"Fünfer-Blase, Masken, Kultur, Handel… ein entscheidender Nationaler Sicherheitsrat zehn Tage vor Schulbeginn", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Motivation, sich an die Corona-Schutzmaßregeln zu halten, auf Tiefpunkt – nur 45 Prozent halten sich an die Fünfer-Blase", titelt Gazet van Antwerpen. Und für Le Soir ist es: "Die Gesundheit oder unsere Freiheiten: das Dilemma".
Heute kommt der Nationale Sicherheitsrat zusammen, um die Corona-Lage im Land und die Schutzmaßregeln zu diskutieren. Währenddessen wird immer deutlicher, dass die Akzeptanz und die Motivation, sich an die Regeln zu halten, in der Bevölkerung kontinuierlich abnehmen.
Massiver Motivationseinbruch
Wir sollten uns wohl besser darauf einstellen, dass es heute keine großen Lockerungen geben wird, dämpft De Standaard allzu große Hoffnungen. Es scheint, dass die Experten von der unerwartet schnellen und heftigen Rückkehr des Virus' traumatisiert sind. Hatten sie und auch wir doch großteils geglaubt, die Epidemie unter Kontrolle zu haben. Die Kakophonie an Regeln, die sich dann über uns ergossen hat, hat den Glauben vieler Menschen untergraben, dass an den Schaltstellen Menschen mit einem Plan sitzen, deren Ratschläge man besser befolgen sollte.
Umfragen haben ergeben, dass nur noch ein Drittel der Bevölkerung motiviert ist, sich an die Regeln zu halten. Zu Beginn des Lockdowns, als die Einschränkungen noch strenger waren als jetzt, waren es 80 Prozent. Dieser unvorstellbar schnelle und große Verfall sagt sehr viel aus über den Verlust an Vertrauen und Legitimität. Es wurde zu wenig in das Erklären der Maßnahmen investiert. Letztlich ist es nur noch die Angst vor Strafen oder vor Konflikten auf der Straße oder in den Geschäften, die die Menschen weiter dazu bewegt, ihre Mundschutzmasken zu tragen oder allein einkaufen zu gehen, stellt De Standaard fest.
Für Gazet van Antwerpen hat es der Nationale Sicherheitsrat bisher versäumt, eine Frage zu beantworten: Was genau soll mit den Corona-Regeln erreicht werden? Wie tief müssen die Zahlen sinken? Die Zahl Null kann man nicht erreichen. Es wird immer infizierte Menschen ohne Symptome geben, die vielleicht gar nicht wissen, dass sie das Virus in sich tragen. Es wird auch immer Reisende geben, die das Virus mitbringen. Die heikle Frage ist: Wie weit sind wir bereit zu gehen, um so niedrige Zahlen wie möglich zu erreichen? Oder reichen uns vielleicht auch ein bisschen höhere Fallzahlen, fragt Gazet van Antwerpen.
Pädagogik, Verhältnismäßigkeit und Empathie
La Libre Belgique kritisiert den Einfluss der Gesundheitsexperten auf den Nationalen Sicherheitsrat. Nach sechs Monaten Pandemie kann es nicht sein, dass eine Handvoll Virologen bestimmt, wo es in unserem Land lang geht. Jede ihrer Mitteilungen müsste mit den Meinungen anderer Experten konfrontiert werden. Mit dem Ziel, durch die Mischung der verschiedenen Disziplinen gerechtfertigte, proportionale und erklärte Maßnahmen zustande zu bringen. Ohne Pädagogik, Verhältnismäßigkeit und Empathie riskiert der Nationale Sicherheitsrat ein für allemal die Gefolgschaft der Bevölkerung in puncto Respekt für die Regeln zu verlieren. Das ist besonders gefährlich, sowohl kurz- als auch langfristig, warnt La Libre Belgique.
Auch für Le Soir müssen die Behörden ihre Entscheidungen erklären und rechtfertigen. Und an die wissenschaftlichen Lagemeldungen von der Gesundheitsfront anpassen. Sie müssen auch bereit sein, Kritik zu akzeptieren. Wie sich die Menschen an die Verbote halten werden, wird von der Glaubwürdigkeit der Verantwortlichen und der Kohärenz ihrer Antworten auf die Probleme abhängen. Und damit letztlich auch unsere individuelle und kollektive Gesundheit, meint Le Soir.
Nicht nur das Coronavirus ist tödlich
Man muss anerkennen, dass die ergriffenen Maßnahmen die Schäden begrenzt haben, kommentiert L'Avenir. Aber jetzt ist es an der Zeit, den Ballast loszuwerden und die Schleusen für unsere Freiheiten wieder zu öffnen. Isolation, Ausgrenzung, das Gefühl, verlassen worden zu sein, die Verelendung, das Misstrauen und der Argwohn anderen gegenüber, die Verdächtigungen, die Anprangerung und die ständige Angst – all das sind Krankheiten, die für den Menschen genauso tödlich sind, ist L'Avenir überzeugt.
Wir sind Corona-müde, kann Het Nieuwsblad nur festhalten. Nur eine bessere, deutliche Kommunikation kann dem Motivationsverfall entgegenwirken. Nur so können wir wieder eine Solidarität und ein Pflichtbewusstsein wie zu Beginn der Epidemie erreichen. Die ohnehin vorhandene Müdigkeit wurde aber durch das babylonische Sprachgewirr, durch das omnipräsente Gegacker und durch den Mangel an Erklärungen nochmal besonders verstärkt. Die Frage, warum das alles notwendig ist, ist viel zu wenig beantwortet worden.
Wir brauchen eine straffe Kommunikation, glasklare Begründungen und einheitliche Regeln. Sonst werden wir es nicht ohne Unglücke bis zum Frühjahr durchhalten. Dass das bisher noch nicht umgesetzt worden ist, ist ein kollektives Versagen der Experten und Politiker. Das ist aber auch eine viel zu leichte Entschuldigung für jeden von uns, sich nicht mehr an die Regeln zu halten. Die letzten zwei Wochen haben gezeigt, wie man Ausbrüche unter Kontrolle bringt. Mehr Motivation, um zu begreifen, dass die Schutzmaßregeln ihren Sinn haben, sollte es doch nun wirklich nicht brauchen, appelliert Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt
Kollektives Versagen der Politriker und Experten, da bin ich aber froh.
Die zuständigkeit für Alten und Pflegeheime soll an diese selbst "abgegeben werden...wie nannte es Herr Antoiniadis.."Selbstverantwortlichkeit"...
Und wehe irgendwas läuft schief, in dieser Sebstverantwortlichkeit....
Dann sind diese Institutionen der BUH-Mann....
Also ehrlich das ist nicht traurig, das ist eine ganz bittere Pille, seitens der Politik.
Ich bin schwer enttäuscht.