"Alles weg!", titelt Het Nieuwsblad. "Beirut ist verwüstet", so die Schlagzeile von La Dernière Heure. Notstand in Beirut", schreibt De Morgen auf Seite eins.
Prägnante Bilder auf vielen Titelseiten. Sie zeigen das Ausmaß der Schäden in der libanesischen Hauptstadt nach der gewaltigen Explosion vom Dienstagabend. Der Hafen von Beirut wurde buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht. Im Umkreis von mehreren Kilometern sind viele Häuser unbewohnbar. Entsprechend hoch die Opferzahlen: Im Moment ist von 135 Toten und rund 5.000 Verletzten die Rede. "Der Libanon steht unter Schock", titeln denn auch L'Avenir und L'Echo.
Apokalypse Beirut
"Außer Atem", schreibt ihrerseits La Libre Belgique. Die Katastrophe trifft nämlich die Hauptstadt eines Landes, das ohnehin schon am Boden lag. Die Wirtschaft steht vor dem Kollaps. Allgemein wird für den schlechten Zustand des Landes das verkrustete politische System verantwortlich gemacht. Vor allem die quasi institutionalisierte Korruption.
"Die Explosion stürzt den Libanon in eine noch größere Krise", schreibt denn auch De Tijd auf ihrer Titelseite. "Die Leiden der Libanesen werden noch verschärft", notiert das Grenz-Echo. "Wie kann sich ein Land, das ohnehin schon am Boden war, nach einer solchen Katastrophe wieder aufrichten?", fragt sich Le Soir. De Standaard schwant Übles: "Jetzt entlädt sich die Wut gegen die politische Elite im Libanon".
"Apokalypse Beirut", so der Titel des Leitartikels in Het Belang van Limburg. Ein Land, eine Stadt, die schon am Rande des Abgrundes standen, werden jetzt noch getroffen von einer Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes. 300.000 Menschen sind obdachlos geworden. Der libanesische Präsident Michel Aoun versprach zwar, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden, doch wäre das für die Bevölkerung nur ein Bauernopfer. Es ist die politische Kaste in ihrer Gesamtheit, die Schuld ist am totalen Niedergang einer ganzen Nation. Die korrupten politischen Clans haben das Land als Selbstbedienungsladen missbraucht. Die Leidtragenden sind die Bürger.
Schreckliche Bilder gehen derzeit um die Welt, stellt La Dernière Heure fest. Wenn man auch einen Anschlag schnell ausschließen konnte, so kann man nichtsdestotrotz nicht von einem Unglück sprechen. Wenn rund 2.800 Tonnen Ammoniumnitrat ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen an einem Hafen gelagert werden, dann ist das grobe Fahrlässigkeit. Und das steht beispielhaft für ein Land, das nach Jahren der Misswirtschaft inzwischen am Abgrund steht. Nach allen Tragödien der Vergangenheit und mitten in der wohl schlimmsten Wirtschaftskrise versetzt diese Katastrophe dem kleinen Land womöglich den Gnadenstoß.
Jetzt schnelle Hilfe!
Beirut ist entstellt, beklagt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Die Bevölkerung bekommt die Höchststrafe. Der Libanon, das war die Schweiz des Nahen Ostens. Jetzt ächzt das Land unter einer schrecklichen Wirtschaftskrise. Die Menschen sind ausgelaugt, das Bankensystem steht vor dem Kollaps. Und jetzt, oben drauf, noch eine solche Katastrophe. Seit Jahren schon fühlen sich die Libanesen von ihren politischen Verantwortlichen im Stich gelassen. Die Explosion mit ihren verheerenden Folgen könnte ihnen den Rest geben. Wir dürfen den Libanon nicht im Stich lassen. Dieses Land braucht Hilfe.
Die muss allerdings schnell in Gang gebracht werden, fordert Het Laatste Nieuws. Belgien hat zwar gleich am Dienstagabend noch Unterstützung in Aussicht gestellt. Das schnelle Rettungsteam B-Fast wurde aber noch nicht in das Krisengebiet entsandt. Man warte noch auf Angaben der Libanesen hinsichtlich des genauen Bedarfs, rechtfertigte sich der zuständige Außenminister Philippe Goffin. Das ist natürlich nicht falsch. Hilfe ist nur dann effizient, wenn sie gezielt eingesetzt wird. Einfach nur hinzufahren, ohne zu wissen wohin, das ist nicht zielführend. Andererseits zählt in einer solchen Situation jede Minute. Retter aus anderen Ländern sind schon unterwegs. Belgien hätte schneller schalten können.
Unterminierende Kakophonie
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch heute mit der Lage an der Corona-Front. De Morgen etwa hebt das Gutachten mehrerer Rechtswissenschaftler hervor. Die sind der Ansicht, dass einige Corona-Maßnahmen verfassungswidrig sind. Das gilt vor allem für die nächtliche Ausgangssperre, die in der Provinz Antwerpen verhängt wurde. Für die Juristen ist eine solche Maßnahme unverhältnismäßig. Diese Warnung sollte man ernst nehmen, mahnt das Blatt in seinem Leitartikel. Der Kampf gegen das Coronavirus dürfte noch ein langer Weg sein, mit vielen Bergen und vielen Tälern. Dieser Kampf wird aber nicht einfacher, wenn man bei jedem Wiederaufflammen gleich wieder den "atomaren Roten Knopf" drückt. Strenge Maßnahmen mögen manchmal nötig sein, sie müssen aber immer im Rahmen bleiben.
L'Avenir ärgert sich immer noch über das Chaos mit der Reise-Ampel. Grün, gelb, rot: Für einige Regionen wurden die Lichter wild hin- und hergeschaltet. Zwischendurch wurde Besserung gelobt, wurden Prozeduren geändert, um letztlich aber weiterzumachen wie bisher. Resultat: Die Reisebranche und auch die Bürger werden buchstäblich in den Wahnsinn getrieben. Mit jedem Tag an dem das Kopfschütteln andauert, schwindet aber auch der Rückhalt in der Bevölkerung.
Genau davor warnt auch Le Soir. Das anhaltende Kommunikationschaos sorgt dafür, dass das Vertrauen der Bürger in die Behörden regelrecht unterminiert wird. Und damit bekommen auch die Corona-Leugner in Belgien Zulauf. In Deutschland hatten ja am vergangenen Wochenende 20.000 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen protestiert. Viele von ihnen glauben, dass es das Coronavirus gar nicht gibt. Bislang war dieses Phänomen hierzulande noch eine Randerscheinung. Wenn das Durcheinander andauert, dann könnten solche Tendenzen aber auch in Belgien stärker werden. Für die Volksgesundheit wäre das mindestens kontraproduktiv.
Roger Pint