"Meiste Corona-Infektionen in den allerärmsten Vierteln", schreibt De Tijd auf Seite eins. "Kontaktblasen-Logik vergrößert Einsamkeit", so die Überschrift bei De Standaard. Und Het Belang van Limburg hält fest: "Kaum Kontrolle der Pflicht-Quarantäne nach Reisen in rote Zonen."
Auch wenn die Hitzewelle das Land fest im Griff hat, bleibt die Corona-Epidemie ein wichtiges Thema für die Zeitungen. De Standaard kommentiert die Corona-Schutzmaßregeln. Während der ersten Welle gelang es noch mehr oder weniger, die große Mehrheit der Bevölkerung bei der unsicheren Suche nach wirksamen Maßnahmen mit an Bord zu halten. Bei der zweiten Welle klappt das wesentlich schlechter. Sie ist zu früh gekommen. Kaum durften wir wieder nach draußen und sogar reisen, wurden uns diese Freiheiten schon wieder beschnitten oder weggenommen. Im Frühling zu Hause zu bleiben und so normal wie möglich zu leben, ist doch etwas ganz anderes, als in den Sommerferien Abstände einzuhalten, Besuche bei Freunden sein zu lassen oder ansonsten unser Leben nicht zu genießen.
Aber es steckt mehr dahinter, wie auch der Virologe Steven Van Gucht sagte: Wir sind coronamüde. Das liegt aber nicht nur daran, dass wir die Pandemie und ihre Quälereien satt haben, wir haben auch mehr als genug vom wirren Kampf gegen das Virus. Verhaltenswissenschaftler kennen das Phänomen von Versuchstieren: Belohnt oder bestraft man sie nach nicht-nachvollziehbaren oder widersprüchlichen Kriterien, werden sie störrisch und depressiv. Und genau das ist auch das Ergebnis des unvorhersehbaren Corona-Krisenmanagements. Uns ist klar geworden, dass die Durchsetzung der Maßnahmen lax, sporadisch und willkürlich ist. Dadurch fühlen sie sich ungerechtfertigt an. Sollte sich die Infektionskurve jetzt tatsächlich wieder abflachen, liegt das sicher nicht an der zielführenden Arbeit der Behörden. Sondern daran, dass wir selbst nach bestem Wissen und Gewissen unser Bestes getan haben, glaubt De Standaard.
"Schluss mit der Ausgangssperre"
Het Laatste Nieuws greift in seinem Leitartikel die Ausgangssperre in Antwerpen auf. Natürlich konnten weder Gouverneurin Cathy Berx, noch Bürgermeister Bart De Wever wissen, dass uns eine Hitzewelle bevorstehen würde, als sie die Maßnahme absegneten. Abends um 20 Uhr sind es noch immer 31 Grad. Herrlichstes Wetter eigentlich, um draußen sein Leben zu genießen. Aber leider ist um elf Uhr Sense. Der Verfassungsexperte und bekannte Politiker Johan Vande Lanotte beklagte diese Woche, dass die Ausgangssperre vollkommen unverhältnismäßig und deshalb ungesetzlich sei. Das hat auch uns zum Nachdenken gebracht.
Natürlich musste man Maßnahmen ergreifen, um die Infektionsherde einzudämmen. Und zwar so schnell wie möglich. Aber so langsam sickert die Erkenntnis durch, dass mit der Ausgangssperre das Pendel zu weit in die falsche Richtung ausgeschlagen hat. Liebe Gouverneurin Berx und lieber Bürgermeister De Wever, schicken Sie bitte ruhig die nächsten Nächte besonders viele Polizeistreifen auf die Straße. Die sollen kontrollieren, dass alle, egal ob jung oder alt, sich an die Fünfer-Kontaktbeschränkungen halten. Im Gegenzug wollen wir dann aber in Zukunft wieder so lange wir wollen nach draußen, fordert Het Laatste Nieuws.
Noch nicht zu spät, aber wirklich an der Zeit
Le Soir beschäftigt sich mit der Suche nach einem Impfstoff gegen das Corona-Virus. Genauer gesagt mit dem Beitrag, der in Belgien zu dieser Forschung geleistet wird. Dass dieser Beitrag so groß ist, ist kein Zufall, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Maßnahmen auf allen Ebenen des Landes. Das zeigt, dass Belgien in der Lage ist, ehrgeizige und langfristige Politik zu betreiben – um am Ende die Früchte zu ernten. Das sollte uns als Inspiration dienen. Es ist noch nicht zu spät, um die Sektoren zu identifizieren und zu unterstützen, die für unseren Wohlstand von morgen sorgen sollen. Es ist noch nicht zu spät, aber es ist wirklich an der Zeit.
Mal wieder ein Augenblick der Wahrheit
La Libre Belgique kommt auf die Regierungssuche zurück. Belgien stirbt. Das Land ist so kompliziert, dass es vollkommen blockiert ist. Darüber sind sich alle einig. Eine siebte Staatsreform sollte vor allem die sechs vorhergehenden korrigieren, das Land vereinfachen und es effizienter machen. Während der Gesundheitskrise haben wir gesehen, dass die Zersplitterung der Zuständigkeiten zu Verwirrung geführt hat. Schuld daran ist aber nicht der Föderalismus, sondern dass unser Föderalismus so schlecht entworfen wurde. Aber das, was die Vorregierungsbildner dem Vernehmen nach planen, wird unser Land kaum effizienter machen. Mehr noch: Es erscheint unsinnig und gefährlich, kritisiert La Libre Belgique.
Belgien befindet sich in einem politischen Patt, hält auch Het Belang van Limburg fest. Knallharte Vetos, beschämende Forderungen, Parteiinteressen als das Wichtigste überhaupt und jetzt der soundsovielste Augenblick der Wahrheit. 439 Tage nach der Wahl und 608 Tage nach dem Fall der Regierung Michel I hält dieses Quartett das Land weiter als Geisel. Der Bürger versucht schon lange nicht mehr, zu folgen, er hat das abgehakt. Wenn selbst die größte Gesundheitskrise des Jahrhunderts die Möchtegern-Führer des Landes nicht zur Vernunft bringen kann, dann können das nur noch Wahlen. Aber aus Angst vor dem Wähler stolpern die Parteivorsitzenden lieber weiter auf verschlungenen Waldpfaden herum, als die Autobahn zu einem neuen Urnengang zu nehmen.
Morgen ist also wieder so ein Augenblick der Wahrheit, wenn De Wever und Magnette zum König müssen. Drei Optionen liegen auf dem Tisch: Sie werfen das Handtuch, sie bitten um mehr Zeit, um die Liberalen an Bord zu holen, oder sie schaffen es, eine sechste Partei zu echten Koalitionsgesprächen zu bewegen. Das wäre allerdings ein Wunder. Morgen werden wir mehr wissen. Wenn es wieder nicht zu einer Entscheidung kommt, ist es Zeit für Wahlen, ist Het Belang van Limburg überzeugt.
Boris Schmidt