"Generalprobe gelungen", schreibt Het Nieuwsblad. "Bis zu 300.000 Arbeitnehmer machen sich wieder an die Arbeit", titelt heute De Tijd. Die nicht lebensnotwendigen Geschäftsbetriebe haben gestern nach wochenlangem Stillstand ihre Arbeit wieder aufgenommen. Und die Zeitungen ziehen heute größtenteils Bilanz des gestrigen ersten Tages des Ausstiegs aus dem Lockdown, der sogenannten Phase 1A. Und der sei ohne große Zwischenfälle gut verlaufen, berichtet die Wirtschaftszeitung De Tijd.
In dem Leitartikel schreibt De Tijd: Der Neustart ist nach sieben Wochen sehr vorsichtig angelaufen. Der Motor ist gestartet, der erste Gang eingelegt. Der Arbeitgeberverband rechnet damit, das Ende Mai 80 Prozent der Wirtschaft wieder drehen wird.
Das sind keine schlechten Aussichten. Aber das sind noch vier Wochen. Wichtig für die Produktionsbetriebe ist, dass kommenden Montag der zweite Gang eingelegt wird. Und dass die Geschäfte wieder öffnen. Denn die Fabriken können nur laufen, wenn ihre Produkte auch verkauft werden.
Es ist der Verbraucher, der der Wirtschaft einen wichtigen Impuls geben muss. Er muss bereit sein, sein Portemonnaie zu öffnen. Aber, dass viele Menschen das tun werden, ist zweifelhaft. Notwendige Dinge ja, aber alles andere? Der Konsument muss seine Angst überwinden. Und erneut Vertrauen gewinnen. Das Zweite ist problematischer als das Erste.
Ein langer und mühsamer Weg
Auch De Standaard mahnt vor allzu viel Optimismus: Wie vorsichtig der Neustart der Wirtschaft gestern auch war, er war spürbar. Spürbar in vielen kleinen Dingen. Mehr Autos auf der Straße, mehr Lärm auf den Baustellen, Kunden, die beim Immobilienmakler klingeln, das Geschäft, das seine Türen wieder öffnet, der Lieferwagen, der immer noch routiniert in der zweiten Reihe hält, jetzt aber jemand anderen damit behindert.
Die Wiederaufnahme der Betriebsamkeit ist ein Zeichen der Hoffnung. Es passiert wieder etwas. Aber es ist eine Doppelbotschaft. Denn der Aufschwung steht in keinem Verhältnis zur neurotischen Atmosphäre, die wir gelernt haben, als normal zu empfinden.
Jetzt, da ein Anfang gemacht wurde, Normalität wieder herzustellen, wird auch deutlich, wie lang und mühsam der Weg dahin sein wird. In mancherlei Hinsicht ist das frühere Normal sogar ein unerfüllbarer Traum geworden. Die größte Herausforderung wird sein, die zarte Hoffnung zu bewahren, auch wenn der Trümmerhaufen, den wir aus dem Weg räumen müssen, langsam sichtbar wird.
Das Leben ist ein Fluss
Het Belang van Limburg blickt ebenfalls nach vorne und fragt sich: Werden wir durch diese Krise anders leben, uns anders verhalten, unsere Wirtschaft anders organisieren? Wer das jetzt behauptet, tut das oft aus seinem eigenen ideologischen Hintergrund heraus. Aus dem Begreifen, dass es bislang nicht gelungen ist, die Gesellschaft in die gewünschte Richtung zu verändern, wird das Virus als Chance ergriffen, die eigene Agenda durchzudrücken.
Doch wie gutgemeint das oft auch ist, der Wunsch ist da viel mehr der Vater des Gedanken, als eine korrekte Einschätzung der Zukunft. Wenn das menschliche Verhalten uns eins zeigt, dann, dass es ausgesprochen robust ist. Wie ein Fluss, der Tausende von Jahren braucht, um sein Flussbett zu formen, ändern wir unser Verhalten auch nicht von heute auf Morgen.
Auf Distanz und mit Maske
Für L’Avenir wird es ein langer Reifeprozess werden: Wir dürfen heute nicht erwarten, dass es ein Leben "danach" geben wird, sondern müssen uns an ein Leben "mit" gewöhnen. Ein Leben unter Beobachtung, das immer mehr existenzielle Fragen aufwirft.
Doch hinter all diesen Fragen von Arbeit, Einkommen, Familie und Ferien tauchen noch weitere Sorgen auf. Wie lange wird das noch dauern? Werden wir eines Tages wieder das Leben führen könne, wie wir es in der Vergangenheit gekannt haben? Was glauben, wem vertrauen?
In Wirklichkeit weiß niemand eine Antwort darauf. Mental findet da ein Abgleiten statt. Wenn wir das Coronavirus-Kapitel nicht zuschlagen können, dann müssen wir mit ihm leben. Versuchen normal zu leben, aber auf Distanz und mit Maske.
Der Glaube versetzt Berge
La Libre Belgique gibt die Hoffnung nicht auf: Wir wollen unser vorheriges Leben zurück, Hand in Hand, Haut auf Haut, umarmend, morgendliche Streicheleinheiten, abendliche Seufzer. Wir waren glücklich, wussten es nur nicht.
Das Härteste ist die Abwesenheit des Anderen. Wir mussten lernen, auf unsere Freunde und Freundinnen zu verzichten, obwohl es im Leben auf diese Kontakte ankommt. Diese Distanz tut weh.
Aber Geduld: Die Stärke des Menschen ist, seine Fähigkeit wieder aufzustehen, aus den Prüfungen neue Kraft zu schöpfen. Und sich neu zu erfinden. Es gab schon dunklere Nächte, Wir sind schon aus so manchem Nebel der Geschichte wieder herausgekommen. Man muss nur daran glauben.
Volker Krings