"Schulbeginn!", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. "Unterricht schrittweise wieder aufgenommen", lautet die Überschrift beim GrenzEcho. "Endlich zurück in die Schule – zwischen Leidenschaft und Furcht", so die Schlagzeile von La Libre Belgique auf ihrer Titelseite.
Heute beginnt ja vielerorts zumindest teilweise wieder der Unterricht in den Schulen. Das als eine der Maßnahmen von Phase zwei der Aufhebung der Corona-Beschränkungen.
Für La Dernière Heure hat das Ganze etwas von verkehrter Welt: Normalerweise widerstrebt es den Kindern etwas, nach den Ferien wieder zur Schule zu gehen. Und die Eltern sind oft erleichtert, dass ihr Nachwuchs wieder zum Unterricht muss. Nur, dass die vergangenen zwei Monate keine Ferien waren. Und sicher auch keine Erholung. Jetzt sind die Kinder für einmal die, die ein bisschen ungeduldig darauf warten. Für die Eltern ist es hingegen eine ganz andere Geschichte: Bei ihnen herrscht Unsicherheit bis hin zu Unverständnis, dass die Kinder wieder in die Schulen sollen. Das geht so weit, dass einige darüber nachdenken, ihre Kinder zu Hause zu lassen, weil sie keine pädagogische oder psychologische Notwendigkeit gegeben sehen. Die Abwesenheitsquoten werden rekordverdächtig sein, ist La Dernière Heure überzeugt.
Vertrauen statt Ängste
Bei diesem Schulbeginn handelt es sich nicht um eine echte Wiederaufnahme des Unterrichts, meint La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Es geht nicht darum, sich Wissen anzueignen, Fortschritte zu verifizieren oder zu bestätigen. Die Rückkehr in die Schulen ist hochsymbolisch – und essentiell für die Kinder und Jugendlichen. Seit zwei Monaten sind sie zu Hause eingesperrt, ihre einzigen Kontakte die anderen Familienmitglieder. Die Schule gibt ihnen die Möglichkeit, die wichtige soziale Sphäre der Familie zu ergänzen und auch mal Luft zu schnappen. Sie ist ein Ort des Lebens, der Begegnungen, der Herausforderungen, der Konflikte, der Freundschaft, der Liebe. Man lernt dort nicht nur Wissen, sondern auch Leben. Wenn die Eltern und Großeltern die Architekten unseres Lebens sind, dann sind die Lehrer die Leuchttürme.
Lasst uns deshalb nicht unsere Ängste auf die Kinder übertragen, schenken wir ihnen stattdessen Vertrauen in sich selbst – und in die Zukunft. Sie werden lernen müssen, mit ihrem neuen Begleiter, dem Virus, zu leben, erinnert La Libre Belgique.
Jetzt ist die Reihe an den Lehrern, die Helden des Alltags zu sein, würdigt Le Soir diejenigen, die alles dafür tun, um einen sicheren Unterricht zu ermöglichen. Tag und Nacht haben sie daran gearbeitet, unter erschwerten Bedingungen. Maskenmangel, oft schlechte Infrastruktur, Corona-Schutzmaßnahmen, die jeglicher pädagogischer Methodik widersprechen. Und die Lehrer kommen jetzt auch nicht aus zwei Monaten erholsamem Urlaub zurück. Es war eine seltsame, ermüdende Zeit des Fernunterrichts und der Fern-Präsenz. Und selbst wenn der Schulbeginn jetzt nur partiell ist – er muss stattfinden. Weil er zur Wiederherstellung der so notwendigen sozialen Bindungen beiträgt. Und weil das jetzt die Generalprobe für den echten Schulbeginn im September ist, betont Le Soir.
Vorwärts, nicht zurück
Neben all den negativen Folgen kann man auch einige positive Lehren aus der Corona-Krise ziehen, glaubt Gazet van Antwerpen. Viele Menschen scheinen sogar froh zu sein, dass sie mal auf den Pausenknopf drücken, mal Atem schöpfen konnten. Sowohl beruflich, als auch sozial. Das soll jetzt sicher kein Plädoyer dafür sein, regelmäßig Lockdowns zu organisieren. Aber wir können vielleicht doch den Schluss ziehen, dass ruhiger und anders leben und arbeiten nicht bedeuten muss, sich außerhalb der Gesellschaft zu positionieren. Viele Menschen scheinen sich vorgenommen zu haben, in Zukunft auch mal weniger zu machen – in der Arbeit und auch im Privatleben. Was von diesen Vorsätzen in einem Jahr aber noch übrig sein wird, weiß natürlich niemand, so Gazet van Antwerpen.
Het Nieuwsblad betrachtet die Krise als einmalige Gelegenheit, um die jetzt aufgedeckten Schwachstellen und Defizite anzugehen. Wir können nach Lösungen suchen für die heutigen Herausforderungen, damit wir, falls sich dieses Unheil wiederholen sollte, vorbereitet sind. Das muss auf allen Ebenen geschehen. Jetzt ist der Augenblick, um eine kühne Zukunftsvision zu entwickeln. Wenn uns die Pandemie eines gezeigt hat, dann, dass die Situation vor der Krise sicher nicht ideal war. Die Richtung darf folglich auch nicht heißen, zurück in die Vergangenheit, sondern vorwärts, zu einem anderen und besseren Leben, wünscht sich Het Nieuwsblad.
Zusammenarbeit statt Grenzschließungen
"Die Grenzen öffnen – sofort!", fordert derweil der ostbelgische EU-Abgeordnete Pascal Arimont von der EVP/CSP in einem Gastkommentar im GrenzEcho. Die Grenzschließungen sind nicht mehr verhältnismäßig. Sie sind gefährlich, tragen zur Spaltung und zu neuen Ressentiments gegen Menschen auf der anderen Seite der Grenzen bei. Außerdem treiben sie Familien auseinander, die teilweise nur wenige Kilometer voneinander entfernt leben.
Damit muss jetzt Schluss sein. Einen Virus hält man nicht auf, indem man Grenzen schließt, sondern indem man zusammenarbeitet – über die Grenzen hinweg, so der Kommentar im GrenzEcho.
Boris Schmidt