"Mundschutzmasken jetzt doch in Geschäften vorgeschrieben", titelt De Standaard. "Ab morgen sind Mundmasken Pflicht – im Geschäft, Museum, Kino, in der Kirche, im Theater…", führt Het Nieuwsblad auf Seite eins aus. "Alle maskiert in den Geschäften ab Samstag", so die Überschrift bei Le Soir.
Der Konzertierungsausschuss hat am späten Abend überraschend eine Ausweitung der Maskenpflicht auf eine Vielzahl belebter Orte beschlossen. Eigentlich war geplant gewesen, dass das Thema erst nächsten Mittwoch auf dem Tisch des Nationalen Sicherheitsrates liegen sollte.
"Endlich!", kommentiert La Libre Belgique die Entscheidung. Je klarer eine Verhaltensmaßregel ist, desto mehr wird sie befolgt. In einer idealen Welt würde man auf die Selbstdisziplin der Menschen setzen, aber wir Westeuropäer neigen nicht dazu, uns allgemeinen Regeln zu unterwerfen. Zu Beginn der Epidemie waren Masken in Belgien Mangelware – und sehr teuer. Man kann also Verständnis aufbringen dafür, dass es damals keine Maskenpflicht gab. Inzwischen hat sich die Situation aber grundlegend geändert. Die jetzt beschlossene Maßnahme war nötig, um einen zweiten Lockdown zu verhindern. Und um die Bevölkerung eindringlich daran zu erinnern, dass das Coronavirus nach wie vor da ist und man sich überall möglichst gut davor schützen muss, hält La Libre Belgique fest.
Längst überfällig
Auch für De Morgen war das ein längst überfälliger Beschluss. Es ist mehr als klar, dass wir das Virus noch lange nicht los sind. In Europa gibt es mehrere Infektionsherde und auch in Belgien steigen die Zahlen wieder leicht. Die Gefahr einer zweiten Welle ist real. Es gibt zwar Dutzende von Möglichkeiten, um das Risiko eines Wiederaufflammens der Pandemie zu vermeiden, aber eine Mundschutzmaske zu tragen, ist vermutlich die billigste, einfachste und zielführendste.
Eigentlich sollte die jetzt getroffene Entscheidung ja erst am Mittwoch fallen, aber es ließ sich dann doch kein triftiger Grund mehr für die Verzögerung finden. Letztlich geht es hier um den Schutz jedes Einzelnen und um die Vermeidung unnötigen Leids – und das ist die Basis dessen, was eine erwachsene Demokratie den eigenen Bürgern bieten muss, meint De Morgen.
Nicht weiter auf einen bereits am Boden Liegenden eintreten
Die Entscheidung, das Tragen von Masken zur Pflicht zu machen, kam sicher nicht zu früh, schreibt auch Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Vielleicht sind wir sogar schon etwas zu spät dran, die positiven Trends beginnen ja auch hierzulande schon zu wackeln. Angesichts des fortschreitenden Wissensstands über den Nutzen von Masken wäre es schlicht ein Zeichen von Ignoranz gewesen, noch weiter an lediglich "starken Empfehlungen" festzuhalten. Um eine zweite Welle zu verhindern, brauchen wir glasklare Regeln, sonst nimmt es der Belgier mit deren Einhaltung nicht so genau. Und das Problem der Umsetzung und Kontrolle, das muss jetzt die Politik lösen, erinnert Het Nieuwsblad.
Dieser große Kurswechsel im Corona-Krisenmanagement sollte uns aber nicht verunsichern, so La Dernière Heure. Er sollte uns vielmehr beruhigen. Denn das Tragen einer Maske macht deutlich, dass wir uns verantwortungsvoll verhalten. Das Bekenntnis zur Maskenpflicht mag zu spät sein, zu streng ist die Maßnahme aber mit Sicherheit nicht. Und ja, die Masken-Saga in Belgien war abenteuerlich und endete vor allem damit, dass sich die Bürger selbst mit Nähzeug und Stoff bewaffnen mussten. Aber man sollte jetzt auch nicht weiter auf einen bereits am Boden Liegenden eintreten und einfach zugeben: Besser eine späte Einsicht als in Schwammigkeit und Laxismus zu verharren, findet La Dernière Heure.
Die Wachsamkeit garantieren
Het Laatste Nieuws beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit der Rolle, die die Gesundheitsexperten während der Corona-Krise im Land gespielt haben. Schienen sie zu Beginn vor allem treue Trabanten der Regierung zu sein, entpuppen sie sich inzwischen mehr und mehr als gewandte Oppositionsmitglieder. Und das ist gut so! Wir scheinen nämlich eingelullt, ja vom Virus angeödet zu sein inzwischen. Nach einem Frühling im Lockdown wollen wir – und die Politiker – eigentlich nur einen ruhigen Sommer. Aber Marc Van Ranst, Erika Vlieghe, Steven Van Gucht und Co. treiben seit Wochen die Regierung und Behörden quasi vor sich her mit ihren Warnungen. Und sie haben es geschafft, genug öffentlichen Druck aufzubauen, dass die politisch Verantwortlichen am Ende einknickten und doch strengere oder überhaupt Maßnahmen beschlossen haben – Stichwort Masken, Stichwort Vorbereitung auf eine zweite Welle, Stichwort Urlaubsrückkehrer.
Sicher, unsere Virologen sind auch nicht ohne ihre Sünden. Aber sie sorgen dafür, dass wir aufmerksam und wachsam bleiben, während wir drohen, still und heimlich in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Hoffen wir also, dass unsere Experten weiterhin an ihrer therapeutischen Hartnäckigkeit festhalten werden. Und dass sie treue Trabanten der Volksgesundheit und nicht des Ministeriums für Volksgesundheit bleiben. Ansonsten droht unser nationales Credo "Too little, too late", zu wenig, zu spät, nämlich immer lauter zu erklingen, warnt Het Laatste Nieuws.
Boris Schmidt