"Regierungen beraten heute über Wiederöffnungen: Zu wenig Spielraum für viele Lockerungen", schreibt das GrenzEcho. "Frisöre dürfen wieder öffnen – über den Rest herrscht Uneinigkeit", titelt Het Nieuwsblad. "Frisöre, Campingplätze, Zoos, Immobilienmakler: Die diesen Freitag erwarteten Entscheidungen", ergänzt La Libre Belgique auf Seite eins.
Heute Abend werden wir wissen, ob wir bald wieder zum Frisör dürfen, greift Het Belang van Limburg den meistdiskutierten Tagesordnungspunkt des heutigen Konzertierungsausschusses auf. Der gesellschaftliche Druck ist so groß geworden, dass die Politik wohl nachgeben wird. Und das geht gegen alle Regeln. Sowohl was die Gesundheit angeht, als auch den gesunden Menschenverstand. Haare schneiden unter sicheren hygienischen Bedingungen ist einfach nicht möglich.
Hinzu kommt, dass beim letzten Konzertierungsausschuss gesagt wurde, dass es nur Lockerungen geben könne, wenn sich die Zahlen verbessern würden. Und das ist nicht passiert. Dieses halbe Versprechen an die Kontaktberufe war eine dumme Idee. Und die ganze Woche müssen sich Politiker jetzt Rechtfertigungen überlegen, warum die Wiederöffnung trotzdem erlaubt werden sollte. Die einzige Erklärung ist eigentlich, dass die Politik den Menschen ein Stückchen normales Leben gönnen will. Und dann ist die nächste Frage, wohin wir frisch und schick gestylt eigentlich gehen wollen.
Wieder politische Entscheidungen ohne wissenschaftliche Basis
Wenn der Konzertierungsausschuss heute Frisören und anderen nicht-medizinischen Kontaktberufen die Wiederöffnung erlaubt, dann ist das das erste Mal seit Oktober, dass Maßnahmen zurückgedreht werden, erinnert De Morgen. Daraus spricht ein bemerkenswerter Optimismus. Offenbar sind unsere Politiker der Meinung, dass die Einschränkungen gelockert werden können. Trotz Berichten, dass bis Ende des Monats die britische Corona-Variante in Belgien dominant sein wird und dass die aktuellen Schutzmaßregeln dann möglicherweise nicht mehr reichen, um die Epidemie unter Kontrolle zu halten.
Genauso bemerkenswert ist, dass die gleichen Politiker, die jetzt Raum für Lockerungen sehen, im November noch ganz anders darüber dachten. Von den damals festgelegten Schwellenwerten kann kein einziger als erreicht betrachtet werden. Zumindest die Ansteckungszahlen sind noch nicht einmal in der Nähe der gewünschten Werte. Vor zwei Wochen wurden die Kriterien dann geändert. Die Frisöre sollten wieder öffnen dürfen, wenn sich die Zahlen günstig genug entwickelten. Gut, die wichtigsten Indikatoren haben sich in der Tat verbessert. Ob in ausreichendem Maß ist zumindest fragwürdig. Statt objektiven und nachvollziehbaren Entscheidungskriterien wie eben den ursprünglichen Schwellenwerten bekommen wir jetzt wieder politische Entscheidungen ohne wissenschaftliche Basis.
Wasserdichte Argumente statt subjektiver Gesten
Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke (SP.A) hat deutlich gemacht, dass eine Wiederöffnung der Frisöre eine Geste wäre, schreibt Het Nieuwsblad. Eine Geste, um das Wohlbefinden der Menschen zu heben. Damit die Menschen den Mut nicht verlieren. Mehr als die Frisörsalons will Vandenbroucke aber nicht öffnen lassen. Andere Politiker wollen da deutlich mehr. Die Virologen allerdings befürworten noch nicht einmal die Frisöre. Die Realität ist nun mal, dass die Corona-Zahlen schon eine Weile vor sich hintreiben. Es gibt mehr Ansteckungen und weniger Krankenhausaufnahmen. Aber von dem so gefürchteten Deichbruch kann keine Rede sein.
Natürlich sind die Volksgesundheit und der Druck auf das Gesundheitssystem die wichtigsten Parameter für Entscheidungen. Aber es gibt auch noch andere, darunter vor allem die wirtschaftlichen Auswirkungen. Aber das Argument des Wohlbefindens der Menschen ist fragwürdig, einfach weil das ein sehr subjektives Empfinden und eine sehr persönliche Wahrnehmung ist. Und nur die Frisöre, aber nicht andere Kontaktberufe wieder zu öffnen, ist schon juristisch schwer zu verteidigen. Was es wirklich braucht, sind wasserdichte Argumente über was erlaubt sein soll und was nicht. Und eine Geste für das Wohlbefinden der Menschen passt nicht zu einer klaren Kommunikation über Lockerungen.
Het Laatste Nieuws fragt sich angesichts der ganzen Diskussion, ob wir nicht eigentlich wichtigere Probleme als unsere Haare haben sollten. Die Zeitung kommt aber auch zu dem Schluss, dass Debatten darüber, wer jetzt eigentlich am meisten leidet und deswegen schnell bei Lockerungen berücksichtigt werden sollte, letztlich subjektiv sind und zu nichts führen. Aber auch wenn ein entsprechender Beschluss des Konzertierungsausschusses sicher keine deutliche und klare Vision signalisieren wird, so sei doch allen, denen ein Haarschnitt wirklich so wichtig ist, dieser von Herzen gegönnt.
Startschuss für einen Fahrplan
La Dernière Heure fordert derweil Taten und einen klaren Terminkalender für die Wiederöffnungen. Und diesbezüglich müssen die Politiker liefern. Gerade jetzt, wo die Bevölkerung motivationstechnisch auf dem Zahnfleisch geht. Jedes Hinauszögern der Wiederöffnung würde das Ende des Vertrauens der Menschen bedeuten. Und damit einhergehend das Risiko, dass sie sich massiv nicht mehr an die Hygieneregeln halten werden. Deswegen brauchen wir die Wiederöffnung der Kontaktberufe. Als Startschuss für einen echten Fahrplan für eine Rückkehr zu einem normaleren gesellschaftlichen Leben. Und idealerweise verbinden die Politiker das auch noch mit einem zeitlichen Plan für die Sportsäle, den Horeca-Sektor und auch die Kultur.
Boris Schmidt