"Wir brauchen noch strengere Maßnahmen", titelt Het Nieuwsblad und gibt damit die Meinung von Experten wieder. "Der Ruf nach strengeren Maßnahmen wird lauter", so auch die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen. Einige Zeitungen werden deutlicher: "Der totale Lockdown rückt näher", schreiben sinngemäß Le Soir und L'Avenir.
Wobei: Vielen Bürgern muss man das anscheinend gar nicht mehr vorschreiben: "Der Belgier geht von selbst in Lockdown", schreibt De Standaard auf Seite eins. Und auch viele Geschäfte haben von sich aus entschieden, geschlossen zu bleiben.
Totaler Lockdown vorprogrammiert
Doch haben offensichtlich doch immer noch nicht alle verstanden: "König Philippe ruft auch die Jugendlichen zu Verantwortungsbewusstsein auf", titelt Het Belang van Limburg. Das Land kommt jedenfalls mehr und mehr zum Erliegen. "Das Coronavirus lässt Belgien in den Pausenmodus gehen", schreiben sinngemäß De Tijd und L'Echo. Und die Perspektiven sind wenig erfreulich: "Das alles hier werden wir zwei Monate durchhalten müssen", sagt eine Expertin auf Seite eins von Het Laatste Nieuws.
"Der Kampf gegen das Coronavirus wird zum Krieg", schreibt De Morgen. "Wir sind im Krieg", so auch die Schlagzeile von La Libre Belgique. Das ist aber ein Zitat, und zwar von Emmanuel Macron, dem französischen Präsidenten. Der hat gestern einen totalen Lockdown für Frankreich verhängt. "Wir sind im Krieg", das hat er gefühlt ein Dutzend Mal gesagt.
Klare Sperre
Viele Leitartikler sind jedenfalls der Ansicht, dass es jetzt auch in Belgien Zeit ist für einen totalen Lockdown. "Wir werden unsere Gesellschaften diszipliniert zum Stillstand bringen müssen", glaubt etwa De Morgen. China hatte es vorgemacht, Italien, Frankreich und Spanien befinden sich jetzt auch im totalen Lockdown. Der Vorteil einer solchen Maßnahme ist zunächst, dass sie klar ist. Und es ist zudem der einzige Weg, den sprunghaften Abstieg der Neuansteckungen zu deckeln, die Kurve abzuflachen. Belgien wartet noch ab. Das ist nachvollziehbar, angesichts der doch drastischen Auswirkungen, die ein totaler Lockdown hätte. Sollten aber die Experten der Ansicht sein, dass die Zeit gekommen ist, dann sollte die Regierung nicht zögern und die Maßnahme dann auch schnell verordnen. Weil es sein muss ...
"Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende"
Het Nieuwsblad sieht das genauso. "Was sein muss, muss sein. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende", meint das Blatt. Wenn die Experten glauben, dass ein Lockdown unumgänglich ist, dann muss man das durchziehen. Und das hätte schonmal den Vorteil, dass nicht mehr alle durcheinanderrufen und zusätzliche Maßnahmen fordern, und dass nicht mehr Experten in offenen Briefen ihre Meinung zum aktuellen Stand der Vorbeugemaßnahmen zum Besten geben. All das stiftet nur unnötig Verwirrung.
"Es ist Zeit, dass wir den Lockdown verhängen. Höchste Zeit!", glaubt auch Het Laatste Nieuws. Nach Italien und Spanien hat jetzt auch Frankreich das Land abgeriegelt. Worauf warten wir noch? Lieber heute als morgen! Wenn uns das Geld und Freiheit kostet, nun, dann ist das so. Eine solche Maßnahme rettet Leben. Und leider muss man diese Disziplin verordnen, es gibt ja immer noch eine kleine Minderheit von verantwortungslosen Starrköpfen, die immer noch meinen, feiern zu müssen. Die meisten scheinen aber verstanden zu haben und nehmen quasi der Regierung die Entscheidung ab, und gehen von selbst in Quarantäne.
Politiker ohne Verantwortungsbewusstsein
Die Bürger scheinen die Krise ernster zu nehmen, als ihre Politiker, giftet auch De Standaard. Viele Bürger verordnen sich selbst strengere Maßnahmen, als die der Regierung. Viele Geschäfte haben von sich aus dichtgemacht, ohne dass sie dazu verdonnert worden wären. Wir organisieren selbst unseren Lockdown. Man sollte meinen, dass bei den Bürgern ein stärkeres Gefühl der Dringlichkeit vorherrscht als bei ihren Politikern. Und die sind sich offensichtlich nicht mehr dessen bewusst, wie sehr die Bevölkerung von den politischen Spielchen zumal am letzten Wochenende angeekelt ist.
Auch Gazet van Antwerpen geht mit der politischen Klasse hart ins Gericht. Die Tage sind getaktet durch immer neue Meldungen über die Corona-Krise. Und was sehen wir im Fernsehen? Dort schwadronieren Politiker über Sondervollmachten und Vivaldi-Koalitionen. Da sieht man Politiker, die es selbst in der schlimmsten Krise seit Jahrzehnten nicht schaffen, an einem Strang zu ziehen. All die Magnettes, De Wevers und die Liberalen, die nur ihre Parteiinteressen vor Augen haben, und die nicht mehr dazu imstande sind, dieses Land zu führen. Unerträglich, das Ganze! Der König appellierte an das Verantwortungsbewusstsein aller. Er ist der Überzeugung, dass diese Krise unsere Stärken zum Vorschein bringen wird. Das gilt für alle, aber leider nicht für unsere Politiker!
Heldenhafte Bürger und beschämende Politiker
Aber es gibt Helden in diesem Krieg der anderen Art, meint Le Soir. "Und diese Helden, das sind Sie", wendet sich das Blatt an seine Leser. In erster Linie die Ärztinnen und Ärzte, das Pflegepersonal, aber auch die Geschäftsleute, Unternehmer, Arbeitnehmer, die nicht mehr arbeiten können und doch ruhig ihr Schicksal ertragen, die Eltern und Großeltern, die ihre Kleinen nach Kräften unterstützen und beruhigen, die Bürger insgesamt, von denen die meisten einen kühlen Kopf bewahrt haben, all die Leute, die die Krise mit Solidarität, Menschlichkeit und Großzügigkeit bekämpfen. Im schrillen Kontrast dazu: das Verhalten unserer Politiker. "Lächerlich", nannte Kammerpräsident Patrick Dewael das Schmierentheater der letzten Tage. "Lächerlich" ist gar kein Ausdruck. Das Ganze ist erschütternd! Schamlos! Zum Verzweifeln!
"Die beste Waffe gegen die Krise, das sind wir selbst", glaubt auch La Libre Belgique. Um diesen Krieg gegen das Coronavirus zu gewinnen –denn es ist ein Krieg – müssen wir uns selbst eine strenge Disziplin auferlegen. Alle Maßnahmen der Regierung werden nicht reichen, wenn nicht jeder von uns Bürgersinn an den Tag legt. Nicht der Staat wird das Virus besiegen, das können nur wir alle zusammen.
Roger Pint