"Aufhebung der Ausgangssperre – Die Stunde der Entscheidungen" titelt Le Soir. "Was vom Nationalen Sicherheitsrat heute zu erwarten ist" schreibt La Libre Belgique. Und das GrenzEcho prophezeit: "Ausgangssperre vor Verlängerung".
Ein Großteil der belgischen Presse widmet sich heute dem Nationalen Sicherheitsrat. Vertreter der Föderalregierung und der Regierungen der Teilstaaten kommen heute Nachmittag zusammen, um über die weitere Vorgehensweise in der Coronakrise zu beraten und zu entscheiden. Der wohl wichtigste Tagesordnungspunkt: Wird die Ausgangssperre verlängert? Und wenn ja, bis wann?
Dilemma
Le Soir sieht den Nationalen Sicherheitsrat in einem Dilemma zwischen Gesundheit und Wirtschaft: Das ist der schmale Grat, auf dem er sich bewegen muss, so die Zeitung. Zwischen dem Gebot der Gesundheit und der absoluten Notwendigkeit, ein soziales Drama ungesehenen Ausmaßes zu vermeiden. Was auch passiert, die heutige Entscheidung wird kritisiert. Die Vertreter des Prinzips der medizinischen Vorsorge über allem, und die eines wirtschaftlichen Realismus haben zwar gegensätzliche aber jeweils vertretbare Argumente. In diesem Kontext bleibt dem Nationalen Sicherheitsrat nur die Option eines salomonischen Urteils, basierend auf so viel unbestreitbaren Fakten wie möglich. Und die beste Art und Weise zu entscheiden, ist in diesem Fall, alle ideologische Kampfeslust zu dämpfen, und die Entscheidung nur auf die Feststellungen der Experten zu begründen, medizinisch und wirtschaftlich. Man weiß, dass es derzeit zum guten Ton gehört, diese Experten zu kritisieren. Doch in solchen Momenten, sollte man sich daran erinnern, dass ein Facebook-Account nicht reicht, um auch einen aufgeklärten Ratschlag abgeben zu können.
Klarheit
L’Avenir erwartet von Premierministerin Wilmès vor allem eins: Klarheit. Auch wenn man davon ausgehen darf, dass der nationale Sicherheitsrat die Zügel nicht lockern wird, der anschließende Vortrag der Premierministerin wird nichtsdestotrotz mit Spannung erwartet. Denn mit der Häufung der Meinungen und Ratschläge ist auch die Verwirrung gestiegen. Die Belgier haben wie alle anderen Völker auch, das Bedürfnis und auch das Recht zu wissen. In diesem Stadium der Pandemie braucht es zum einen Klarheit in den Entscheidungen und Transparenz in den Begründungen. Es ist wichtig, dass Epidemiologen täglich die Zahlen kommentieren und die Bevölkerung ermutigen. Aber es ist auch unverzichtbar, eine politische Stimme zu hören, die diese Informationen sortiert, den Kurs festlegt, und vor allem, die Verantwortung übernimmt.
Verantwortung
Het Belang van Limburg sieht das ähnlich: Machen wir uns keine Illusionen. Bis auf einige kleine Korrekturen, wird die Ausgangsperre bis zum 3. Mai verlängert. Auch in den kommenden zwei Wochen werden die Bürger zu Hause bleiben müssen, Home-Office wird, soweit möglich, die Norm bleiben, Schüler und Lehrer werden sich nur online begegnen, Inhaber von nicht lebensnotwendigen Geschäften, Cafés und Restaurants müssen ihre Türe weiter geschlossen halten, und die meisten Sommer-Events werden absagen müssen. Aber wenn das Land, am 4. Mai, 18.Mai, oder noch später seine Exitstrategie abwickelt, dann muss jede Maßnahme sitzen. Andernfalls müssen wir, wie beim Monopoly, wieder zurück auf Los. Es ist eine heikle Übung, die große politische Verantwortung verlangt.
Fangnetz
De Tijd schaut auf die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise: 100.000 Belgier könnten ihren Arbeitsplatz verlieren, so die Schlagzeile auf ihrer Titelseite, und beruft sich dabei auf Berechnungen des Internationalen Währungsfonds. Das sind harte Zahlen, so De Tijd in ihrem Leitartikel. Sie weisen auf den Trümmerhaufen, den die Coronakrise in den Betrieben anrichten wird. Einige werden zwangsläufig in die Pleite getrieben, viele werden gezwungen sein, umzustrukturieren, um zu überleben. Nein, das ist keine kleine Grippe, von der sich die Wirtschaft schnell erholen wird. Belgien hat glücklicherweise ein gutes System der Arbeitslosenversicherung. Es bietet ein finanzielles Fangnetz, für alle, die plötzlich ohne Arbeitseinkommen dastehen. Es lindert den Schmerz einigermaßen. So ein Fangnetz gibt es nicht in allen Ländern, merkte auch der Internationale Währungsfonds gestern an. Aber dieses System ist teuer für den Staat. Die Arbeitslosen so schnell wie möglich wieder in Arbeit zu bringen, ist deshalb eine der wichtigsten Prioritäten für die Zeit nach der Krise.
Kreativität und Mut
De Morgen beschäftigt sich ebenfalls mit diesen Fragen: Die gute Nachricht ist, dass eine wirtschaftliche Erholung schnell kommen kann. Aber selbst dann, wird die Krise tiefe Spuren in den Betrieben und Familien hinterlassen. Es ist dann auch, und das darf auch mal gesagt werden, beruhigend zu wissen, dass Regierungen, so wie die unsere, größtenteils das Richtige tun, um die schlimmsten wirtschaftlichsten Schocks zu dämpfen. Das System der zeitweiligen Arbeitslosigkeit ist ein wichtiges Fangnetz. Die Vereinbarung mit den Banken, dass sie Betriebe unterstützen, ist das genauso. Aber das ist noch nicht einmal die halbe Miete. Um die Wiederbelebung möglich zu machen, ist mehr Kreativität und Mut notwendig. Zur Tagesordnung überzugehen ist keine Option.
Volker Krings