"Das Land geht wieder auf", titelt Het Laatste Nieuws und listet die zahlreichen Lockerungen der Corona-Schutzmaßregeln auf, die ab heute in Kraft sind. "Endlich, nach acht Monaten", so der Aufmacher bei Gazet van Antwerpen. "Die Große Wiederöffnung: der langerwartete Tag für den Horeca-Sektor, Saunas und Fitnesscenter", liest man auf Seite eins von De Tijd.
Die Menschen dürfen wieder sehr viel. Aber sie müssen begreifen, dass sie auf ihr Verhalten aufpassen müssen, greift L'Avenir in ihrem Leitartikel ein Zitat von Yves Van Laethem auf, seines Zeichens Infektiologe und Sprecher des nationalen Krisenzentrums. Ja, der heutige 9. Juni ist der Beginn des "Sommerplans", der schlussendlich im August Großveranstaltungen mit bis zu 75.000 Besuchern erlauben soll. Aber man muss sich immer vor Augen halten, dass zusätzliche Freiheiten eben Schritt für Schritt kommen werden. Und dass die Corona-Impfstoffe zwar viel können – aber nicht alles.
Hoffen wir jedenfalls, dass all die Opfer der am meisten betroffenen Sektoren nicht umsonst waren. Und dass wir das Ende des Lockdowns wie bei Asterix mit einem großen Festmahl feiern dürfen. Aber Achtung: mit maximal vier Personen pro Tisch, erinnert L'Avenir.
Endlich!
Endlich!, jubelt De Standaard. Endlich öffnen Theater-, Kino- und Festsäle, Fitnesscenter, Saunas, Restaurants und die Büros wieder. Um das zu erlauben, was ihnen allen gemein ist: Menschen zusammenbringen, damit die hinterher gesünder, entspannter, fröhlicher oder inspirierter wieder nach Hause gehen. Eine konstante Dosis Kultur etwa, ganz egal ob nun populäre oder elitäre, fördert unser Wohlbefinden und unsere Kreativität, regt unsere Sinne und unseren Intellekt an. Und sie bringt Menschen durch gemeinsames Erleben zusammen. Das "Endlich!" gilt auch für die erste, teilweise Rückkehr an die Arbeitsstellen. Viele Menschen werden zum ersten Mal nach 15 Monaten wieder physisch auf ihre Kollegen treffen. Anderthalb Jahre Telearbeit mögen zwar gut gewesen sein für die Effizienz und die Produktivität. Aber zu einer Verbesserung der Kreativität und Innovation haben sie kaum geführt.
Lassen Sie uns deshalb diesen 9. Juni zu einem Tag machen, an dem wir die Schwarzmalerei in den Hintergrund drängen, auch wenn wir natürlich die Vorsicht nicht über Bord werfen werden. Und vor allem zu einem Tag, an dem wir das Wiedersehen feiern, wünscht sich De Standaard.
De Morgen macht die Kultur zum Mittelpunkt seines Leitartikels: Endlich geht die Stille zu Ende. Das führt nicht nur zu einem Gefühl der Erleichterung bei den Kulturliebhabern, sondern natürlich vor allem beim Sektor selbst. Er kann endlich mit dem Wiederaufbau beginnen. Und auch wenn manche Kulturschaffende durch die Krise gezwungen worden sind, ihren Hunger über Nahrungsmittelbanken zu stillen, so war ihr größter Hunger doch der nach Publikum. Und das Publikum hat nach Kultur und nach dem Gefühl gehungert, diese Erfahrungen gemeinsam machen und mit anderen teilen zu können. Hoffen wir nur, dass dieses Aufatmen nicht verfrüht ist, so De Morgen.
Doch vielleicht gar nicht so teuer
Die Mehrheit der Leitartikel befasst sich derweil mit der Einigung der Sozialpartner über höhere Mindestlöhne und flexiblere Laufbahnenden. Le Soir freut sich darüber, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften es geschafft haben, den Dialog wieder anzukurbeln und ihn zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Kritiker betonen, dass die Regierung den Großteil der Rechnung übernimmt und zukünftige Generationen die Zeche für ein Sozialabkommen zahlen werden, das die Arbeitgeber nie akzeptiert hätten, wenn sie allein dafür hätten aufkommen müssen.
Das ist aber doch nichts wirklich Neues, könnte man entgegnen. Das Wichtigste ist doch, dass die Regierung sich entschieden hat, zur Erhöhung der Mindestlöhne beizutragen. Damit handelt sie für die Gegenwart – und setzt auf die Zukunft. Und man darf nicht vergessen, dass eine Erhöhung der niedrigsten Einkommen im Allgemeinen in Konsum umgesetzt wird. Und über diesen Weg wird ein Teil über die Mehrwertsteuer auch wieder zurück in die Staatskasse fließen.
Was man auch keinesfalls außer Acht lassen darf, ist, dass hier die Differenz zwischen Arbeitslosengeld und Löhnen vergrößert wird. Und damit wird eines der größten Hindernisse für einen höheren Beschäftigungsgrad aus dem Weg geräumt.
Berücksichtigt man all das, dann sind 200 Millionen Euro pro Jahr ab 2026 vielleicht gar nicht so teuer. Schon gar nicht, wenn man für einen Augenblick an die 100.000 armen Arbeiter denkt, die davon profitieren können. Das sind Menschen, die die Verzweiflung ansonsten in die Arme der Extremisten drängen könnte – insofern das nicht ohnehin bereits geschehen ist. Und das käme die Demokratie am Ende noch teurer zu stehen, warnt Le Soir.
Die Ruhe vor dem nächsten Sturm
Für das GrenzEcho schließlich ist die Tarifvereinbarung kaum mehr als die Ruhe vor dem nächsten Sturm: Es ist nicht mit der Einigung getan. Belgien ist weniger gut durch die Krise gekommen als viele seiner Mitbewerber am Weltmarkt. Zum Glück erholt das Land sich schneller als andere dank der erfolgreichen Impfkampagne.
Insgesamt gesehen ist aber die belgische Volkswirtschaft, wie mehr oder weniger die gesamte EU, durch die Krise weiter ins Hintertreffen geraten. Nicht nur die USA haben den Alten Kontinent weit hinter sich gelassen. China und der Südosten Asiens sind auch längst auf den digitalen Zug aufgesprungen, der an Europa vorbeirauscht. Es steht zu befürchten, dass nach der Erholung die Defizite der europäischen Wirtschaft danach umso krasser zutage treten werden, fürchtet das GrenzEcho.
Boris Schmidt