rote Karte für die UEFA", so Le Soir zum Verbot, die Allianz-Arena beim Spiel Deutschland gegen Ungarn in den Regenbogen-Farben erstrahlen zu lassen. Die Stadt München hatte so ihren Widerstand gegen das neue ungarische Gesetz gegen Homosexualität zeigen wollen.
Zuerst kamen sie, um die Sozialisten zu holen, dann die Gewerkschafter, dann die Juden – und ich habe nichts gesagt, weil ich kein Sozialist, kein Gewerkschafter und kein Jude war, paraphrasiert Le Soir in seinem Leitartikel ein bekanntes Zitat des deutschen Pastors und Gegners des Nazi-Regimes Martin Niemöller. Das kann man auch mit gewissen Änderungen auf Ungarn übertragen. Und auf Polen. Es ist eine Schande! Als Ungarn die LGBTQI+-Gemeinschaft verfolgen wollte, was haben wir da gesagt? Diese Frage muss sich jeder von uns stellen. Und dann entsprechend handeln. Nichts zu tun bedeutet, Menschen Hilfe zu verweigern, die sie brauchen. Deswegen ziehen wir den Hut vor Belgien, das eine gemeinsame Erklärung von 13 EU-Staaten initiiert hat, in der die EU-Kommission aufgefordert wird, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um die Einhaltung der Menschenrechte zu gewährleisten. Schande über die UEFA und ihr Verbot. Und Hut ab vor den Bürgermeistern von Köln, Berlin, Gent und anderen Orten, die ihre Gebäude bunt erstrahlen lassen werden. Und vor den Spielern mit ihren Armbinden und den Zuschauern mit ihren Fahnen. Die Botschaft an die ungarischen LGBTQI+ muss lauten: Ihr seid nicht allein. Und an die Führer Ungarns: "No pasaran", sie werden nicht durchkommen, fordert Le Soir.
Menschenrechte oder Gleichbehandlung: Nebensache
Wenn es eine Weltrangliste der scheinheiligsten Organisationen gäbe, dann würden die UEFA und die FIFA ungefährdet auf Platz eins stehen, giftet Het Nieuwsblad. Jeder Beschluss der beiden Fußballverbände ist auch politisch. Sie geben Regimen und ihren Firmen mit angekratztem Image die Möglichkeit, sich positiv zu profilieren: Gazprom als Wirtschaftspfeiler Putins, Tiktok, der lange Arm Chinas, Qatar Airways, die Drehscheibe eines Regimes, das die Taliban unterstützt und das die Weltmeisterschaft beherbergen darf. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Das alles ist der UEFA egal. Ungarn pumpt unter dem Motto "Brot und Spiele" massig Geld in den Fußball. Und wer das tut, ist immer gut Freund mit UEFA und FIFA, denn sie kassieren ja ihren Anteil. Menschenrechte oder Gleichbehandlung sind da nebensächlich, wettert Het Nieuwsblad.
Politik und Neutralität
De Morgen erinnert daran, dass ausländische und dunkelhäutige Spieler während dieser EM vom ungarischen Publikum schon mehrfach rassistisch geschmäht worden sind. Ohne dass die UEFA reagiert hätte. Ganz im Gegensatz zur Regenbogen-Debatte, in der der Verband sofort zum Beispiel gegen den deutschen Manuel Neuer ermittelte, weil der eine Regenbogen-Kapitänsarmbinde trug. Natürlich hat die UEFA im Grunde Recht: Der Regenbogen ist ein politisches Statement. Aber dazu ist es vor allem geworden durch die jüngsten Einschränkungen der LGBTQ+-Rechte durch Ungarns rechtsradikale Regierung. Der x-te Anschlag auf die Menschenrechte in einem europäischen Mitgliedsstaat. Wer sich nun schweigend und "neutral" am Spielfeldrand herumdrückt, ist kein hehrer Friedenstifter. Er steht auf der Seite der Feiglinge, der Beschwichtiger und der Wegschauer, so das vernichtende Urteil von De Morgen.
Die politische und religiöse Neutralität, auf die sich die UEFA bei ihrem Verbot beruft, endet, wenn die Menschenrechte auf dem Spiel stehen, kritisiert auch De Standaard. Die Regenbogen-Beleuchtung hätte erlaubt werden müssen. Die UEFA steht übrigens vor dem gleichen Dilemma wie die Europäische Union. Elementare Menschenrechte müssen in Europa grundsätzlich respektiert werden. Und nicht erst nach juristischen Haarspaltereien. Und die EU sollte sich fragen, wie weit ihre Prinzipien der Demokratie und Menschenrechte untergraben werden können, bevor die Union Gefahr läuft, ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren, meint De Standaard.
Rahmentarifabkommen und gefährliche Symbole
L'Echo kommentiert das grüne Licht der Gewerkschaften zum Rahmentarifabkommen für den Privatsektor: Es war zwar mit Ach und Krach, aber am Ende ist es wie bei der Fußball-EM – allein das Ergebnis zählt. Durch ihre Zustimmung sichern die Gewerkschaften der sozialen Konzertierung ihre Glaubwürdigkeit. Und das ist bitter nötig, denn mit der Pensionsreform steht die nächste, sehr schwere Herausforderung an und sollte nicht aufgeschoben werden. Jetzt, da wir aus der größten wirtschaftlichen Krise der Nachkriegszeit herauskommen, bietet sich uns eine einmalige Chance für große Reformen. Wenn die Sozialpartner es schaffen, diese Gelegenheit beim Schopf zu packen, schaffen sie es ins Finale. Wenn sie sie konkret nutzen können, dann werden sie Champions werden, glaubt L'Echo.
La Dernière Heure schließlich greift den Tod von Jürgen Conings auf: Die Geschichte sagt auch viel über einen Teil unserer Gesellschaft aus: Während des langen und harten Lockdowns ist ein Teil der Belgier fast durchgedreht. Das sieht man allein schon an der gestiegenen Nachfrage nach psychiatrischer Hilfe. Für eine Minderheit ist Conings zu einem Symbol geworden: einer, der es gewagt hat, gegen die angebliche "Diktatur der Virologen" aufzubegehren. Und auch wenn es mit der geistigen Gesundheit der Bevölkerung jetzt wieder aufwärts geht, müssen wir aufpassen, dass Jürgen Conings nicht zum Fahnenträger eines Widerstands hochstilisiert wird und dass sein Grab sich nicht in einen Wallfahrtsort verwandelt, warnt La Dernière Heure.
Boris Schmidt