"Rechtsextremer Schütze ermordet neun Menschen und seine Mutter", titelt Het Belang van Limburg. "Rechter Terrorist wollte Deutschland 'säubern'", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Deutschland fürchtet rechtsextreme Terrorwelle", notiert Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Der Anschlag in Hanau, bei dem wahrscheinlich ein 43-jähriger Mann insgesamt neun Menschen in zwei Shisha-Bars erschossen hat, bevor er auch sich selbst und seine Mutter umbrachte, beschäftigt auch die belgischen Zeitungen. Sie folgen dabei der These, dass der Attentäter aus rechtsradikalen und rassistischen Beweggründen gehandelt hat.
Le Soir schreibt dazu in seinem Leitartikel: Rassismus tötet - wieder einmal mussten wir das am Donnerstag erkennen. Deutschland ist jetzt zum dritten Mal innerhalb von neun Monaten zum Schauplatz eines solchen rechtsradikalen Attentats geworden. Zuerst der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, dann der Angriff auf die Synagoge in Halle und jetzt Hanau. Allerdings wäre es falsch bei dieser Bedrohung durch Rechts immer nur nach Deutschland zu schauen. Auch wir in Belgien sind keinesfalls sicher vor rechtsextremem Terror. Deshalb müssen auch wir achtsam sein. Auch bei uns wird rechtsextremes Gedankengut immer salonfähiger: im gesellschaftlichen Alltag, auf Sozialen Medien und sogar in der Politik, weiß Le Soir.
Rechtsextremes Gedankengut auch in Belgien
Gazet van Antwerpen wird dabei konkret und führt aus: Bei uns ist der Vlaams-Belang-Politiker Filip Dewinter so eine Figur, die ähnliches Gedankengut verbreitet, das den Täter von Hanau zu seinen Morden veranlasst hat. Dewinter schreibt in einem seiner Bücher von einem "kulturellen Genozid", der durch die Massenimmigration und zunehmende Islamisierung der Gesellschaft droht. Dewinter hat sich jetzt bei der niederländischen Geschäftskette Hema beschwert, weil deren Kleidung nur noch von Modellen mit asiatischem und afrikanischem Aussehen gezeigt wird. Natürlich sind solche Äußerungen kein Aufruf zum Mord. Aber diese Sprache bereitet den Boden für rechtsextreme Gewalt, betont Gazet van Antwerpen.
Auch L'Avenir ruft zur Wachsamkeit auf und schaut dabei auf den Karneval: Was gerade in Aalst wieder passiert, erscheint vor dem Hintergrund der Hanauer Attentate noch einmal in einem ganz anderen Licht. In Aalst wollen Karnevalsgruppen wieder ihre Juden-Karikaturen zeigen. Die hatten schon vergangenes Jahr für negative Schlagzeilen gesorgt. Und auch wenn man natürlich über alles lachen können sollte: Solche Figuren sind es auch, die rechtsextremes Gedankengut fördern, findet L'Avenir.
Was ist lustig?
Het Nieuwsblad teilt diese Meinung und nimmt die Organisatoren des Karnevals in die Pflicht: Denn dass die Politik den Karnevalsvereinen nicht vorzuschreiben hat, wie sie ihre Wagen gestalten sollen, ist völlig richtig. Der Bürgermeister von Aalst hat deshalb durchaus Recht, wenn er der Aufforderung des israelischen Außenministers nicht folgt, den Karneval in seiner Stadt zu verbieten. Allein die Karnevalsvereine können diesen Streit beenden. Sie wissen, wieviel Zündstoff in ihren Juden-Karikaturen liegt. Wenn sie darauf bestehen, diese Karikaturen auch dieses Jahr zu zeigen, wissen sie ganz genau, dass sie dadurch provozieren. Es wäre eine Provokation um der Provokation Willen. Mit lustig hat das dann nichts mehr zu tun, unterstreicht Het Nieuwsblad.
Auch La Libre Belgique meint: Das Recht, über alles lachen zu dürfen, darf uns nicht vergessen lassen, dass es auch Grenzen gibt. Diese Bilder von den Juden-Karikaturen, die in einem lokalen Fest gezeigt werden, erregen weltweites Aufsehen. Sie werden mit Sicherheit von bestimmten Staatsführern und Diplomaten dazu genutzt werden, um ein schlechtes Bild von ganz Belgien zu zeichnen, ärgert sich La Libre Belgique.
Michels Sehnsucht nach Belgien
Die Wirtschaftszeitung L'Echo kommentiert zum aktuellen EU-Sondergipfel in Brüssel: Es ist ein bedauernswertes Geschacher, das sich in diesen Stunden zwischen den 27 EU-Staats- und Regierungschefs abspielt. Eigentlich müsste allen EU-Mitgliedstaaten klar sein, dass die Mittel für die Europäische Union aufgestockt werden sollten. Nur so wird sich Europa als ernstzunehmender Partner in der Weltpolitik platzieren können. Doch ganz im Gegenteil wollen alle sparen, schaut jeder nur auf seinen eigenen nationalen Haushalt, hat fast keiner den Blick für die Zukunft. Es wird Zeit, dass die EU nicht mehr abhängig wird von dem Geld, das die einzelnen Mitgliedsstaaten der Union zur Verfügung stellen wollen, sondern dass sie bald schon eigene Einnahmen generieren kann, fordert L'Echo.
Das GrenzEcho schaut beim gleichen Thema auf den belgischen EU-Ratspräsidenten Charles Michel und führt aus: Jetzt, wo es gilt, einen EU-Haushaltsrahmen für sieben Jahre zu schnüren, könnte die Sehnsucht nach Belgien bei Ex-Premier Michel zunehmen. Denn die unterschiedlichen Vorstellungen, die die EU-Mitgliedstaaten für den Haushaltsrahmen haben, liegen meilenweit auseinander und scheinen eine Lösung gleichsam unmöglich zu machen. Kein Wunder, dass deshalb jetzt alle auf "Magier Charles" blicken, der die Quadratur des Kreises hinkriegen soll. Wetten, dass der Sabine Laruelle und Patrick Dewael beneidet, die "nur" eine Lösung der belgischen Regierungskrise zu finden haben, orakelt das GrenzEcho.
Kay Wagner