"Keine Aufhebung der Quarantäne vor dem 4. Mai" titelt La Libre Belgique. "Mehr Chaos statt Deutlichkeit" schreibt De Morgen. Und auf Seite 1 von De Tijd steht: "Anpassung der Corona-Regeln unter Beschuss"
Wir müssen uns damit abfinden, und unseren Ärger herunterschlucken, schreibt Le Soir. Versammlungen bleiben verboten, die Regeln des Social Distancing sind angebrachter denn je, das Leben spielt sich im Wesentlichen drinnen ab. Bis auf die erwähnenswerte Ausnahme der Wiedereröffnung der Gartencenter und Baumärkte unter Auflagen, ist eine ganze Gesellschaft weitere zwei Wochen in Pause. Denn reduzierte Mobilität ist nach Meinung aller Experten eben immer noch die beste Verteidigung gegen das Coronavirus.
Alles andere bleibt aber absolut undeutlich. Die Schulen wissen immer noch nicht, wann sie wieder öffnen können. Die Studenten an den Hochschulen und einigen Universitäten bleiben in Bezug auf die Jahresendprüfungen weiterhin im Ungewissen. Die Festivals sind bis zum 31. August verboten, aber ob die Landwirtschaftsmesse in Libramont oder andere Großveranstaltungen auch von dem Verbot betroffen sind, weiß man nicht. Und die Atemschutzmasken werden nützlich sein, wenn der Ausstieg aus der Quarantäne kommt, aber abhängig davon, wenn die Hygieneregeln beachtet werden. Aber sonst? All das hat irgendwie den Beigeschmack von zu wenig.
Klarheit erforderlich
Ähnlich sieht es auch L’Echo. Die Versammlung des Nationalen Sicherheitsrats gestern hätte uns eigentlich verdeutlichen müssen, wie Belgiens Exit-Strategie aussieht. Über die erwartete Verlängerung der Einschränkungen hinaus hätten Perspektiven eröffnet werden müssen, so wie es andere Länder in Europa tun. Das ist umso wichtiger, da der Erfolg eines schrittweisen Ausstiegs aus der Krise auch von der Akzeptanz der Maßnahmen abhängt. Aber alles hängt weiter in der Schwebe. Aus Vorsicht? Aus Mangel an Vorbereitung? Wahrscheinlich ein bisschen von beidem. Es braucht dringend Klarheit, mehr Perspektiven, damit die Belgier ihre Kraftanstrengungen fortsetzen.
Haltbarkeitsdatum begrenzt
Het Nieuwsblad stellt fest: Das Haltbarkeitsdatum dieses Lockdowns ist begrenzt. Das müssen auch die politisch Verantwortlichen begreifen. In der Landvilla mit Schwimmbad kann man das einen Sommer lang durchhalten, bis sich im Herbst oder Winter sowieso jeder wieder einschließt. In den Ortskernen hingegen nicht, und in den Zentrumsstädten erst recht nicht. Dann kocht es über, und die Regeln werden nicht mehr befolgt. Nach dem notwendigen Fokus auf die Krankenhäuser und die Alten- und Pflegeheime muss eine Phase kommen, in der man sich mit der gleichen Sorge um die mentale Widerstandskraft der Bevölkerung kümmert. Uns mit einem Pott Farbe, Hammer und Meißel sinnvoll zu beschäftigen wird auch keine Ewigkeit anhalten. Rendez-Vous ist am 3. Mai. Dann muss die Notregierung die Tatkraft unter Beweis stellen, die sie noch nicht hat.
Zukunftsvision vage
De Morgen erwartet ebenfalls mehr von der Regierung: Wir wissen nicht, was das Coronavirus noch in petto hat. Wir wissen nur, dass wir vor einer historischen Herausforderung stehen, um den Schaden zu begrenzen. Die Frage ist nur: Sind wir dazu bereit? Premierministerin Wilmès gelingt es noch nicht, darauf eine klare Antwort zu formulieren. Pressekonferenzen werden abgehalten im Überlebensmodus. Die samstäglichen Versammlungen des Superkerns sind Schattenspiele. Wilmès' Zukunftsvision bleibt vage. Das muss sich ändern. Dringend.
Het Belang van Limburg ist da etwas gnädiger: Wilmès' Pressekonferenz gestern Abend war nüchtern, aber deutlich. Dass Wilmès diese Krise nicht missbraucht, ist beruhigend. Sie ist schlussendlich die Premierministerin einer Vollmachtsregierung. Sie muss sowieso für alles die Zustimmung einholen. Würde sie während der stundenlangen Corona-Versammlungen die Primadonna heraushängen lassen, würden die anderen sie daran erinnern. So funktioniert Politik nun einmal. Krisenzeiten hin oder her.
Fokus verschoben
De Standard hingegen macht sich andere Sorgen: Der Fokus in der Bekämpfung der Krise hat sich beinahe unbemerkt verschoben. Von der Eindämmung des Virus zum Neustart des Zusammenlebens und der Wirtschaft. Das ist zugleich aufmunternd wie beunruhigend. Aufmunternd, weil so etwas wie eine Perspektive entsteht, und eine allmählich konkreter werdende Hoffnung auf eine Rückkehr zu einer Form der Normalität. Beunruhigend, weil es noch reichlich früh erscheint, das neue Zeitalter anzukündigen, während die Gefahr nach lange nicht gewichen ist. Vor einem Monat war es noch klar. Gesundheit steht über allem. Heute scheint es fast wie ein Tauschhandel. Wieviel ist uns ein Neustart wert, mal in Coronatoten gezählt? Wenn der Kampf gegen das Virus ein Krieg ist, dann einer, in dem der Gewinner erst viel später feststeht. Erst dann wird sich herausstellen, wie viele Leben wir bereit waren zu opfern, und vor allem wofür?
Volker Krings