"'Die Deiche stehen davor, zu brechen'", so der Aufmacher bei De Morgen. "Die Explosion der Ansteckungen lässt einen neuen Lockdown befürchten", titelt La Libre Belgique. "Coronavirus: 'Zweiten Lockdown verhindern' – Neuer Premier appelliert an die Menschen", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
Jeder hat das Virus satt, kommentiert De Morgen. Aber das interessiert das Coronavirus nicht. Jetzt, wo die Zahlen wieder schnell steigen, betonen die Politiker vor allem, dass man sich an die Regeln halten soll.
Und egal, wie groß der Wirrwarr über die Vorschriften und Empfehlungen in unserem Kopf inzwischen sein mag, lässt sich das noch immer in fünf Worten zusammenfassen: Begrenzen Sie Ihre sozialen Kontakte. Falls wir in den kommenden Wochen genauso viele Menschen sehen, wie in den vergangenen, dann werden unsere Krankenhäuser im Dezember doppelt so viele Corona-Patienten aufnehmen müssen, wie während des Höhepunkts der ersten Welle.
Die gute Nachricht ist, dass jeder von uns es selbst in der Hand hat. Jeder von uns kann die "Corona-Müdigkeit" abschütteln und beschließen, seinen Beitrag zu leisten. Dazu brauchen wir nicht auf politische Erklärungen, Farbcodes oder Regeln zu warten. Noch haben wir die Wahl, unsere Kontakte einzuschränken. Später nicht mehr.
Klare Ansagen
Auch Het Nieuwsblad warnt: Wir haben noch eine Chance, um einem Lockdown zu entkommen. Wer sich die Zahlen anschaut, weiß, dass diese Chance nicht sehr groß ist. Die Regierung De Croo muss aufpassen, dass sie nicht die Fehler ihrer Vorgänger wiederholt. Die Verantwortung auf lokale Initiativen abzuschieben, das Pingpongspiel zwischen der föderalen und der lokalen Ebene muss unbedingt vermieden werden.
Entschuldigungen und Ausflüchte werden auch nicht mehr reichen, wenn Alten- und Pflegeheime zu lange auf Testergebnisse warten müssen. Zu lange zu zögern, um das Steuer in die Hand zu nehmen, wäre fatal. Und die Regierung muss vor allem deutlich sein, glasklar. Eine allgemeine Drohung mit einem Lockdown reicht nicht zwingend aus. Es muss klar gesagt werden, was auf dem Spiel steht, was wir einbüßen könnten, falls die Situation sich nicht schnell verbessert.
Auch De Standaard fordert deutliche Ansagen. Es scheint, als ob es keinen Plan gibt. Vielleicht haben Politiker und Virologen ja einen, aber dann lassen sie uns im Dunkeln. Die Bevölkerung wird im Ungewissen gelassen über die Marschrichtung, die die Politik einschlagen will. Die Menschen wissen nicht, was sie erwartet, wenn sich die Lage weiter verschlechtert. Sie wissen auch nicht, wie die Belohnung aussähe, wenn die Zahlen wieder sinken. Natürlich will niemand einen Lockdown wie Mitte März. Das darf aber nicht zu einem Nebelschleier führen.
Das Gesundheitspersonal unterstützen
La Libre Belgique greift die Überlastung der Hausärzte auf. Sie sind am Ende ihrer Kräfte. Nicht nur wegen der großen Zahl an Patienten, sondern auch wegen des riesigen Verwaltungsaufwands. Und sie sind die Zielscheibe für die Ungeduld der Patienten, wenn die Testergebnisse auf sich warten lassen. Wir können mehr tun, als dem Gesundheitspersonal zu applaudieren. Nämlich auf ihre Hilferufe hören. Und sie dadurch unterstützen, dass wir die "goldenen Regeln" respektieren. So können wir eine Überlastung der Ärzte, Krankenhäuser und Contact Tracer vermeiden.
Gazet van Antwerpen blickt ebenfalls auf das Gesundheitspersonal. Warum bekommen diese Menschen eigentlich dieses Mal keinen Applaus? Warum interessiert uns die Situation dieser Menschen jetzt weniger, als vor einem halben Jahr? Es kann doch nicht die Corona-Müdigkeit sein, die dazu führt, dass uns die Anstrengungen der Menschen, die sich keine Müdigkeit leisten können, egal sind. Die Gesundheitsversorgung ist das Rückgrat unserer Gesellschaft. Diejenigen, die sie durch ihr unverantwortliches Verhalten in Gefahr bringen, gefährden alles und jeden – selbst die Wirtschaft, die Menschen, die sie liebhaben, und auch sich selbst.
Verantwortung übernehmen
Hinter den Kurven und Zahlen verbergen sich Schicksale, erinnert La Dernière Heure. Hunderte von Familien, die in Sorge um Angehörige in den Krankenhäusern leben, die sich auf das Schlimmste vorbereiten müssen, oder die das vielleicht schon erleben mussten. Fast jeden Tag erinnert die Regierung daran, wie wichtig es ist, die Schutzmaßregeln zu beachten. Eine Botschaft, die in gewissen Teilen der Bevölkerung offensichtlich ungehört verhallt.
Menschen, die unter dem Vorwand, bestimmte Freiheiten bewahren zu wollen, gegen die Regeln verstoßen. Die gleichen Jugendlichen, die jetzt immer noch illegale Partys feiern, werden in einigen Wochen niemand anderem als sich selbst die Schuld geben können, wenn sie gar nicht mehr nach draußen dürfen. Verhalten wie ihres gefährdet die Freiheit von Millionen anderer Menschen.
Le Soir kommt in seinem Leitartikel auf die Ergebnisse des jüngsten Politbarometers zurück. Was man sieht, ist, dass das Übernehmen von Verantwortung belohnt wird. Die Männer und Frauen, die Vivaldi mitentworfen haben, können punkten. Das bedeutet nicht, dass die Bürger begeistert sind von der neuen Regierung – aber sie gestehen ihr einen Vertrauensvorschuss zu. Jetzt muss Vivaldi liefern.
Boris Schmidt