Probleme mit der Corona-App, nicht genügend Testkapazitäten und Reisechaos – auf den Titelseiten dominiert heute ein weiteres Mal die Corona-Pandemie. In den Leitartikeln blicken viele Zeitungen hingegen nach Übersee. In den USA ist der Wahlkampf in der ganz heißen Phase.
Le Soir fällt ein vernichtendes Urteil über Präsident Donald Trump. Es liegt etwas Hasserfülltes in der Art und Weise, wie Donald Trump sich Amerika und der Welt in den letzten Tagen des Wahlkampfes aufdrängt. Noch nicht einmal so sehr wegen dieser albernen Inszenierung seiner Rückkehr ins Weiße Haus nach seiner Corona-Ansteckung.
Nein, was wirklich schockiert, ist Trumps offensichtliche Auffassung, dass die Probleme eines ganzen Landes einfach nicht mehr existieren, sobald sie ihren allmächtigen Präsidenten nicht mehr betreffen. Mehr als 200.000 Tote haben nicht ausgereicht, damit dieser Mann den Ernst der Lage versteht.
Dann bekommt Trump Fieber und ein paar Corona-Symptome und macht daraus eine Hollywood-Superproduktion. Welche Verachtung für diejenigen, die seit Monaten gegen das Virus kämpfen, echauffiert sich Le Soir.
Streitbarer Präsident
La Dernière Heure sieht das ganz anders: Niemals hat ein demokratisch gewählter Staatschef so viel Hass geerntet wie Donald Trump. Er polarisiert und steht dazu. Er beleidigt, punktet mit persönlichen Angriffen und spielt mit der Angst des traditionellen Amerikas. Dennoch war seine Beliebtheit bis zum Auftreten des Coronavirus sehr groß und seine Bilanz nicht schlecht. Die Situation am Arbeitsmarkt war so gut wie nie und als erster Präsident seit langem hatte er Amerika nicht in einen neuen Krieg geführt.
Dass viele sich wünschen, dass Trump die Wahl verliert, ist normal. Aber, dass so viele Menschen ihn offensichtlich verabscheuen, überrascht. Besonders auf unserer Seite des Atlantiks, wo es beileibe andere Probleme gibt, meint La Dernière Heure.
L'Avenir gehört zu denen, die optimistisch sind, dass Trump die Wahl verliert. Indem Donald Trump ein Fernduell mit seinem Herausforderer Biden ablehnt, spielt er womöglich seine letzte Karte.
Beim ersten TV-Duell hat sich Trump bereits an keine der vereinbarten Regeln gehalten und seinen Gegenüber ständig unterbrochen. Jetzt lehnt er, entgegen aller medizinischer Logik, ein Duell per Videokonferenz ab. Wenn der Amtsinhaber sich so scheut, zeugt das vielleicht von einer tieferliegenden Sorge, vermutet L'Avenir.
EU muss sich emanzipieren
In weniger als einem Monat wird die Welt wissen, wer die nächsten vier Jahre Hausherr im Weißen Haus wird, schreibt das GrenzEcho. Selbst wenn man auch dieses Mal den Umfrageergebnissen misstrauen muss, reiht Donald Trump in letzter Zeit Fehler an Fehler. Die Chancen, dass Biden ihn beerbt, steigen.
Aber in Europa haben wir, auch bedingt durch die Berichterstattung in führenden europäischen Medien, in der Regel einen in vielen Aspekten verfälschten Blick auf US-amerikanische Realitäten. Die USA im 21. Jahrhundert sind nicht mehr jene USA, die schützend ihre Hand über uns hielten.
Europa muss sich auch unter einem Präsidenten Joe Biden weiter von den USA emanzipieren. Dazu gehören auch eine eigene Verteidigung und eine eigene, selbstbewusste Außenpolitik, fordert das GrenzEcho.
De Standaard kommt auf die Verfassung der belgischen Politik zu sprechen. Die neue Regierung von Alexander De Croo hat geschworen, mit einem neuen, bescheidenen Politikstil das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen.
De Croos Schwur bröckelt jetzt schon. Eine der vielen Geldquellen, die den politischen Parteien zur Verfügung stehen, wird auch weiter fließen. Die Regierungsparteien werden weiterhin das Privileg in Anspruch nehmen, sich ihren scheidenden Ministern jeweils zwei Assistenten vom Steuerzahler bezahlen zu lassen. Diese Helfer arbeiten als Fahrer, Handwerker oder Parteiangestellte.
Alle Parteien hatten geschworen, dieses Privileg abzuschaffen. Dieser Wortbruch ist nur ein Symptom genereller Missstände, die nicht speziell die Regierung De Croo betreffen. Die politische Verwaltung in Belgien ist völlig aufgebläht und daran scheint sich auch nichts zu ändern, beklagt De Standaard.
Bloß keine Schulschließungen
L'Echo ist wegen drohender Corona-bedingter Schulschließungen alarmiert. Kinder, Jugendliche und Studenten haben schon ein halbes Jahr ihrer Ausbildung verloren. Die Ungleichheiten sind noch gewachsen. Jetzt die Schulen zu schließen, wäre ein fatales Signal, auch für die Eltern.
Der wirtschaftliche Schaden durch den Arbeitsausfall wegen der Kinderbetreuung wäre riesig. Die Schulen zu schließen bedeutet, das Land lahmzulegen, warnt L'Echo.
Het Nieuwsblad hält, auch angesichts der Schließungen von Bars und Cafés in der Hauptstadt, ein Plädoyer für die Jugend: Sie haben schon so viel verloren und jetzt wird auch noch ihr soziales Leben eingeschränkt.
Nicht nur die Gastronomie, Selbstständige und kleine Betriebe werden besonders hart getroffen, auch die jungen Leute. Und die haben keine Lobby-Gruppen. Sie bekommen nicht die Unterstützung, die sie als Zukunft unseres Landes verdienen, mahnt Het Nieuwsblad.
Peter Eßer