"Biden, Trump oder Chaos?", fragt De Morgen auf Seite eins. "Die Gespaltenen Staaten von Amerika", so die Überschrift bei Het Laatste Nieuws. "Eine massive Wahlbeteiligung in einem Amerika unter Hochdruck", titelt L'Echo.
Die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten ist heute das vorherrschende Thema. Einige Stunden, nachdem die Wahllokale geschlossen haben, bleibt der Ausgang des Rennens zwischen dem republikanischen Amtsinhaber Donald Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden weiter offen.
Die "Alles-oder-Nichts"-Wahl
Die Wahl eines US-Präsidenten sorgt immer für viel Interesse und auch Leidenschaft, hält La Libre Belgique fest. Was angesichts der Bedeutung des Ereignisses nicht verwundert. Die jetzige Wahl ist aber vielleicht mehr denn je für beide Seiten die "Wahl eines Lebens". Es geht nämlich nicht nur um zwei Kandidaten und ihre jeweilige Politik. Vielmehr ist es eine Entscheidung zwischen zwei Persönlichkeiten und zwei Wertesystemen. Aber auch zwischen zwei Gesellschaftsmodellen und zwei verschiedenen Visionen für die Zukunft. Und diese Wahl sorgt für viel Angst und Stress. Die Anhänger Trumps fürchten, dass der Präsident, der ihnen ähnelt, der eine ihnen gefällige Politik geführt hat und der ihnen, egal wie groß seine Lügen wurden, eine immer rosigere Zukunft versprochen hat, verlieren könnte. Die Gegner Trumps können die Aussicht auf vier weitere Jahre Inkompetenz, Vulgarität, Narzissmus und Mangel an Empathie nicht ertragen. Gerade in einer Zeit, in der das Land eine Krise durchlebt, die bereits 230.000 Tote gefordert hat – und bis Ende des Jahres noch weitere 100.000 fordern könnte. Es ist mehr denn je eine "Alles-oder-Nichts"-Wahl. Die wenig Platz für eine Versöhnung lassen wird. Im Gegenteil: Die Spaltung droht zur unüberwindbaren Kluft zu werden.
Die letzten vier Jahre sind eine nicht enden wollende Show gewesen, gegen die jede Fernsehserie oder Film verblassen, rekapituliert Het Belang van Limburg. Vier Jahre "alternativer Fakten", Lügen, Verdrehungen der Wahrheit. Aber die Hälfte der Amerikaner kümmert das nicht. Lieber haben sie einen Mann an der Spitze, dem sie zutrauen, gute Deals abzuschließen, als einen Berufspolitiker. Die Lügen sind ihnen egal, sie wünschen sich einen sympathischen Macho. Und so lange er ihnen erzählt, was sie hören wollen, wird es auch keinen Widerspruch geben. Alles, was nicht ins Bild passt, sind "Fake News", Lügennachrichten. Wie bei den US-Corona-Zahlen, die Trump mal eben ignoriert, wenn er behauptet, die Epidemie sei vorbei. Diese Art von Lügen sind wir von demokratischen Ländern eher nicht gewohnt. Und wir müssen so schnell wie möglich von dieser Art der Politik weg. Aber leider ist es schwierig, manchen Trends den Garaus zu machen.
Eine deutliche Strategie
Die älteste und größte Demokratie der Welt steht vor einer wichtigen Prüfung, hebt Het Laatste Nieuws hervor. Und Trump hat seit Wochen gezielt Zweifel gesät und versucht, über Mittelsmänner das Briefwahlsystem zu sabotieren. Und wenn er seine Anhänger dazu aufgerufen hat, die Stimmabgaben zu überwachen, ist die Linie zur Einschüchterung von Wählern sehr dünn. Die Strategie ist deutlich: Die Legitimität der Wahlen so lange zu untergraben, bis er im Fall einer Niederlage "Fake News" schreien kann.
Das GrenzEcho warnt im Zusammenhang mit Trump davor, dass auch wir nicht vor Polarisierung gefeit sind. Auch wenn in Europa die Uhren anders ticken – auch diesseits des Atlantiks kann man die Instinkte der Menschen ansprechen. Auch hier ist die Gesellschaft tief gespalten und stockt der Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Meinung. Auch bei uns fühlen sich viele abgehängt, missverstanden, bevormundet, nicht ernst genommen und nicht respektiert. Damit der Nährboden bereitet für Entwicklungen, die wir unumkehrbar überwunden glaubten. Europa würden mehr Dialog, mehr ehrliche Debatte, mehr Respekt, mehr Toleranz gut zu Gesicht stehen. Gerade angesichts der augenblicklichen Herausforderungen und der damit einhergehenden Schwächen des demokratischen Systems.
Hass-Superverbreiter
De Morgen greift den Terroranschlag von Wien auf: Auch wenn sofort furchtbare Erinnerungen an die Anschläge vor fünf Jahren in Paris wachgeworden sind, muss man festhalten, dass diese neuen Angriffe nicht die gleiche Größenordnung haben. Die Terrornetzwerke scheinen in Europa so geschwächt, dass sie nicht mehr als Aktionen von Einzeltätern hinbekommen. Vorläufig zumindest. Natürlich muss man sich Fragen über die Justiz und die Deradikalisierungmaßnahmen stellen. Aber man muss deswegen nicht gleich apokalyptisch werden. Natürlich müssen wir wachsam bleiben, unsere Werte verteidigen und den Terror bekämpfen. Aber wer diese Barbaren und die Risiken zu einem Kampf der Kulturen macht, der begibt sich auf das Spielfeld der Terroristen. Wer die Feinde unseres Rechtsstaats und unserer Zivilisation größer macht, als sie wirklich sind, der riskiert, dass sie sich selbst auch für größer und stärker halten, als sie sind. Und diese Illusion kann der entscheidende Stoß sein, der sie zum Losschlagen bewegt.
Het Nieuwsblad vergleicht den Hass mit dem Coronavirus: Blinder Hass ist wie die jetzige Corona-Pandemie. Er ist ein allgemeines Phänomen. Genauso wie die Anstachelung dazu. Und es gibt auch hier Superverbreiter. Das können Politiker, religiöse Führer oder die vielen anonymen Soldaten im Internet und insbesondere in den Sozialen Medien sein. Und hier helfen weder Mundschutzmasken, noch Lockdowns. Und ist ein Impfstoff oder eine Strategie nicht in Sicht.
Boris Schmidt