Die Wiedereröffnung der Gartencenter und Baumärkte: Holterdiepolter-Arbeit, titelt kritisch Het Belang van Limburg. Der Nationale Sicherheitsrat hatte am Mittwoch beschlossen, dass Gartencenter und Baumärkte wieder öffnen dürfen. Und das wird schon heute passieren. Nur wusste bis Freitagabend niemand, welche Geschäfte im Einzelnen gemeint waren. Die Branchenverbände übten denn auch scharfe Kritik an der offensichtlich überstürzten Maßnahme. Damit endet also eine Woche, die für die Politik doch besser hätte sein können, sind sich viele Zeitungen einig. "Sophie Wilmès: Der état de grâce, der Zustand der Gnade, ist vorbei", schreibt etwa L'Echo.
Und genau das kann auch nur L'Avenir in seinem Leitartikel feststellen: "Alles hat ein Ende", meint das Blatt. Im vorliegenden Fall gilt das für das bislang doch eher einstimmige Lob an die Adresse von Premierministerin Sophie Wilmès. Am Anfang der Krise wurde sie noch auf Händen getragen. Sie war die richtige Frau am richtigen Platz; alle standen wie ein Mann hinter dieser Frau. Das ist vorbei. Vor allem im Norden des Landes wirft man Sophie Wilmès Führungsschwäche und einen Mangel an Charisma vor. Und, dass sie sich allzu sehr hinter den Gesundheitsexperten versteckt. Und dann reicht ein Vorfall, um dafür zu sorgen, dass die schöne Einhelligkeit definitiv in Rauch aufgeht. Gemeint ist die Polemik um das eingeschränkte Besuchsrecht in Alten- und Pflegeheimen. Allein dieser Fieberschub ist genug, um zu dem Schluss zu kommen: Diese Notregierung sollte gleich nach der Krise auch zu einem Ende kommen.
Erst breites Grinsen, dann der Dolch in den Rücken
La Dernière Heure sieht das ähnlich: "Frohes Gärtnern, frohes Basteln!", wünscht das Blatt sarkastisch. An diesem Wochenende kann man jedenfalls versuchen, die letzten Tage schleunigst zu vergessen. Vor allem die Saga um die Altenheime. Am Mittwoch saßen noch alle Ministerpräsidenten breit grinsend an der Seite von Sophie Wilmès. Um ihr dann einige Stunden später den Dolch in den Rücken zu rammen. Da kann man sich nur fragen: Wie soll das weitergehen? Wie soll man denn die Ausgangsbeschränkungen in diesem Land aufheben, wenn das gleich bei den ersten kleinen Lockerungen schon so abläuft? Und an diesem Wochenende werden wohl Tausende Belgier plötzlich ihren grünen Daumen entdecken und in Scharen in Richtung der Gartencenter aufbrechen. Und dabei vergessen, dass die Botschaft eigentlich immer noch lautet: Bleibt zuhause!
"Wir sollten jetzt nicht auch noch den Neustart vergeigen!", mahnt auch La Libre Belgique. Es reichte ja schon, dass Belgien überhaupt nicht vorbereitet war auf die Corona-Krise. Alle strategischen Materialreserven waren leer. Gut, daran kann man nichts mehr ändern. Man kann aber dafür sorgen, dass jetzt die Lockerung der Ausgangsbeschränkungen wenigstens glatt abläuft. Und das steht und fällt mit einer guten Vorbereitung, vor allem aber mit der Möglichkeit, in der Breite testen zu können. Ohne diese Möglichkeit droht ein menschlicher, sozialer und wirtschaftlicher Albtraum ohne Ende...
Die Adressatin all dieser Empfehlungen und Kritik, das ist wohl in erster Linie Premierministerin Sophie Wilmès. Der Samstag, das ist ja der Tag der langen politischen Interviews. De Standaard und Le Soir haben mit der Premierministerin gesprochen. "Die Einigkeit ist sehr fragil", räumt Sophie Wilmès in De Standaard ein. "Wir haben aber nie eine Bevölkerungsgruppe ausschließen wollen", sagt Wilmès auf Seite eins von Le Soir. In beiden Interviews gibt sich die MR-Politikerin ebenso bescheiden wie besonnen. "In der Öffentlichkeit zu punkten, das ist nicht meine Priorität", sagt sie in De Standaard.
Wer soll das bezahlen?
Viele blicken jetzt schon auf das Ende der kommenden Woche. Am Freitag soll der Nationale Sicherheitsrat erste Aspekte einer Exit-Strategie skizzieren. "Wird unsere Welt nach der Krise eine andere sein?"; diese Frage hört man im Augenblick häufig. "Die meisten Träume sind Betrug", meint aber ziemlich ernüchternd Het Laatste Nieuws. Es gibt Leute, die glauben, dass wir jetzt die historische Gelegenheit haben, unsere Gesellschaften fundamental neu aufzustellen. Vor allem die linken Parteien träumen von einer sozialeren, einer grüneren, einer gerechteren Welt. Mit starker Solidarität und einem starken Staat. In dem dann Schluss sein muss mit Sparmaßnahmen, insbesondere im Gesundheitssektor. Mit Verlaub, aber wer soll das bezahlen? Belgien stand schon vor der Krise vor einem abgrundtiefen Haushaltsloch. An Reformen und Sparmaßnahmen wird kein Weg vorbeiführen, Corona hin oder her.
Nostalgiker, Utopisten und Unglückspropheten
"Wie lange wird es dauern?", so die bange Frage von De Standaard. Es gibt Forscher, die nicht ausschließen wollen, dass die Wirtschaft nach der Krise quasi "von Null auf Hundert" durchstarten kann. Schließlich ist das Land ja nicht kaputtgebombt worden. Alles ist lediglich auf Standby. Man kann nur hoffen, Sicherheiten gibt es in dieser beispiellosen Lage keine. Es ist wie das Pfeifen im dunklen Keller und wir werden noch lange pfeifen müssen...
De Morgen sieht das Ganze eher aus der Beobachterperspektive: Einerseits gibt es die Nostalgiker, die glauben, dass wir nach der Krise exakt so weiter machen werden wie vorher. Und dann gibt es diejenigen, die eine Schubumkehr vorhersagen. Für die Utopisten wird das Resultat eine "bessere" Welt sein. Unglückspropheten glauben ihrerseits, dass wir danach in ständiger Angst leben müssen und unsere Wirtschaft nie wieder auf Touren kommen wird. Das alles sind bislang nicht mehr als Gedankenspiele. Aber eines muss jetzt schon klar sein: Der Gesundheits- und der Pflegesektor werden nach der Krise besonders im Fokus stehen müssen. Hoffentlich ist das die Lehre, die die Nostalgiker, Utopisten und Unglückspropheten gleichermaßen aus dieser Krise ziehen werden.
"In jedem Fall wird der Mensch im Mittelpunkt stehen müssen", mahnt Le Soir. An diesem Samstag erleben elf Millionen Belgier ihren 31. Tag mit Kontaktbeschränkungen. 31 Tage, mit ihrer Müdigkeit, mit ihrer Resignation, mit einem Gefühl von: "Es reicht!", mit ihren Ängsten, ihren Dramen, ihren Hoffnungen. Und niemand, absolut niemand weiß, wie wir aus dieser bekloppten Krise wieder herauskommen sollen. Doch muss man bei allen Entscheidungen immer zuallererst an die Bürger denken und sie auch in die Debatte miteinbeziehen. Was allerdings auch bedeutet, dass eben diese Bürger auch nicht nur ihre Eigeninteressen vor Augen haben dürfen. Das alles setzt aber auch noch eine andere Tugend voraus: Geduld...
Roger Pint
Die Folgekosten der Coronakrise wird die politische Debatte demnächst bestimmen. Und dann ist Schluss mit lustig bzw. mit der krisenbedingten Einigkeit. Dann kommen die Geister der Vergangenheit zurück d.h. links gegen rechts, Flamen gegen Wallonen, Magnete gegen de Wever. Eben dasselbe erbärmliche Affentheater wie vor Corona. Es darf dann gelacht und geweint werden. Schließlich sind wir in Belgien, dem Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten.
Es wäre wünschenswert, wenn die politisch Verantwortlichen, sich mal ausnahmsweise wie Erwachsene benehmen und sich auf eine abschließende Staatsreform einigen würden mit klarer Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Ebenen. Aber bitte zum Wohl von Land und Leuten. Nicht wie jetzt mit 9 (!) Gesundheitsministern und einer balkanisierten Kompetenzaufteilung bei der selbst Experten den Überblick verloren haben.
Wir als Deutschsprachige Minderheit dürfen ja wieder mal das Vergnügen erleben eine Föderalregierung zu haben, die abgewählt und doch regierend alles treibt um Menschen gegeneinander auszuspielen durch unilaterale Grenzkontrollen gegen drei Nachbarländer plus Einkaufsverboten, die an die Besatzungszeit erinnern und momentan u.a. bei den Luxemburgpendlern gute Stimmung Richtung "Brüsseler Preuss" verbreiten.
Die meisten von uns waren wohl eher zufrieden mit der politischen Situation im Föderalen Königreich als Flamen und Wallonen ganz normal mit einander beschäftigt waren haben so dass das Privatleben der Menschen in der DG ohne Beamtenbeschlüsse der "Preussischen" Föderalregierung aus Brüssel bestens funktioniert hat, die Menschen frei waren von Einschränkungen in ihre Persönlichkeitsrechte.