"Conings gefunden", titelt lapidar Het Belang van Limburg. "Nach 35 Tagen zufällig gefunden", präzisiert Het Laatste Nieuws. "Nach fünf Wochen gefunden, unweit seines Autos", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Leichnam von Conings im Wald entdeckt", so auch die Schlagzeile des GrenzEchos.
35 Tage nach seinem Untertauchen ist der Terrorverdächtige Jürgen Conings in einem Waldstück in seiner Heimatgemeinde Dilsen-Stokkem tot aufgefunden worden. Entdeckt wurde die Leiche durch Zufall. Freizeitsportler und ein Jäger waren unabhängig voneinander auf Leichengeruch aufmerksam geworden. Die Polizei hat später dann die Leiche gefunden. "Der Tod als Schlusspunkt", so das Fazit von Le Soir.
"Conings war womöglich schon eine ganze Weile tot", titelt De Standaard. "Schon Wochen tot, aber knapp außerhalb des Suchgebiets", schreibt De Morgen auf Seite eins. Denn in der Tat: Bei der Suche nach dem 46-jährigen Berufssoldaten hatte man sich auf eine bestimmte Zone konzentriert, und die Leiche wurde anscheinend nur 150 Meter außerhalb von diesem Radius gefunden. "Das Ende der Jagd, aber nicht das Ende der offenen Fragen", titelt sinngemäß La Dernière Heure. "Die letzten Tage im Leben von Jürgen Conings bleiben ein Rätsel", schreibt auch La Libre Belgique auf Seite eins.
Beileid für die Familie von Conings, Fragen zur Suchaktion
In dieser Geschichte gibt es nur Verlierer, ist Het Belang van Limburg überzeugt. In erster Linie sind die Gedanken bei den Angehörigen von Jürgen Conings. Trotz der Tatsache, dass Jürgen Conings eine ernsthafte Bedrohung dargestellt hat, insbesondere für den Virologen Marc Van Ranst und dessen Familie: Der Freundin und den Kindern des ehemaligen Berufssoldaten gebührt aufrichtiges Beileid. Zu den Verlierern zählt auch die Armee. Die Liste der Pannen ist ellenlang, allein die reinen Kosten der Suchaktion belaufen sich auf rund eine Million Euro. Dass ein Mountainbike fahrender Bürgermeister beziehungsweise ein spazierender Jäger das geschafft haben, was hunderten Soldaten und Polizisten wochenlang nicht gelungen ist, das spricht Bände. Und schließlich hat diese Geschichte auch unserer Gesellschaft schwer geschadet. Immerhin hatten 50.000 Menschen auf Facebook ihre Unterstützung für Jürgen Conings zum Ausdruck gebracht, trotz der Tatsache, dass der Mann als potenziell gewaltbereiter Extremist geführt wurde.
Auch La Dernière Heure zieht ein kritisches Fazit: Auf der einen Seite ist da erstmal die Erleichterung. Natürlich ist der Tod eines Familienvaters kein Grund zur Freude, aber man muss doch festhalten, dass ein bewaffneter Profi, der als ebenso entschlossen wie gefährlich galt, am Ende niemandem Schaden zugefügt hat. Daneben gibt es aber auch noch ein Gefühl der Konsternation. Wie ist es möglich, dass Hundertschaften von Polizei und Armee ein Waldgebiet durchkämmen und es am Ende dem feinen Näschen von Freizeitsportlern zu verdanken ist, dass die Leiche gefunden wird? In dieser Geschichte haben die Behörden auf der ganzen Linie versagt: Sie haben tatenlos zugesehen, wie sich Jürgen Conings radikalisierte, und dann haben sie es noch nicht mal geschafft, ihn zu finden. Ganz zu schweigen von all den offenen Fragen, die noch auf Antworten warten.
Viele Verschwörungstheorien um Jürgen Conings
"Hätte man Conings nur lebend gefunden!", bedauert Het Nieuwsblad. Das war der Wunsch aller Beteiligten, nicht nur seiner Angehörigen. Dann hätte man vielleicht viele Antworten bekommen. Wie und warum hat sich Jürgen Conings radikalisiert? Mit wem hatte er Kontakt? Ausgiebige Gespräche mit ihm hätten auch dabei helfen können, traumatisierte Soldaten nach Auslandsmissionen besser zu begleiten. Wer jetzt aber Verschwörungsmythen verbreitet, wer versucht, aus Conings einen Helden zu machen, wer ihn ideologisch instrumentalisieren will, der trägt nicht dazu bei, dass die Wunden der Angehörigen von Jürgen Conings verheilen, der macht deren Schicksal nur noch grausamer.
Apropos: Dass jetzt schon wieder die tollsten Verschwörungsmythen ins Kraut schießen, dieses Phänomen wird zunehmend besorgniserregend, meint De Standaard. Ein nicht unwesentlicher Teil der Gesellschaft fühlt sich offensichtlich inzwischen derartig an den Rand gedrängt, dass man einen Terrorverdächtigen, der mit einem Anschlag gedroht und der sich auch schon die entsprechenden Waffen besorgt hatte, solange für unschuldig hält, bis er den Anschlag auch wirklich verübt hat. Und die Tatsache, dass die Leiche von Jürgen Conings rein zufällig entdeckt wurde, scheint die Verschwörungsfantasien noch zu befeuern. Conings sei "zum Schweigen gebracht worden, weil er die Wahrheit hinter Corona entdeckt habe". Dem schon lange gärenden Cocktail aus kulturellem Unbehagen, wirtschaftlicher Unsicherheit und oft persönlichen Problemen scheint die Coronakrise noch eine neue, giftige Zutat beigemischt zu haben. Was die Sache noch schlimmer macht: Solche Mythen werden sogar noch von den Parlamentsbänken aus befeuert, namentlich von Abgeordneten des Vlaams Belang. Wie heilsam wäre es gewesen, für alle Beteiligten und auch für die Gesellschaft, wenn Conings vor einem Gericht hätte Rechenschaft ablegen müssen.
Die Bedrohung durch Rechtsextremismus ist nicht vorbei
L'Avenir wundert sich seinerseits über die Stimmungslage in Teilen Flanderns. Von der Wallonie aus betrachtet sieht das Ganze doch manchmal gruselig aus. Viele Flamen haben Jürgen Conings offensichtlich nicht als Bedrohung empfunden. Schlimmer noch: 50.000 Menschen haben ihm sogar ihre Unterstützung bekundet, sahen ihn als eine Art flämischen Rambo, der im flämischen Dschungel für eine Sache kämpfte, die die größer war als er selbst. Diese Leute sind, im Gegensatz zu Jürgen Conings, immer noch da.
Die Bedrohung durch Jürgen Conings ist vorbei, nicht aber die durch den Rechtsextremismus, mahnt Le Soir. Leider werden wie nie erfahren, was den Terrorverdächtigen letztlich beseelt hat. Dennoch kann man schon jetzt einige Lehren aus dieser Geschichte ziehen. So ist das Rechtsextremismus-Problem bei den Streitkräften jetzt nochmal offen zutage getreten. Und nicht nur bei der Armee. Die Unterstützung für Jürgen Conings in Sozialen Netzwerken ist nur die Spitze des Eisbergs. Was nährt diesen Hass, die Ablehnung der Demokratie, diesen grässlichen Hang dazu, Sündenböcke ausfindig zu machen oder gar "zur Tat zu schreiten"? Jürgen Conings, das ist nicht der Epilog eines düsteren Kapitels - es ist eine Warnung.
Roger Pint