"Mehr Patienten aus den Krankenhäusern raus, als rein", titelt am Montag Gazet van Antwerpen. "Dank der Disziplin der Belgier sind Krankenhäuser nicht überlaufen", schreibt De Morgen. Und Le Soir schaut schon nach vorne: "Das Ende der Quarantäne: ein Szenario, über das nachgedacht werden muss."
Es war am Sonntag eine Premiere und ein zwar kleiner, aber symbolischer Wendepunkt in der Corona-Krise: 499 Corona-Patienten wurden in den 24 Stunden zuvor in den belgischen Krankenhäusern aufgenommen, aber 504 konnten das Krankenhaus wieder verlassen.
De Standaard drückt aber auf die Euphorie-Bremse. Die Corona-Gefahr wird erst dann gebannt sein, wenn es einen Impfstoff gibt. Bis dahin muss die richtige Balance gefunden werden zwischen einem Neustart des wirtschaftlichen und sozialen Lebens und einem erneuten Aufflammen der Epidemie. Über das Timing einer Exit-Strategie wagen sich weder Experten noch Politiker auszusprechen. Fest steht, dass die von breiten Tests auf Antikörper und vom massiven Gebrauch von Apps und Daten abhängt, um schnell neue Infektionen aufzuspüren und einen Sperrgürtel um all diejenigen zu legen, die mit Infizierten in Kontakt gekommen waren. Das öffentliche Leben wird höchstens schrittweise wieder in Gang kommen.
Kollateralschäden
Le Soir ist ebenfalls vorsichtig. Eine ermutigende Entwicklung, aber der Weg aus der Quarantäne ist noch lang und es gibt viele Fragen. Beispielsweise: Warum eine Ausgangssperre aufheben, wenn die Epidemie weiter herrscht? Wie verhindert man dann eine zweite Epidemie-Welle? Wie sollen die Kontrollen ablaufen? Und was passiert mit den Risikogruppen, sprich den älteren Menschen in den Seniorenheimen?
In ihrem Leitartikel kommentiert die Zeitung dann: das Wiederanwerfen des wirtschaftlichen Motors, die Wiederherstellung der Freizügigkeit und die Wiedervereinigung der Familien - das sind alles legitime Gründe dafür, den Lockdown so schnell wie möglich zu beenden. Der Lockdown ist angesichts des Coronavirus die einzige Lösung. Aber es gibt Kollateralschäden: Der Anstieg der häuslichen Gewalt, Einsamkeit, Angst.
Lasst uns ehrlich sein, dieser Albtraum ist noch lange nicht vorbei, schreibt dann auch Gazet van Antwerpen. Die Chance, dass der Nationale Sicherheitsrat entscheiden wird, ab dem 19. April, die strengen Maßnahmen erheblich zu lockern, ist winzig klein. Premier Sophie Wilmès hat in ihrer Videobotschaft gesagt, dass uns ein langer Prozess des Wiederaufbaus bevorsteht und dass die Rückkehr zur Normalität Schritt für Schritt erfolgen wird. Andernfalls droht, laut Virologen, sofort ein neuer Peak bei den Krankenhausaufenthalten. Es scheint realistisch, dass in Europa die Corona-Epidemie im Sommer den Peak überschritten haben wird. Aber solange es keine Medizin gibt, kann der Virus jeden Moment wieder zurückkommen.
Unkomfortabel und ungewohnt
L'Avenir stellt fest: Der Lockdown ist nicht nur eine gesundheitliche Maßnahme. Er beleuchtet auch die sozialen Unterschiede und Ungleichheiten. Doch egal wie groß unser Garten oder unsere Wohnung ist, der Lockdown macht uns allen einen Strich durch die Rechnung. Egal wie unser soziales Statut ist, niemand entkommt den Einschränkungen. Ab jetzt sind wir nicht mehr Herr über unsere Entscheidungen. Wir befinden uns in einer unkomfortablen und vor allem ungewohnten Situation. Man nimmt uns unsere Freiheit und das ist der Moment, in dem wir verstehen, wie schön es ist, in einer Demokratie zu leben.
De Standaard blickt auf Seite eins auf die Menschen mit Behinderung; Diese fühlten sich in der Corona-Krise nämlich doppelt verlassen. Erstens: Sie befürchten nicht prioritär behandelt zu werden, wenn in den Krankenhäusern, wegen fehlender Kapazitäten, sortiert werden muss, und zweitens, dass ihre Einrichtungen nicht genügend auf das Coronavirus vorbereitet sind. Das sind nämlich vor allem pädagogische Einrichtungen, keine medizinischen. Deshalb fordert der Sektor, dass auch dort Bewohner und Mitarbeiter getestet werden - so wie in den Seniorenheimen.
Eine Frage des Respekts
Über die dortige Situation, vor allem in Flandern, macht sich Het Nieuwsblad Sorgen. Wenn es überall brennt, kann man nicht gleichzeitig auch überall löschen. Die Situation in den Krankenhäusern beherrschbar zu halten, war eine Top-Priorität. Wenn sich jeder an den Lockdown hält, dann sieht man schon seit einigen Tagen, dass der Druck auf die Krankenhäuser unter Kontrolle gehalten werden kann. In den Seniorenheimen ist das anders. Ein Sektor, der anscheinend seinem Schicksal überlassen wird. Es gibt nur ungenügenden oder überhaupt keinen Schutz. Und wie hoch der Ansteckungsgrad tatsächlich ist, ist völlig unklar.
Die besorgniserregenden Zustände waren schon lange vor der Corona-Krise bekannt. Zurückzuführen sind sie auf Privatisierung, Personalmangel und chronische Unterfinanzierung. Derzeit schieben dort viele Menschen Überstunden, um die Lücken zu füllen. Wohlwissend, dass sie in wenigen Monaten entlassen werden. Wäre es da nicht zu viel verlangt, die Sparmaßnahmen auszusetzen. Es wäre eine Frage des Respekts für alle, die nun doppelt schuften.
Volker Krings