"Die gefährlichen Varianten sind in Belgien nicht mehr zu stoppen", titelt Het Nieuwsblad; und das ist auch die Meinung des Virologen Marc Van Ranst. Het Laatste Nieuws wird konkreter: "Es gibt hierzulande mindestens 100 Infektionen mit der britischen Variante", so die Schlagzeile.
Die Sorgen angesichts der neuen, ansteckenderen Varianten des Coronavirus nehmen spürbar zu. "Der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke sieht eine 'neue Gefahr'", schreibt auch das GrenzEcho auf Seite eins. Denn: Vor allem die britische Variante hat in Belgien zu zirkulieren begonnen. Es mehren sich die Fälle von 'rein belgischen' Ansteckungen. Die Menschen haben sich also in Belgien angesteckt und die neue Variante nicht aus dem Ausland mitgebracht.
Hilft nur noch ein Lockdown gegen die britische Variante?
Wie reagiert man jetzt darauf? "Wird Belgien seine Grenzen doch ein bisschen weiter abschotten?", fragt sich De Morgen. Die Forderung wird lauter nach einer Verschärfung der Regeln für Auslandsreisende. De Standaard hat einen anderen Verdacht: "Experten sehen eine 'reelle Gefahr', dass erneut ein vollständiger Lockdown verhängt werden muss", schreibt das Blatt. "Und die Szenarien liegen schon auf dem Tisch", bemerkt Het Nieuwsblad. Es gibt die Pläne A, B und C. Plan C, das ist quasi ein Lockdown, wie wir ihn im Frühjahr gekannt haben.
Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke hat gestern erklärt, dass er noch auf ein abschließendes Expertengutachten warte; spätestens heute Abend soll das vorliegen. Und auf dieser Grundlage werde man dann gegebenenfalls über neue Maßnahmen entscheiden.
Die neue britische Variante hat das Land erreicht, kann auch Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel nur feststellen. Und ausgerechnet jetzt, da diese Gefahr in Belgien anklopft, sitzen wir kollektiv in einem tiefen Loch. Laut einer Studie der Uni Gent ist die Motivation derzeit so niedrig wie seit August nicht mehr. Viele sind müde. Besorgt. Frustriert. Denn: Trotz der erfreulichen Aussicht auf eine baldige Impfung wächst die Unsicherheit über die nahe Zukunft. Vielleicht kriegen wir bald wieder zu hören, dass das ganze öffentliche Leben wieder heruntergefahren werden muss. Auf die politisch Verantwortlichen wartet eine schwere Aufgabe. Der Feind ist offensichtlich gefährlicher denn je.
Und keine Grenze kann ihn aufhalten, hakt L'Avenir ein. Das hat auch damit zu tun, dass es sehr schwer ist, die Menschen, die von Auslandsreisen zurückkehren, wirklich zu kontrollieren. Man muss sich im Grunde darauf verlassen, dass sie sich schon an die Quarantäne-Regeln halten werden. Doch genau hier liegt eigentlich des Pudels Kern. Mehr denn je geht es hier um die persönliche Verantwortung eines jeden. Wir alle können die nötigen Vorsichtsmaßnahmen treffen, um eine Verbreitung des Virus zumindest zu bremsen. Dass zu viele Menschen das nicht oder nur halbherzig machen, das ist der eigentliche Grund, weswegen die Staaten Einschränkungen verhängen müssen.
Uns erwartet ein Wettlauf mit der Zeit
In den nächsten Wochen und Monaten erwartet uns ein gnadenloser Wettlauf zwischen, einerseits, dem unbarmherzigen Vormarsch der neuen Varianten und, andererseits, der Impfkampagne, glaubt De Standaard. Wer gewinnt, das liegt in unserer Hand: Wie schnell kann die Impfkampagne vonstattengehen? Wie strikt halten wir uns an die Corona-Regeln? Auch dann, wenn die noch strenger werden sollten. Denn genau danach sieht es aus: Auf dem Tisch liegt im Moment sogar der ominöse Plan C, also ein vollständiger Lockdown. Es ist denkbar, dass wir erst durch ein noch tieferes Tal müssen, bevor es endlich besser wird. In diesem Zusammenhang kann sich ein Impfnachweis vielleicht schon bald als Eintrittskarte für das Reich der Freiheit erweisen. Das sollte man sich aber gut überlegen: Zumindest solange nicht wirklich jeder die Chance auf eine Impfung gehabt hat, sollten die Regeln konsequent für alle gelten.
Apropos: In den frankophonen Zeitungen geht es heute vor allem um die Impfstrategie. Im südlichen Landesteil wird es nämlich jetzt auch konkreter: "So werden Brüssel und die Wallonie ihre Bevölkerung impfen", titelt La Libre Belgique. "Jeder wird für den Tag X vorgeladen", schreibt L'Avenir. In der Tat werden die Bürger benachrichtigt und bekommen dann einen Termin mitgeteilt, wann sie sich zum Impfzentrum begeben müssen. "Es wird zehn Impfzentren in Brüssel geben", präzisiert Le Soir. In der Wallonie werden es 54 sein. In der Deutschsprachigen Gemeinschaft geht es derweil anscheinend schnell: "Die DG hat beim Impfen die Nase vorn", so die Schlagzeile des GrenzEchos.
Und doch geht es manchen noch nicht schnell genug, stellt das Blatt in seinem Kommentar fest. Man kann die Nervosität förmlich greifen. Je größer die Sehnsucht nach einer Erlösung von dem Virus, desto kleiner ist offensichtlich die Geduld. Zumal in diesen Tagen ja eher von neuen Verschärfungen der Maßnahmen denn von Lockerungen die Rede ist. Und so wächst die Kritik an der angeblich zu langsamen Impfkampagne. Grund der Kritik sind aber oft nicht objektiv nachweisbare Fakten, sondern subjektiv empfundene Mankos. An vielen der vermeintlichen Probleme kann man zudem wenig ändern. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Statt von anderen das Unmögliche zu verlangen, werden wir uns selbst wohl eine Dosis Geduld verordnen müssen.
Sonnenpaneele in Flandern – schlechte PR für grüne Energie
Die flämischen Zeitungen beschäftigen sich ihrerseits mit einer Geschichte, die nur den Norden des Landes betrifft. Der Verfassungsgerichtshof hat eine Maßnahme der flämischen Regierung gekippt. Dadurch wurde den Besitzern von Sonnenpaneelen eine Übergangsregelung eingeräumt. Konkret hatten sie das Recht, für weitere 15 Jahre noch Stromzähler zu benutzen, die zurückdrehen, was de facto den fakturierten Stromverbrauch verringert. Diese Regel gilt nun nicht mehr.
Und das war absehbar, wettern viele Leitartikler. Jeder wusste, dass diese Übergangsregelung vor einem Gericht nicht standhalten würde, meint etwa Het Belang van Limburg. Nur wollte keine Partei vor dem Wähler als der Schuldige erscheinen, deswegen hat das flämische Parlament die Regelung ohne Gegenstimme durchgewunken. Der Verlierer, das sind de Bürger, von denen viele sich noch im letzten Jahr eiligst eine Solaranlage auf dem Dach platziert hatten.
Die flämische Regierung erbringt hier noch einmal den Beweis, dass gesetzgeberische Frickeleien keine rein belgische Krankheit sind, krittelt Het Nieuwsblad; die Flamen können das genauso gut. Man könnte fast meinen, die Politik habe die heiße Kartoffel mit Absicht an den Verfassungsgerichtshof weitergeleitet, damit der die Drecksarbeit übernimmt.
Das Ganze sorgt einmal mehr dafür, dass Sonnenpaneele vor allem wieder als Quell von Ärger und Wut erscheinen, bedauert Gazet van Antwerpen. Eine schlechtere Werbung für grüne Energie konnte man nicht machen.
Roger Pint