"In einer alarmierenden Situation drastische Entscheidungen", schreibt La Libre Belgique. "Nächtliche Ausgangssperre ab Mitternacht – Kontakte weiter eingeschränkt – keine Weihnachtsmärkte – Cafés und Restaurants ab Montag zu", listet das GrenzEcho auf Seite eins die wichtigsten neuen Corona-Schutzmaßregeln auf. "Kann die Schocktherapie das Virus stoppen?", fragt De Standaard.
Premierminister Alexander De Croo und Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke haben am Abend die strengeren Regeln gegen die Ausbreitung des Coronavirus verkündet. Die waren zuvor nach einer langen Diskussion im Konzertierungsausschuss beschlossen worden. Quasi alle Leitartikel greifen das heute auf.
Notwendige Opfer
Die Beschlüsse waren unvermeidlich, meint De Standaard. Das ändert nichts daran, dass die Schließung von Cafés und Restaurants für fast einen Monat knallhart einschlagen wird. Die Corona-Zahlen sind katastrophal. Tun wir nichts dagegen, wird das Gesundheitssystem in einigen Wochen kollabieren. Covid-19 zwingt uns, uns zwischen Pest und Cholera zu entscheiden. Es gibt keinen einfachen Ausweg. Es ist scheußlich, das Lebenswerk von Menschen zu zerstören und wir müssen ihren Schmerz so weit wie möglich lindern. Aber die Bedrohung zu träge und zu ängstlich anzupacken, verlängert die Katastrophe nur. Und eine sachte Herangehensweise impliziert die darwinistische Opferung der Älteren und der Menschen mit Vorerkrankungen.
Es ist klar, es ist präzise, es ist grausam, kommentiert Le Soir. Aber es ist mutig vom Konzertierungsausschuss. Auch wenn es ein Mut der Verzweiflung ist. Mut brauchen aber auch wir. Das Virus ist nicht von allein zurückgekommen. Ein Teil der Bevölkerung ist zu lässig mit den Regeln umgegangen. Wir müssen über unsere eigenen Interessen hinausdenken. Es geht um das kollektive Interesse. Wenn wir das nicht schaffen, werden wir in einem Monat einen Lockdown haben. Und zwar einen echten.
Unser Leben wird wieder schwer in Mitleidenschaft gezogen, hält La Libre Belgique fest. Aber wir haben keine andere Wahl. Die Verantwortlichen haben die Gefahr erkannt. Der Horeca-Sektor wird geopfert, aber dadurch können das Gesundheitswesen, die Bildung, die Wirtschaft und die Kultur privilegiert werden. Dieser Kampf geht uns alle an. Die Querulanten, diejenigen, die immer alles besser wissen, werden kritisieren und rebellieren. Sie tragen eine schwere Verantwortung bei der Verbreitung des Virus, denn sie gefährden nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das der Anderen.
Strengere Handhabung und weniger Dilettantismus
Die neuen Maßregeln sind nicht entworfen, um fair zu sein, konstatiert Het Laatste Nieuws. Ihr Ziel ist, die Sektoren mit der größten gesellschaftlichen Wichtigkeit am längsten offen zu halten. Dafür gibt es viele gute Argumente. Auch wirtschaftliche. Homeoffice ist umso schwieriger, wenn die Kinder nicht in die Schule gehen können. So nachvollziehbar die Entscheidungen sind, so schmerzhaft bleiben sie. Aber die Regierung hatte keine Wahl, als zur Rosskur zu greifen. Was jetzt aber kommen muss, ist eine strengere Handhabung und die Kommunikation an die Menschen, die bisher nicht gehört haben oder nicht hören wollten.
Der Beschluss, schwer einzugreifen, war richtig, meint De Tijd. Der Schock ist notwendig, um das Virus aufzuhalten. Die große Frage ist aber, wie man die Einhaltung der Regeln erzwingen kann.
Wir müssen aus dieser Logik des Reagierens heraus, fordert L'Echo. Stattdessen brauchen wir einen Plan der Vorbeugung, der diesen Namen auch verdient. Erster Schritt: Schluss mit dem Dilettantismus beim Testen, Tracing und dem Verhängen von Quarantänen. Das ist das Minimum, das man von einem so wohlhabenden Land wie unserem erwarten kann.
Man kann wirklich kaum behaupten, dass Belgien beim schnell Testen, Identifizieren, Nachverfolgen und Isolieren auf der Höhe ist, beklagt auch Het Nieuwsblad. Es ist jetzt an der Regierung, dafür zu sorgen, dass die gemeinsamen Anstrengungen nicht für die Katz sind. Indem sie die Herangehensweise optimiert, konsequent bleibt und dafür sorgt, dass sich alle an die Regeln halten.
Nur so kriegt man das Virus gründlich zu packen, ist auch Het Belang van Limburg überzeugt. Die Zeit der Samthandschuhe ist vorbei. Und wir müssen das Kind beim Namen nennen dürfen: Das alte "Normal" ist tot und begraben. Und die Behörden können die Krise nicht allein bewältigen, wir stehen alle in der Verantwortung.
Kein Spielraum mehr für halbherzige Maßnahmen
L'Avenir blickt zu den Nachbarn. Die Niederländer, Franzosen und Deutschen haben bereits sehr ähnliche Maßnahmen ergriffen. Das Wiederaufflammen der Pandemie kennt keine Grenzen. Und es gibt kaum Spielraum zum Improvisieren. Deshalb reagieren die europäischen Länder auf eine fast identische Art und Weise.
Danke! Echt vielen Dank an all jene, die die Schutzmaßregeln nicht respektiert haben. Obwohl sie doch so einfach anzuwenden waren, giftet La Dernière Heure. Dank ihnen werden jetzt alle Belgier bestraft, wird der Horeca-Sektor im wahrsten Sinne des Wortes durch einen zweiten Lockdown ermordet. Schuld sind die Gleichgültigkeit, die Leichtsinnigkeit, die Ignoranz und der Egoismus. Die Menschen ohne Maske im öffentlichen Nahverkehr, die Familien, die sich nicht an die Kontaktblase halten, die überfüllten Kneipen, die illegalen Partys zu Hause – wir alle haben sie gesehen. Wenn wir alle uns altruistisch und mit einem Minimum an kollektivem Gewissen verhalten hätten, wäre die Rückkehr zu Strafen und Peitsche nicht nötig gewesen. Hoffen wir, dass dieser schmerzhafte Weckruf der letzte sein wird.
Es gibt keinen Spielraum mehr für halbherzige Maßnahmen, appelliert auch Gazet van Antwerpen. Und auch nicht für die Theorien der Corona-Leugner. Einige Menschen träumen von einem Weihnachtsabend mit Freunden und Familie. Ob es den geben wird, ist alles andere als sicher. Was aber sicher ist, ist, dass es mehr als eine besondere Anstrengung brauchen wird, um dieses Familienfest schlechthin unter sicheren Umständen stattfinden zu lassen.
Boris Schmidt
„Schuld sind die Gleichgültigkeit, die Leichtsinnigkeit, die Ignoranz und der Egoismus.“
Wie wahr!