"Das Innenministerium wurde zwei Jahre lang gehackt", titelt De Morgen. Het Laatste Nieuws bringt dieselbe Schlagzeile, fügt aber hinzu: "Vielleicht steckt China dahinter". "Cyberangriff auf das Innenministerium war vielleicht das Werk von China", schreibt auch Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Das Innenministerium ist das Opfer einer Cyberattacke geworden. Der Angriff sei "komplex, ausgeklügelt und gezielt" gewesen, heißt es in einem Kommuniqué. Die Entschlossenheit der Täter deute darauf hin, dass es sich um eine Spionageaktion gehandelt hat. Und in diesem Zusammenhang wird immer wieder spekuliert, dass China hinter der Attacke stecken könnte. "Die Fingerabdrücke weisen nach China", schreibt auch De Standaard. Das Innenministerium betont, dass die Hacker zu keinem Zeitpunkt Zugang zu wirklich sensiblen, sicherheitsrelevanten Daten gehabt hätten.
Die Ära der Cyberangriffe ist angebrochen
Diese Geschichte zeigt einmal mehr unsere Verwundbarkeit, analysiert De Standaard in seinem Leitartikel. Es darf nicht passieren, dass Hacker, die vermutlich Verbindungen zu China haben, Zugang zum Computernetzwerk eines Ministeriums bekommen. Das Herz der belgischen Behörden darf nie zur Beute werden für die digitalen Spürhunde des Regimes in Peking. Der Vorfall ist ein weiteres Indiz dafür, dass eine neue Ära angebrochen ist. Auf dem geopolitischen Schachbrett entscheidet heute nicht mehr nur die brutale Überlegenheit von Geld oder Waffen, sondern auch die Fähigkeit, andere Länder mit technologischen Mitteln auszukontern. Und gerade in diesem Bereich scheint der Westen gerade nicht so gut aufgestellt zu sein. Man denke nur an die Cyberattacke auf eine amerikanische Ölpipeline, die durch Hacker stillgelegt wurde. Heute ist es noch eine Pipeline, morgen vielleicht ein Satelliten-System oder ein Atomkraftwerk. Cybersicherheit, so lautet also die Parole.
Mea culpa
"Die Armee präsentiert ihr Mea Culpa", so derweil die Aufmachergeschichte von L'Avenir. "Ein Mea culpa ohne Wenn und Aber", schreibt auch La Libre Belgique. Der Generalstabschef und auch die Verteidigungsministerin haben gestern Fehler eingeräumt im Fall Jürgen Conings. Das vor allem wegen der Tatsache, dass ein Mann, der auf der Gefährder-Liste stand, immer noch Zugang zu Waffen hatte. Es habe Fehler beim Informationsaustausch gegeben, sagte Generalstabschef Michel Hofman. "Jürgen Conings, die Fehler der Nachrichtendienste", schreibt denn auch Le Soir.
Die Fehler sind himmelschreiend, ist auch La Libre Belgique in ihrem Leitartikel überzeugt. In einem funktionierenden Staat würden radikalisierte Armeeangehörige identifiziert, überwacht und notfalls aus dem Dienst entfernt. Nach ersten Erkenntnissen ist all das im Fall Jürgen Conings nicht passiert. Im Gegenteil: Die Untersuchungen haben unglaubliche und sträfliche Fehler ans Licht gebracht. Niemand glaubt ernsthaft, dass es Mitwisser innerhalb der Hierarchie gab. Aber angesichts dieser monumentalen Pannen ist es von tragender Bedeutung, dass diese Sache Konsequenzen hat. Wenn die Streitkräfte sauber bleiben wollen, dann müssen die Verantwortlichen bestraft und notfalls auch entlassen werden.
Von Facebook entfernt - aber dafür nicht weg
Apropos Jürgen Conings: "Facebook blockiert Jürgen Conings und auch seine Fans", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Facebook hat vor allem die Unterstützergruppe entfernt, die inzwischen knapp 50.000 Mitglieder hatte. Damit ist die merkwürdigste Facebook-Gruppe verschwunden, die es je in diesem Land gab, meint nachdenklich Gazet van Antwerpen. Aber die 50.000 Mitglieder dieser Unterstützergruppe, die "wie ein Mann hinter Jürgen Conings standen", diese 50.000 Menschen sind nicht weg, sie haben sich nicht in der Cloud in Wohlgefallen aufgelöst. Und auch ihre Gedanken dürften auch immer noch dieselben sein. Nämlich, dass Jürgen Conings eine Art Opfer oder Märtyrer sein soll, der vielleicht Hilfe braucht. Ein solches Mitgefühl scheinen diese Menschen aber nicht mit Marc Van Ranst, seiner Partnerin und deren kleinen Sohn zu haben, die in eine sichere Wohnung gebracht werden mussten. 50.000 Menschen mögen nicht viele sein in einem Land mit elf Millionen Einwohnern. In diesem Kontext sind es aber ganz klar viel zu viele.
Klassische Täter-Opfer-Umkehr
Das Klima ist äußerst vergiftet, beklagt auch sinngemäß De Morgen. Inzwischen stapeln sich die Drohungen von Rechtsextremisten. In Antwerpen musste ein Mediengebäude geräumt werden. Eine rechtsradikale Gruppe aus den Niederlanden wollte anscheinend die Büros stürmen, um aus den Journalisten den genauen Aufenthaltsort von Marc Van Ranst herausprügeln zu können. Gerade passiert das, wovor Sicherheitsexperten schon seit Jahren warnen: die Wiedergeburt des gewaltbereiten Rechtsextremismus. Doch was mindestens genauso beängstigend ist: Viele schauen weg, wollen das Problem nicht benennen, der Realität nicht ins Auge sehen. Vielmehr wird gerade darüber diskutiert, inwieweit sich Marc Van Ranst die Probleme mit seiner großen Klappe selbst gesucht hat. Klassische Täter-Opfer-Umkehr. Jetzt hört man wieder, dass man den Menschen, die mit extremem Gedankengut liebäugeln, zu aller erst "zuhören" müsse. Aber wir hören doch schon so lange zu. Müssen wir wirklich warten, bis die Lage vollends entgleist?
Verschwindet die Wut der Menschen mit der Pandemie?
Ja, Dialog ist wichtig, aber nicht zu jedem Preis, meint auch Het Belang van Limburg. Natürlich ist es wichtig, der Gegenseite zuzuhören. Das bedeutet aber nicht, dass man die Unterstützung von potenziell gewaltbereiten Extremisten dafür gutheißen müsste. Im Gegenteil: Jede Sympathie für Terrorverdächtige muss aufs Schärfste verurteilt werden. Damit Dialog überhaupt möglich ist, müssen zunächst einige Grundregeln deutlich sein. Auf der anderen Seite kann man aber auch nur feststellen, dass der Unmut und die Unzufriedenheit sich bei vielen Bürgern Bahn brechen. Mit diesem Nährboden wird man sich dringend beschäftigen müssen.
Politiker spüren diese Unzufriedenheit schon länger, glaubt Het Laatste Nieuws. Einige versuchen freilich auch, auf dieser Welle zu surfen. Doch scheint selbst Leuten wie Theo Francken das Ganze langsam unheimlich zu werden. Viele hoffen wohl, dass zusammen mit der Pandemie auch die Wut der Menschen wieder verschwinden wird. Wenn man sich da mal nicht irrt, denn das dicke Ende kommt vielleicht erst noch. Viele Unternehmen werden diese Krise nämlich am Ende wohl nicht überlebt haben. Aber gut, Unzufriedenheit ist immer noch besser als Gleichgültigkeit und Passivität. Wer unzufrieden ist, der zeigt letztlich immer noch eine Form von Beteiligung und die Hoffnung auf Besserung. Wenn sich das aber dadurch äußert, dass man einen bewaffneten Mann mit Anschlagsplänen zu einem "Helden des Widerstands" verklärt, dann haben wir ein Problem.
Roger Pint