"Die Niederlande machen dicht", titelt Het Belang van Limburg. "Die Niederlande machen fünf Wochen zu", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Mindestens fünf Wochen Lockdown", präzisiert De Tijd.
Der niederländische Premier Mark Rutte hat am Abend die Verhängung eines verschärften Lockdowns angekündigt. Unter anderem werden nicht-unentbehrliche Geschäfte für mindestens fünf Wochen geschlossen. Auch in Deutschland wird das öffentliche Leben morgen heruntergefahren.
All das sorgt in Belgien für eine gewisse Unruhe. Der niederländische Lockdown hat noch keine Verschärfungen in Belgien zur Folge", bemerkt aber De Standaard. In Flandern schaut man ja häufig auf die Niederlande, so wie die Frankophonen auf Frankreich blicken. Hinzu kommt aber, dass die Gesundheitsexperten hierzulande einen Shopping-Tourismus befürchten: "Wir haben noch schnell das Wichtigste eingekauft, ansonsten müssen wir nach Belgien kommen", zitiert De Morgen einen oft gehörten Satz. Het Nieuwsblad spricht die Sorge klar aus: "Angst vor einer niederländischen Welle", titelt das Blatt. Man befürchtet nämlich, dass die Niederländer bei einem Shopping-Abstecher nach Belgien auch das Virus mitbringen könnten. "Kommen Sie bitte nicht nach Belgien zum Shoppen", appellierte schon Innenministerin Annelies Verlinden.
Offene Grenzen – in der Pandemie mehr Fluch als Segen
Jetzt müssen also auch unsere Nachbarländer die Notbremse ziehen, analysiert sinngemäß Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. In Deutschland, den Niederlanden und auch in Frankreich weisen die Kurven steil nach oben.
Hierzulande stagnieren demgegenüber die Zahlen, sie steigen allenfalls nur langsam an. Lockerungen dürfen damit freilich nicht zur Debatte stehen, eine Verschärfung der Regeln aber genauso wenig. Denn, nicht vergessen: Die Weihnachtsferien stehen vor der Tür. Die werden für eine Entspannung des Infektionsgeschehens sorgen, das lehrt die Vergangenheit. Es sei denn, wir erliegen den Versuchungen, die diese Weihnachtszeit bereithält. Wenn wir schwach werden, dann landen wir aber in den ersten Wochen des neuen Jahres auch in einem richtigen Lockdown. Wir sollten diese Weihnachtsferien unbedingt als einen Rettungsanker betrachten.
Dazu gehört aber auch Motivation, wirft Gazet van Antwerpen ein. In den nächsten Tagen sind allerdings Bilder zu befürchten, die das Gegenteil bewirken könnten. Bilder von Shopping-Touristen, die in Scharen über die Grenze kommen werden, die Belgier haben das schließlich vor einigen Wochen auch gemacht. Hinzu kommt, dass viele Landsleute bald in Richtung der kanarischen Inseln aufbrechen, um dort ein paar Tage Sonne zu tanken. Wenn die nach Belgien zurückkehren, dann müssten sie eigentlich in Quarantäne, nur wird das so gut wie nicht kontrolliert. Diese Reisenden und auch die Shopping-Touristen, die werden nicht nur das Virus verbreiten, sie machen auch denjenigen, die brav zuhause bleiben, das Leben schwer. Wie soll man denn da motiviert bleiben, wenn man sieht, welche Freiheiten sich andere nehmen? Offene Grenzen sind in Normalzeiten ein Segen, im Kampf gegen eine Pandemie können sie aber auch zum Fluch werden.
Schlechteste Wirtschaftsbilanz aller Zeiten
Einige Blätter beschäftigen sich aber auch mit dem neuesten Herbstgutachten der Nationalbank. Die Quintessenz steht unter anderem auf Seite eins des GrenzEchos: "Die Wirtschaft hält besser stand als befürchtet", schreibt das Blatt. Demnach wird die Wirtschaft zwar wegen der Corona-Krise um 6,7 Prozent schrumpfen, das ist aber weniger, als die BNB ursprünglich gedacht hatte.
Das wäre aber immer noch die schlechteste Bilanz aller Zeiten, gibt De Standaard zu bedenken. Und, wer weiß, was da noch kommt? Unsere Nachbarländer haben schließlich gerade schon wieder neue Lockdowns verhängt. Die Prognosen der Nationalbank sind also höchst unsicher. Es ist, als würde man ein Thermometer in ein brennendes Haus halten. Was wir allerdings jetzt schon wissen, das ist, dass die Rechnung gesalzen ausfallen wird. Es ist nämlich so, dass die Regierungen des Landes nicht nur einmalige Überbrückungshilfen bewilligt haben, sondern auch neue Ausgaben getätigt haben, die sich im jährlichen Haushalt niederschlagen werden. Irgendwann wird das alles bezahlt werden müssen. Nicht vergessen: Laut BNB wird die Staatsschuld wieder auf 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ansteigen. Das heißt: 30 Jahre Sanierungsanstrengungen sind mal eben in Rauch aufgegangen.
Das Geld nachhaltig investieren!
Und nach der Corona-Krise wartet ja gleich die nächste, hakt Le Soir ein. Nach der Corona-Episode werden wir unter Hochdruck den Klimaschutz vorantreiben müssen. Dies nicht nur, um unsere internationalen Versprechen einzulösen, sondern auch aus moralischer Pflicht den künftigen Generationen gegenüber. Die von der EU versprochenen Milliarden werden nicht ausreichen, um die nötigen Investitionen finanzieren zu können. Wenn wir wieder über Geld sprechen können, dann heißt das nicht nur, dass die Corona-Krise vorbei ist, dann heißt das auch, dass der Klimaschutz wieder an die Spitze der Prioritätenliste rücken muss.
Mehr denn je sollten wir also das Geld möglichst besonnen und nachhaltig ausgeben, mahnt Het Laatste Nieuws. Das scheinen einige Parteien aber noch nicht verstanden zu haben. Jüngstes Beispiel ist Ecolo. Co-Präsidentin Rajae Maouane hat angeregt, jedem Jugendlichen eine Prämie von 460 Euro zuzuerkennen. Das würde mal eben mit 3,2 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Die PS ist längst dabei, rechts und links allerlei Zulagen zu verteilen. Nach dem Motto: "Eine Milliarde mehr oder weniger, was macht das schon?". Und das ist nicht nur eine "belgische Krankheit", in Flandern kann man ähnliche Tendenzen beobachten. Man kann fast den Eindruck haben, dass Belgien das Land ist, in dem Milch und Honig fließen.
Das Geld mit vollen Händen auszugeben, nur um Menschen eine Freude zu machen, das hat aber nichts mit Politik zu tun, kritisiert De Tijd. Viele dieser "Prämien", die da verteilt werden sollen, die haben so gut wie keine Langzeitwirkung. Und es fehlt da auch eine eindeutige Rechtfertigung. Aus dem Herbstgutachten der BNB geht hervor, dass die Krise keinen wesentlichen Einfluss auf die Kaufkraft der Bürger gehabt hat. Wenn man Geld in die Hand nehmen will, dann muss man den Unternehmen und den Arbeitnehmern unter die Arme greifen, um ihnen zu helfen, Wege in die Zukunft zu finden. Statt Geld mit der Gießkanne zu verteilen sollte man sich vorbereiten auf die Chancen, die die Welt nach Corona bieten kann.
Roger Pint