"1.000 Neue Fälle an einem Tag – Anderswo würde man jetzt Alarm schlagen", titelt heute De Standaard. "Covid schreitet voran, die Bevölkerung macht schlapp", so Le Soir auf Seite eins. Deshalb auch die Schlagzeile bei De Morgen: "Ein Reset der Coronaregeln ist nötig." Virologen und Epidemiologen kritisieren, dass es nicht schon jetzt einen Nationalen Sicherheitsrat gibt, sondern erst nächste Woche. Wenn das nämlich so weitergehe, dann sei Belgien bald Nummer Eins in Europa was die Infektionszahlen angeht. Die Maßnahmen müssten aber nicht strenger werden, sondern einfach nur befolgt werden. Es sei deshalb noch nicht zu spät, um die immer schneller werdende Verbreitung des Virus zu bremsen. Nur die bisherige Zwangsmethode habe ihre Grenzen, es müsse etwas gefunden werden, um die Bevölkerung wieder mitzunehmen.
Was tun?
Le Soir kommentiert: Ehrlich gesagt, wir haben auch nicht die Lösung, aber die Sache ist klar. Es muss wieder auf die Menschen zugegangen werden, um sie zu unterstützen, zu ermutigen, zu überzeugen. Doch wie will man die Bevölkerung bei der Stange halten? Indem man die Prozeduren von Kontrolle, Quarantäne, Maskenpflicht, Kontaktblasen effizienter macht? Oder indem man die Regeln vereinfacht, um so ein glaubwürdigeres Gleichgewicht zwischen Schutz vor und Leben mit dem Virus finden? Während der Bürger den Streitigkeiten unter den Experten ausgesetzt ist, fehlt in der offiziellen Kommunikation seit Wochen jemand, der alles zusammenfasst und Verantwortung übernimmt. Manche schlagen die Ernennung eines Covid-Kommissars vor, als Bindeglied zwischen den verschiedenen Regierungen. Mal sehen. Klar ist, der Nationale Sicherheitsrat kommt nächste Woche zu spät. Die Politik muss auf die Bürger hören, denen so langsam die Puste ausgeht. Sie haben mehr und Besseres verdient als ein von oben herab gerufenes "Kommt Leute, noch ein bisschen Anstrengung".
Steuermannqualitäten gefordert
De Tijd stellt auch fest: Es ist eine gewisse Corona-Müdigkeit eingetreten. Und das ist absolut verständlich. Es ist schwierig, die Maßnahmen zu befolgen, die das Leben nur schwerer machen, solange die Zahlen der Krankenhausaufnahmen und Todesfälle alles andere als alarmierend sind. Es ist schwierig, sie zu befolgen, wenn andere Experten den Nutzen der Maßnahmen öffentlich in Frage stellen. Die Virologen selbst tragen auch zu dieser Kakophonie bei, kein Wunder, dass die Bürger dann auch nicht mehr weiterwissen. Vom Bürger darf man Anstrengungen erwarten, aber sie müssen dann auch eine Perspektive bekommen. Das setzt voraus, dass die Politik einen langfristigen Ansatz entwickelt. Und es braucht Steuermannqualitäten, um auf diesem schmalen Grat zu wandeln und um die Bevölkerung zu motivieren, mit anderen Mitteln als Zwang und Strafe. Auf diesem Feld versagen die politisch Verantwortlichen in unserem Land.
Ähnlich sieht es auch Het Nieuwsblad. Es wird allmählich mehr als peinlich, wie unsere Politiker mit dem erneuten Aufflammen des Virus umgehen. Komplettes Schweigen ist auch eine Form von Verleugnung. Es ist peinlich zuzusehen, wie abwesend die Politiker im Kampf gegen das Virus sind. Der Nationale Sicherheitsrat wurde von Ende nächster Woche auf Beginn nächster Woche vorverlegt. Das war's dann auch schon. Wir brauchen kreatives und striktes Eingreifen von jetzt an bis zum Ende des Jahres, um mit dem Virus zu überleben. Ein Eingreifen, das unsere sozialen Kontakte wieder auf ein sicheres Niveau bringt, so schnell wie möglich. Das kann aber nur eine vollwertige Regierung, egal, wie man sie nennt, oder wie sie zusammengestellt ist. Kein einziger Wähler würde den politischen Parteien einen zweiten Lockdown vergeben. Das scheint noch nicht bis zu ihnen durchgedrungen zu sein. Nabelschau und Zwietracht sähen, steht immer noch auf der Tagesordnung, als ob es noch 2019 wäre.
Nicht diskutieren, sondern handeln!
De Standaard kommt in seinem Leitartikel auf die Situation in Moria auf der griechischen Insel Lesbos zurück: 13.000 Menschen, die sowieso schon in erbärmlichen Zuständen lebten, haben seit dem Brand im Flüchtlingslager jetzt auch ihren allerletzten Besitz verloren. Sie verbringen die Tage und Nächte auf einer Landstraße, ohne Schutz, ohne Essen, ohne Toiletten. Darunter auch viele kleine Kinder, oft krank, fast immer traumatisiert. Wenn es ein Erdbeben oder eine Überschwemmung gibt, dann wissen wir, was wir zu tun haben. Bei Katastrophen wird nicht diskutiert, sondern gehandelt. Den Flüchtlingen in Moria muss nun auch geholfen werden. Und helfen, das heißt hier: Die Menschen dort wegholen. Raus aus diesem schändlichen Loch. Ein Kontinent mit 450 Millionen Einwohnern kann ruhig diese 13.000 Obdachlosen aufnehmen, ohne dabei einer neuen Welle von unkontrollierter Migration Tür und Tor zu öffnen.
De Morgen meint dazu: Das Leid in Moria ist seit Jahren ausführlich dokumentiert. Genauso wie die enorme Überbevölkerung vor Ort. Für jeden, der die Lebensumstände in dem Lager kannte, war die Katastrophe von voriger Woche zu erwarten. Die europäischen Mitgliedstaaten hatten beschlossen, ihren Blick abzuwenden, von all den Männern, Frauen und Kindern, die Zuflucht suchen auf unserem Kontinent. Die Bilder im Fernsehen und in den Zeitungen heute bezeugen die harten Folgen dieser Entscheidung.
Volker Krings