"Die To-Do-Liste von Lachaert und Rousseau – Wochenende der Wahrheit für Vivaldi", schreibt De Tijd auf ihrer Titelseite. "Die Uhr tickt – Vivaldi gibt Gas", so die Überschrift im Innenteil des GrenzEchos. "Föderale Verhandlungen - Ein Wochenende für das Casting", titelt Le Soir.
Am Montag müssen die Vorregierungsbildner König Philippe Bericht erstatten. Bis dahin sollten sich die Vivaldi-Unterhändler zumindest auf den Namen eines Regierungsbildners und damit wahrscheinlichen zukünftigen Premiers geeinigt haben.
Der Moment der Wahrheit für Joachim Coens
Het Belang van Limburg greift in seinem Leitartikel die Misstöne innerhalb der CD&V auf. Der CD&V-Innenminister Pieter De Crem hatte ja öffentlich gesagt, dass die flämischen Christdemokraten seiner Meinung nach nichts in einer Koalition mit den Liberalen, Sozialisten und Grünen verloren haben. Mit dieser Meinung steht De Crem innerhalb der Partei sicher nicht alleine da. Auch, wenn wohl deutlich weniger lokale CD&V-Amtsträger gegen eine Regierungsteilnahme sind, als zunächst vielleicht gedacht.
Gefahr droht dem Projekt von Parteipräsident Joachim Coens aber auch aus einer anderen Ecke. Auch der CD&V-Parteikongress muss nämlich grünes Licht für das Mitmachen bei Vivaldi geben. Wegen des Coronavirus wird die Abstimmung dieses Mal nicht wie sonst physisch und durch Kärtchen-Hochhalten geschehen. Sondern anonym und aus dem heimischen Wohnzimmer. Dadurch gibt es kaum eine Möglichkeit, psychologisch Druck auszuüben, damit sich die Parteimitglieder hinter ihren Vorsitzenden stellen. Es wird der Moment der Wahrheit für Joachim Coens werden. Neben der Regierungsteilnahme steht auch seine eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel, analysiert Het Belang van Limburg.
Der letzte Leuchtturm
Viele andere Zeitungen beschäftigen sich in ihren Kommentaren aber mit der Coronakrise, vor allem mit dem Aspekt Kommunikation. De Tijd fragt sich, wie man die Bürger überhaupt noch motivieren kann, die einschneidenden Corona-Regeln zu befolgen. Überall explodieren die Infektionszahlen. Noch besorgniserregender ist aber, wie die Coronakrise angepackt wird. Wir wissen doch längst, dass das Virus nur durch eine beharrliche und konsequente Anpassung unseres sozialen Verhaltens zurückgedrängt werden kann. Das verlangt viel Disziplin. Aber die Alternative wäre, dass man das ganze gesellschaftliche Leben und auch die Wirtschaft wieder stilllegen müsste. Das menschliche Verhalten ist der Schlüssel im Kampf gegen die Epidemie. Und der entscheidende Faktor ist Vertrauen. Aus der Politik waren wir ja schon eine Kakophonie gewohnt. In den letzten Tagen ist ein quasi öffentlicher Krieg zwischen den Experten dazu gekommen. Damit droht auch der letzte noch funktionierende Leuchtturm in diesem Chaos zu erlöschen, kritisiert De Tijd.
Auf die Meinungsverschiedenheiten besonders zwischen dem Gesundheitsökonomen Lieven Annemans einerseits und dem Virologen Marc Van Ranst und anderen Gesundheitsexperten andererseits kommt auch Het Nieuwsblad zurück. Es ist gut, dass darüber diskutiert wird. Es geht nämlich um die essentielle Frage: Wieviel gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schaden muss man in Kauf nehmen, um die Zahlen der Erkrankten und Toten unterhalb einer bestimmten Grenze zu halten? Leider hat die Föderalregierung den Experten schon auf die Finger geklopft. Sie würden für zu viel Verwirrung sorgen. Das war falsch. Die Politik sollte die Wissenschaftler debattieren lassen. Die Aufgabe der Politiker ist, Beschlüsse zu fassen, dafür sind sie gewählt worden, erinnert Het Nieuwsblad.
De Standaard sieht das anders: Das Tragische ist, dass sich die Meinungsverschiedenheiten nicht wirklich um die entscheidenden Fragen drehen. Vielmehr sind es oft eher persönliche Anfeindungen. Diese Politiker-Krankheit scheint nun auch die wissenschaftlichen Beratungsorgane befallen zu haben. Bleiben also eigentlich als belastbares Fundament für den Nationalen Sicherheitsrat nächste Woche nur noch die Verwaltungen. Und die Übergangsregierung, die ihr Verfallsdatum schon lange überschritten hat, muss dann etwas Sinnvolles daraus synthetisieren, giftet De Standaard.
"Impfstoff gegen die Angst"
Het Laatste Nieuws befürchtet, dass Sophie Wilmès und die anderen Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates gar keine richtige Entscheidung treffen werden können. Entweder werden die neuen Schutzmaßnahmen zu wenig tun, um uns vor dem Virus zu schützen. Oder sie werden das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben abwürgen. Was wir aber brauchen, ist das Gegenteil: Maßregeln, die sowohl die Volksgesundheit als auch die Wirtschaft so wenig wie möglich schädigen, wünscht sich Het Laatste Nieuws.
Für La Libre Belgique ist das größte Problem nicht so sehr, die Regeln zu respektieren, sondern sie zu verstehen. Die Botschaften der politisch Verantwortlichen werden pausenlos durch die Meinungen von Experten verwirrender gemacht. Anstatt zu beruhigen, tragen sie zum allgemeinen Angstgefühl bei. Natürlich spielen die Experten mit ihrem Wissen eine unverzichtbare Rolle. Dennoch erscheinen ihre Vorschläge und Forderungen oft überzogen. Deswegen ist der nächste Nationale Sicherheitsrat so wichtig. Er muss vor allem Klarheit bringen und konkrete Antworten. Und man muss aufhören, den Bürgern die Schuld zu geben.
Selbst wenn die Gewissenhaftigkeit beim Befolgen der Regeln etwas nachgelassen hat, sind die Belgier sehr vorsichtig geworden. Anstatt ihnen Angst zu machen, sollte man sie also beglückwünschen. Der erste Impfstoff, den man verabreichen sollte, muss ein Impfstoff gegen die Angst sein. Der kostet nichts und ist bereits verfügbar. Und er besteht aus zwei Dosen: Vorsicht und Kohärenz, fordert La Libre Belgique.
Boris Schmidt