"Corona: Regierungen beschließen schon heute – Belgien droht harter, aber 'kurzer' Lockdown", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Experten wollen, dass alles geschlossen wird", titeln gleichlautend Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen. "Neuer Lockdown – das Dilemma", so der Aufmacher bei Le Soir.
Dass der Konzertierungsausschuss eine Woche vorgezogen werden musste, war schon kein gutes Zeichen, kommentiert De Standaard. Dass sich die Regierungen des Landes heute Morgen wieder treffen, nach nur einer halben Woche, ist es noch weniger. Um den heißen Brei herumreden hat keinen Sinn: Das Coronavirus ist nicht besiegt und hält immer neue Überraschungen bereit. Das Wiederaufflammen der Epidemie legt nahe, dass die britische Virusvariante nicht nur ansteckender, sondern auch aggressiver ist. Das sieht man daran, dass mehr Patienten in den Intensivstationen aufgenommen werden müssen. Und das betrifft nicht nur Ältere oder durch andere Faktoren schon geschwächte Menschen.
Wenn der Konzertierungsausschuss heute beschließt, bestimmte Teile der Wirtschaft oder des gesellschaftlichen Lebens wieder stillzulegen, dann wird das keine angenehme Aufgabe werden, diese Botschaft zu überbringen. Aber jetzt muss erst beschlossen werden. Danach kommt dann die Zeit, um zu bewerten, ob die Politik nicht früher hätte reagieren müssen und um politisch Verantwortung dafür zu übernehmen, meint De Standaard.
Unvereinbare übergeordnete Interessen
Die Politik ist in zwei Lager gespalten, analysiert Le Soir. Zwei Lager, die den Forderungen der Experten einerseits und der Bevölkerung andererseits entsprechen. Die politisch Verantwortlichen befinden sich allerdings in einer deutlich schwierigeren Lage als im Herbst und im Dezember. Denn ihre Glaubwürdigkeit ist durch die lang andauernde Krise und diverse Pannen angekratzt. Und die Menschen sind erschöpft und gespalten in die, die der Position der Regierung folgen und die, die bezweifeln, dass die Maßnahmen etwas bringen.
Die Frage, ob ein neuer Lockdown verhängt werden sollte, läuft letztlich auf die Entscheidung zwischen zwei übergeordneten Interessen hinaus: der Schutz der Gesundheit auf der einen Seite und das wirtschaftliche, gesellschaftliche und psychologische Wohl auf der anderen. Zwei übergeordnete Interessen, die unvereinbar geworden sind. Die politisch Verantwortlichen werden einen Kurs einschlagen müssen, sie werden überzeugen und die Menschen motivieren müssen, die Maßnahmen zu befolgen, so Le Soir.
Klartext
Het Nieuwsblad fordert derweil vor allem Klartext. Ein neuer, harter Lockdown scheint unabwendbar. Wenn es denn sein muss, muss es eben sein. Die Politiker, die das den Menschen verkaufen müssen, brauchen vor allem eins: Demut. Und: Erspart uns bitte salbungsvolle Reden. Die Corona-Zahlen zeigen, dass es im Gesundheitssystem wieder ächzt und kracht. Und das heißt einfach: Es muss wieder eingegriffen werden. Und egal, wen es jetzt treffen wird, eines steht fest: Für viele Menschen wird es schwer zu verdauen sein. Denn viele haben die Grenzen des Ertragbaren erreicht. Wir brauchen auch keine apokalyptischen Bilder von Experten mehr, oder die Klischees des "alle zusammen". Denn "alle zusammen", das kann die Politik nur noch für die Regierungen des Landes erreichen.
Lasst sie also stecken, die persönlichen Profilierungen auf Kosten einer kohärenten Botschaft. Heute gibt es nur noch Verlierer. Wir wollen auch nichts mehr hören von einem "kurzen Schmerz", "uns noch einmal durchbeißen" oder "noch einen Zahn zulegen". Wir wissen doch inzwischen, dass kein Stichtag absolut ist und dass kein Versprechen in Stein gemeißelt ist. Nach einem Jahr Corona-Krise gibt es so etwas wie einen "kurzen Schmerz" nicht mehr. Demut, Schlichtheit, Nüchternheit – das muss das Motto sein. Gebt uns die Zahlen, auf denen die Entscheidungen fußen, und die Zielvorgaben. Und versprecht nichts, was nicht wahr gemacht werden kann, verlangt Het Nieuwsblad.
Alles hängt auch zum Teil von uns selbst ab
"Kurz und streng" soll der Lockdown also werden, greift das auch Het Laatste Nieuws auf. Ein gewisser Zynismus ist wohl angebracht angesichts dieser Worte. Einen Monat sollte die Ausgangssperre dauern. Ein halbes Jahr ist es inzwischen. Bis zum 1. März sollte das Reiseverbot dauern. Jetzt ist es schon bis Mitte April verlängert. Die Kontaktberufe sollten nicht wieder schließen müssen. Inzwischen wird eine erneute Schließung nicht mehr ausgeschlossen. Aber seien wir ehrlich: Das alles hängt auch zum Teil von uns selbst ab. Das stimmt auch nach einem Jahr Corona noch. Die Ansteckungen passieren bei der Arbeit, in den Schulen und bei uns zu Hause, erinnert Het Laatste Nieuws.
Man darf gespannt sein, was De Croo und Co. sich einfallen lassen, um den Belgiern Ostern zu vermiesen, giftet schließlich das GrenzEcho. Es ist längst absolut inakzeptabel, wenn Konzertierungsausschüsse und Kernkabinette nichts anderes zuwege bringen als Appelle an die Menschen, weiter durchzuhalten und noch eine Anstrengung zu erbringen – während die Menschen langsam aber sicher in eine kollektive Depression verfallen und die Wirtschaft des Landes den Bach runtergeht. Die Bürger haben geliefert, die Politik immer noch nicht. Bislang haben die meisten Regierungen in der EU im Managen der Krise kläglich versagt. Langsam muss man sich fragen: Können sie nicht oder wollen sie nicht?, fragt wütend das GrenzEcho.
Boris Schmidt