"Testzentren vor der Implosion", titelt heute Le Soir. "Corona-Tests in Belgien – die Gründe eines Fiaskos", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Das Krisenzentrum läutet die Alarmglocke", heißt es beim GrenzEcho.
La Libre Belgique listet in ihrem Leitartikel die Gründe für die heutigen Probleme bei der Bewältigung der Corona-Pandemie auf. Zunächst einmal gab es keine umfassende Strategie gegen Pandemien und deshalb auch keine Strukturen fürs Testen. Dann sind unsere Universitäten und Krankenhäuser zu lange vernachlässigt worden, bevor sie ihr volles Potential tatsächlich entfalten konnten. Bei unseren deutschen Nachbarn etwa war die superschnelle Reaktion der Regierung wirklich beispielhaft. Die EU-Kommission war ihrerseits von ihrem Mangel an Kompetenzen eingeschränkt. Die EU hat die großen Erwartungen an sie deshalb größtenteils enttäuscht. Und außerdem mussten Europas Bürger die Folgen der Globalisierung auf unsere Pharma- und Medizinindustrie ausbaden. Diese Krise hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, wie abhängig wir von China sind, schreibt La Libre Belgique.
Frust und Angst
Le Soir äußert Mitleid für die neue Föderalregierung: Die Regierung ist kaum im Amt und hat ihr Programm vorgestellt und schon muss sie ihren wirtschaftlichen Wiederaufbauplan hintanstellen. Die einzige Priorität ist im Moment die Gesundheitskrise. Das ist natürlich extrem frustrierend für das neue Team von Regierungschef Alexander De Croo, notiert Le Soir.
Das Virus droht jetzt auch uns unser größtes Familienfest zu versauen, klagt Gazet van Antwerpen. Der Psychiater Dirk De Wachter relativiert das aber: "Wenn Sie dieses Jahr Weihnachten zu fünft anstatt mit zwanzig Leuten feiern müssen, ist das nicht dramatisch. Schlimmer ist vielmehr, dass, genau wie im letzten Jahr, wieder viele Menschen Weihnachten ganz allein feiern müssen." Also setzen wir alles in Perspektive und wehren uns auch nicht gegen die Einschränkungen. Je besser sich jeder daran hält, mit desto mehr Menschen können wir Weihnachten feiern. Natürlich dauert diese Coronakrise jetzt schon lange, aber sie wird doch auch vorübergehen. Selbst die größten Pessimisten gehen davon aus, dass es nächstes Jahr einen Impfstoff gibt, meint Gazet van Antwerpen.
Vertretbare und unnötige Risiken
L'Avenir kommt auf die nun doch nicht verhängt Ausgangssperre zu sprechen: Was soll damit überhaupt erreicht werden? Eine solche Maßnahme zielt eindeutig auf die Studentenpartys ab, von denen die Behörden befürchten, dass sie die Verbreitung des Virus anfachen. Bislang sind derartig strikte Einschränkungen unserer bürgerlichen Freiheiten aber noch nicht ausreichend begründbar. Gezieltere Maßnahmen wären hingegen diskriminierend. Es braucht vor allem mehr Koordinierung auf föderaler Ebene, fordert L'Avenir.
Het Nieuwsblad regt sich über feiernde Studenten auf dem Alten Markt in Löwen auf. Natürlich ist die Zukunft, die Bildung und auch die emotionale Verfassung unserer Jugend essenziell für unser Land. Deshalb ist auch die Öffnung der Schulen ein Risiko, das wir eingehen müssen. Nicht zu verantworten sind allerdings dumme Studentenpartys auf dem Alten Markt, ätzt Het Nieuwsblad.
Het Laatste Nieuws hingegen ist die endlosen Schuldzuweisungen satt. Die Studenten sind schuld, die Politiker sind schuld, die Experten sind schuld, die Medien sind schuld. Aber nein! Niemand ist an Corona schuld. Unbesonnenheit und Leichtsinn bedeuten nicht, dass jemand absichtlich das Virus verbreitet. Corona ist allerdings sehr wohl die Verantwortung von uns allen. Wir müssen es schaffen, dass alle die Bedeutung der Einhaltung der Regeln begreifen. Ansonsten sind wir allesamt Schuld, predigt Het Laatste Nieuws.
Europa im Hintertreffen
L'Echo begrüßt die Entscheidung von Proximus und Orange, den europäischen Unternehmen Nokia und Ericsson den Vorzug gegenüber den Chinesen von Huawei zu geben. Es stimmt schon, dass wohl auch die amerikanischen Spionage-Vorwürfe gegen Huawei eine erhebliche Rolle bei dieser Entscheidung gespielt haben, aber es ging dabei auch und vor allem um das gute Angebot, das das schwedische und das finnische Unternehmen gemacht haben. Ericsson und Nokia sind also europäische Champions, aber können sie auch weltweite Champions sein? Diese Schlacht ist noch nicht gewonnen. Das Beispiel des koreanischen Unternehmens Samsung zeigt hier auch ein großes Problem von Europa: Samsung ist zum einen sehr erfolgreich, weil es entlang der gesamten Wertschöpfungskette aktiv ist: von Netzwerkausrüstung, über Smartphones bis hin zu Microchips. Aber vor allem hat Samsung in seinem Heimatmarkt in Südkorea schon ein komplettes 5G-Netzwerk aufgebaut. Europa und Belgien sind hier ziemlich ins Hintertreffen geraten. Was bedeutet das für die europäische Industriepolitik? Die Lösung ist nicht, die Entstehung europäischer Champions zur forcieren. Was es vor allem braucht, sind die richtigen Rahmenbedingungen im Bereich der Digitalpolitik, ist L'Echo überzeugt.
Das Grenzecho kommentiert die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Welternährungsorganisation (WFP). Diese Entscheidung zeigt eine Entwicklung, die man bereits seit einigen Jahren beobachten kann. Für den Friedensnobelpreis werden immer öfter Personen nominiert, die nicht - wie etwa Martin Luther King als Verfechter der Rechte der Schwarzen in den USA, oder Willy Brandt für seine Bemühungen um Frieden mit den Ländern im ehemaligen Ostblock - aktiv einen Prozess vorangetrieben haben, der Frieden oder Aussöhnung bewirkt hat, schreibt das Grenzecho.
Peter Esser