"Entscheidender Konzertierungsausschuss vor den Weihnachtsferien: Auf dem Tisch liegen die nächtliche Ausgangssperre und der Grenzverkehr", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Verstärkte Kontrollen, um neue Schließungen zu vermeiden", titelt Le Soir. "Keine Lockerung der Regeln zu erwarten", bringt das GrenzEcho den wahrscheinlichen Ausgang des heute stattfindenden Konzertierungsausschusses auf den Punkt.
Het Laatste Nieuws nimmt das zum Anlass, um ein Stoßgebet gen Himmel zu schicken. "Herr, erlöse uns aus dem Fegefeuer des halben Lockdowns", kommentiert die Zeitung und fügt hinzu: Auch wir waren anfangs für dieses Vorgehen. Und so kam es zu diesem weniger strengen, nicht vollständigen Lockdown. Die Schulen blieben offen, Weihnachtsshopping ist möglich, ebenso Reisen.
Aber manche Experten warnen, dass diese Strategie nirgends zum Erfolg geführt hat. Und während unsere Schutzmaßnahmen zwar schmerzhaft, aber weniger streng sind, schlummert das Virus weiter und flackert immer wieder auf. Was wiederum bedeutet, dass wir uns eigentlich quasi in einem permanenten Lockdown befinden.
Wäre es da nicht besser, wie von manchen gefordert, drei bis fünf Wochen alles zuzumachen? Natürlich wäre das eine bittere Pille, besonders für die Einzelhändler, die ja gerade erst wieder öffnen durften. Aber zumindest würde es den Sektoren, die jetzt keine Perspektive haben, eine geben, wie etwa der Horeca- und Veranstaltungsbranche.
Wenig aus Fehlern gelernt
Wir scheinen in den letzten neun Monaten wenig aus den gemachten Fehlern gelernt zu haben, wettert Het Nieuwsblad: Namentlich, dass Deutlichkeit absolut notwendig für eine Befolgung der Corona-Regeln ist. Und auch, dass man langfristig denken und planen muss.
Wenn der Konzertierungsausschuss heute zusammenkommt, wird es auch um die angekündigte Verschärfung der Reiseregeln gehen: Dass also jeder, der aus einer roten Zone zurückkommt – das betrifft im Prinzip fast ganz Europa – zu einem Test und einer Quarantäne verpflichtet ist. Das am letzten Werktag vor den Weihnachtsferien zu bestätigen, ist spät.
Belgien ist ein Verkehrsknotenpunkt der Nationalitäten: Studenten, EU-Beschäftigte, Angestellte internationaler Firmen, osteuropäische Bauarbeiter, Putzkräfte, ausländisches Krankenhaus- und Pflegepersonal. Alles Menschen, die nur ungern auf ein Weihnachten in der Heimat mit der Familie verzichten wollen. Hätten sie früher von der Pflichtquarantäne und den damit vielleicht verbundenen Einkommensverlusten gewusst, hätte zumindest ein Teil von ihnen wohl keine Reise geplant.
Dass Reiserückkehrer die Corona-Zahlen in die Höhe treiben können, wissen wir inzwischen. Vorbereitet sind wir trotzdem nicht. Die Kontrolle der Quarantänen ist allein auf dem Papier möglich. Belgien ist schließlich nicht China, wir können keinen Aufpasser vor jedes Haus stellen.
Die ersten Wochen des Jahres werden entscheidend sein. Dann werden wir sehen, ob das Krisenmanagement der Regierung De Croo wirklich anders und besser ist.
Auch Symbole können wichtig sein
Het Belang van Limburg warnt, dass auch wenn Belgien inzwischen im Vergleich mit den Nachbarländern als sehr guter Corona-Schüler gilt, die Ansteckungszahlen letzte Woche wieder um neun Prozent gestiegen sind. Die anfangs für Weihnachten versprochenen Lockerungen liegen mittlerweile im Mülleimer. Dass das so sein muss, hat sogar Georges-Louis Bouchez von der MR eingesehen.
Aber immerhin gibt es trotzdem eines, auf das wir uns in diesen letzten Wochen des Jahres freuen können: Die EU-Kommissionsvorsitzende Ursula Von der Leyen will, dass alle Mitgliedstaaten gemeinsam am 27. Dezember mit den Impfungen beginnen. Eine symbolische Handlung, denn viele Impfstoffdosen werden bis dahin nicht verfügbar sein. Aber Symbole können wichtig sein.
Den Beginn der Impfungen greift auch Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel auf. "Ein Signal der Hoffnung" hat das Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke genannt. Und das ist die richtige Zusammenfassung. Denn es wird sich nur um den ersten Schritt in einem langen und vielleicht nicht fehlerlosen Parcours handeln.
So lange, wie nicht ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist, werden wir weiter vorsichtig bleiben und alle Maßnahmen ergreifen müssen, um weder uns selbst, noch andere anzustecken: Vor, während und noch für eine lange Zeit nach dem Jahresende.
Das muss auch die Botschaft des Konzertierungsausschusses heute sein. Es gibt angesichts der wieder stark steigenden Corona-Zahlen keinen einzigen Grund, die jetzt geltenden Regeln zu lockern.
Neben einem Impfstoff brauchen die Menschen mehr denn je eine deutliche Kommunikation. Wer dann immer noch nicht hören will, der muss eben eine strenge Handhabung der Regeln spüren.
Kohärent, klar, inklusiv
Auch La Libre Belgique betont die Notwendigkeit einer kohärenten und klaren Politik, die alle Menschen im Land und ihre Sorgen und Ängste berücksichtigt: Mit einer entsprechenden Kommunikationsstrategie ohne Druck vonseiten der Wissenschaftler und ohne die Ankündigung unverhältnismäßiger Polizeikontrollen.
Glauben gewisse Menschen wirklich, dass Forderungen helfen, die Schulen bis Ende Januar zu schließen oder den Lockdown bis April zu verlängern? Dass solche Worte die Befolgung der Regeln fördern oder wieder Vertrauen gegenüber der Obrigkeit schaffen wird?
Das sollten die politisch Verantwortlichen zum Beispiel doch aus dem Schnitzer von Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke über die Gründe der Schließung der nicht-essentiellen Geschäfte gelernt haben: Sollten Maßnahmen wie erneute Schließungen notwendig werden, dann müssen sie wirklich gerechtfertigt werden. Und das auf eine pragmatische und wissenschaftliche Art und Weise.
Boris Schmidt