"Suche nach Schuldigen im Fall Conings: Fehler beim Informationsfluss", fasst das GrenzEcho die Erkenntnisse nach der Befragung von Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder (PS) im Parlament zusammen. "Ministerin Dedonder wusste nicht Bescheid", titelt Le Soir. "Armee tat nichts mit entscheidenden Informationen über Jürgen Conings", so die Schlagzeile bei Het Nieuwsblad.
Laut Ministerin Dedonder ist zwischen dem 17. Februar und dem 17. Mai nichts unternommen worden, um Conings aufzuhalten, fasst L'Echo zusammen. Also zwischen dem Datum, an dem er als einziger Militär auf der OCAM-Terrorliste zu einer Bedrohung der Stufe drei wurde und dem Diebstahl der Kriegswaffen. Die Pannen bei der Weitergabe der Informationen stellen einmal mehr die Effizienz unserer Sicherheitsdienste infrage. Das kann man eigentlich nur als die x-te Episode des Versagens des Staates bezeichnen. Ein Versagen im Angesicht einer Krise, die direkt die Sicherheit der Bevölkerung bedroht. Zu dem Zeitpunkt, als Conings sein wahnwitziges Unterfangen begann, verfügten die Verantwortlichen über alle notwendigen Daten, um ihn daran zu hindern. Vier Jahre nach der Aufarbeitung und den umfangreichen Empfehlungen nach den Terroranschlägen von Brüssel müssen wir erneut beklagen, dass sich ein Terrorist trotz eines Großaufgebots nach einer Woche noch immer auf der Flucht befindet. Eine Affäre, die noch schädlicher für das Verteidigungsministerium und die Staatssicherheit ist, weil es sich dieses Mal nicht um ein aus dem Ausland gesteuertes Schläfer-Netzwerk handelt. Sondern um ein seit Jahren wegen seiner extremistischen Ideen aktenkundiges Armeemitglied, kommentiert L'Echo.
Verantwortung muss übernommen werden
Wie und wo sind diese Informationen blockiert worden? Noch kennen wir die Antworten darauf nicht, die Untersuchung läuft ja noch, stellt Le Soir fest. Aber sie müssen beantwortet werden. Und es ist absolut undenkbar angesichts der Schwere des Vorfalls, dass hier keine Verantwortungen übernommen werden. Und zwar auf höchster Ebene – unabhängig davon, was letztlich bei der Aufarbeitung herauskommen wird. Denn erstens geht es um Fehler bei der Wahrung der Sicherheit des Landes. Und zweitens muss es eine Reform geben, um eine robustere und effizientere Informationsweitergabe zu garantieren, unterstreicht Le Soir.
La Libre Belgique stellt sich vor dem Hintergrund der Affäre Conings die Frage, wie es so weit kommen konnte, dass Tausende von Menschen Virologen so kritisch gegenüberstehen, dass sie sich wünschen, dass sie von einem flämischen Rambo getötet werden. Wie ist es zu rechtfertigen, dass bestimmte Politiker versuchen, die Beweggründe eines bewaffneten Extremisten zu erklären? Fast alle Menschen haben in der Corona-Krise gelitten, sei es wirtschaftlich, gesellschaftlich, gesundheitlich oder persönlich. So eine gemeinschaftliche Ausnahmesituation hätte das Beste im Menschen hervorbringen können. Oder doch zumindest etwas Nuancierung oder Mitgefühl. Aber leider ist nichts davon zu sehen. Bei so vielen Themen ist es unmöglich geworden, eine gelassene und ausgeglichene Diskussion zu führen. Alles spaltet zutiefst. Alle Tiefschläge sind erlaubt. Verschwörungstheorien, Gemeinschaftspolitik, Extremismus, Populismus, der Hass in den sozialen Netzwerken – all das sind Dinge, mit denen wir uns später objektiv und ruhig auseinandersetzen werden müssen, meint La Libre Belgique.
Ein starkes Signal
Ein anderes großes Thema für die Leitartikler ist das Urteil des Bezirksgerichts Den Haag gegen den Öl- und Erdgaskonzern Shell. Niederländische Umweltschützer hatten gegen das Unternehmen geklagt und die Richter haben ihnen Recht gegeben: Shell muss seinen Kohlendioxid-Ausstoß drastisch senken, nämlich um 45 Prozent bis 2030.
Das ist eine bemerkenswerte Entscheidung, schreibt dazu De Tijd. Schon zuvor hatte ein niederländischer Richter die Regierung zu ehrgeizigeren Klimazielen angehalten. Die jetzige Entscheidung geht aber noch einen großen Schritt weiter, denn hier geht es um ein Privatunternehmen. Das wird sogar als Weltpremiere bezeichnet. Shell hat bereits angekündigt, in Berufung zu gehen. Aber nichtsdestotrotz ist das ein starkes Signal, dass Firmen die Reduzierung des CO2-Ausstoßes und das Klima ernst nehmen müssen. Der Druck auf sie nimmt zu: von Kunden, von Anteilseignern, von anderen Interessengruppen – und jetzt eben auch vonseiten der Gerichte. Das Urteil schafft aber auch große Rechtsunsicherheit, denn es betrifft nur Shell. Aber was könnte die Entscheidung der Richter für andere Ölkonzerne bedeuten? Oder für andere Sektoren? Nicht nur in den Niederlanden, sondern auf der ganzen Welt? Wird dieser Präzedenzfall zu weiteren ähnlichen Urteilen führen? Es scheint unwahrscheinlich, dass das überall gleich gehandhabt werden wird. Und damit droht das Spielfeld für Unternehmen ungleich und unvorhersehbar zu werden. Der Klimawandel ist eine Herausforderung, die global angegangen werden muss. Länder müssen zu internationalen Absprachen kommen. Es sind die politisch Verantwortlichen, die hier das Heft in die Hand nehmen müssen – und nicht einzelne Richter, fordert De Tijd.
Die Uhr tickt
Auch für De Standaard wirft das Urteil Fragen auf – und zwar über die Grenzen der Rechtsprechung. Werden diese hier nicht überschritten? Schwingen sich die Richter nicht zu Gestaltern der Politik auf, anstatt diese nur zu kontrollieren? Und dürfen Richter Unternehmen dazu zwingen, ein Klimaabkommen umzusetzen, das sie selbst nicht mit ausgehandelt haben?, fragt De Standaard.
Betriebe mögen politisch nicht haftbar sein, räumt De Morgen ein. Aber gesellschaftlich haben sie durchaus eine Verantwortung. Und die geht laut den niederländischen Richtern eben weiter als große Versprechungen und Worte über Interessengruppenvertretung und Nachhaltigkeit im Jahresbericht. Ja, Technologie und Wissenschaft machen viel möglich. Das ändert aber nichts daran, dass die Zeit schnell verstreicht, die noch bleibt, um die Klimakrise beherrschbar zu halten. Und offenbar ist es nötig, dass ein Richter aus Den Haag uns daran erinnert, so De Morgen.
Boris Schmidt