"Tomaten für Jambon", titelt Het Nieuwsblad. "Der flämische Ministerpräsident wird zur Zielscheibe bei den flämischen Kulturpreisen", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Jambon wird auf den Ultimas mit Tomaten bombardiert", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen.
Der flämische N-VA-Ministerpräsident Jan Jambon hat nun schon zum zweiten Mal die Wut des Kultursektors quasi am eigenen Leib erfahren müssen. Bei den MIAs, den flämischen Musikpreisen, vor knapp zwei Wochen hatte er laute Buhrufe und Pfiffe über sich ergehen lassen müssen. Und gestern, bei der Verleihung der Ultimas, der flämischen Kulturpreise, flogen plötzlich Tomaten in seine Richtung. Jambon ist ja auch für Kultur zuständig. Die Proteste sind wohl die Reaktion der Kulturschaffenden auf die Sparmaßnahmen, die Jambon in dem Sektor durchsetzen will.
Nur Zen bleiben – Wirklich?
Innenpolitisch richten sich heute alle Augen auf den Palast. König Philippe wird heute seine dreitägige Konsultationsrunde abschließen. Im Anschluss wird er entscheiden müssen, wen er nach dem Rücktritt von Koen Geens mit einer neuen königlichen Mission betraut. Der Favorit der Zeitungen, das ist der amtierende Open-VLD-Vizepremier Alexander De Croo. "Alle Blicke auf Alexander De Croo", schreibt etwa De Tijd. "Alle Wege führen zu De Croo", so formuliert es Het Laatste Nieuws.
Die Zeitungen sind sich einig: Auf den oder die neue königliche Beauftragte wartet eine schwierige Mission. "Naja, wir müssen ja eigentlich nur Zen bleiben", stichelt Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Diesen Ratschlag hat uns ja schließlich PS-Chef Paul Magnette gegeben. In seiner Video-Botschaft, in der er sich auf Niederländisch an die Flamen gewandt hatte, kommt Magnette aber doch ziemlich arrogant herüber. Etwa, wenn er darlegt, dass der flämische Wähler die Karten eben ungünstig gelegt habe.
Der Umkehrschluss stimmt nämlich nicht: Würde sich der flämische Wähler klar für eine neue Staatsreform aussprechen, dann würde die Antwort der Frankophonen lauten: "Pech gehabt! Wir wollen das nicht". Aber apropos Staatsreform: Das anhaltende Patt ist quasi der Beweis für die Notwendigkeit einer neuen Umordnung des Staatsgefüges. Und daran wird auch eine Zen-Haltung auf Dauer nichts ändern.
"Lost in translation"
Immer wieder wird auch über die Zukunft des Landes spekuliert und da kann Het Laatste Nieuws nur feststellen: "Wir verstehen uns nicht mehr". Politiker sprechen nicht die Sprache des jeweils anderen Landesteils. "Lost in translation", um es mit einem Filmtitel zu sagen. Da gibt es aber ein Paradox: Vor allem die Frankophonen beschwören nach wie vor die Einheit des Landes.
In der Wallonie ist Niederländisch aber kein Pflichtfach mehr in den Schulen. In frankophonen Medien werden Interviews auf Niederländisch konsequent synchronisiert, statt sie zu untertiteln. Zugegeben: Auch die Flamen sprechen immer weniger Französisch. Die wallonische Regierung will jetzt offenbar zumindest darüber nachdenken, Niederländisch wieder zum Pflichtfach zu machen. Nachdenken! Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.
"Globalisiertes" Coronavirus
Einige Zeitungen beschäftigen sich heute mit den Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie in China: "Das Coronavirus stört bereits die belgische Wirtschaft", titelt Le Soir. De Tijd formuliert es drastischer: "Das Coronavirus hat die belgischen Betriebe im Griff". Das größte Problem sind logistische Engpässe: Waren aus China, die man dringend braucht, kommen einfach nicht an.
Das Coronavirus trifft die Globalisierung mitten ins Herz, stellt De Tijd in ihrem Leitartikel fest. Covid-19 (so hat die WHO die Krankheit getauft) zeigt, wie eng die Verflechtungen mit China sind. Und das in beide Richtungen: In China werden viele Produkte hergestellt, China ist zugleich aber auch ein riesiger Absatzmarkt. Genau aus diesen beiden Gründen hat der US-Technologiegigant Apple eine Umsatzwarnung ausgegeben. Und spätestens seitdem ist die Nervosität weltweit spürbar. Covid-19 ist ein fieses Tierchen. Und solange dieses fiese Tierchen herumgeistert, werden dunkle Wolken über der Weltwirtschaft hängen.
Sorgenvolles Warten auf den Aalster Karneval
Einige Zeitungen blicken schon mit einer gewissen Sorge auf den kommenden Sonntag. Dann findet nämlich in Aalst der berühmte Karnevalszug statt. In diesem Jahr beschleicht so manchen ein ungutes Gefühl: "Der nächste Karneval von Aalst lässt einen internationalen Aufschrei befürchten", schreibt etwas La Libre Belgique auf ihrer Titelseite. Im vergangenen Jahr hatten die Karnevalisten von Aalst mit geschmacklosen Juden-Karikaturen über die Grenzen hinaus für einen Skandal gesorgt. Die Unesco strich den Aalster Karneval sogar von der Liste des immateriellen Kulturerbes.
Beobachter befürchten jetzt aber eine Trotz-Reaktion. Die Karnevalisten könnten noch einen draufsetzen und es damit endgültig in die Weltpresse schaffen. "Es wäre schade, wenn der Karneval von Aalst am Ende sogar das Belgien-Bild in der Welt beschädigen würde", sagt auch der israelische Botschafter in Belgien, Emmanuel Nahshon in De Standaard. "Antisemitismus ist kein Humor", betont Nahshon. Und keine Tradition dieser Welt könne daran etwas ändern.
Genau so argumentiert auch De Morgen in seinem Leitartikel. Hier kollidiert das Recht auf freie Meinungsäußerung mit dem guten Geschmack. Klischees und Stereotype sind humor- und geschmacklos. Und erst recht, wenn sie auf eine düstere Vergangenheit verweisen. Es sind eben solche Bilder, die den Judenhass geschürt haben, der letzlich zum Holocaust geführt hat. Man kann so etwas nicht verbieten. Drei renommierte Hochschuldozenten plädieren aber an die Medien, diese Bilder nicht weiter zu verbreiten. Es sei denn, man setzt sie in ihren Kontext, ordnet sie ein. Vielleicht ist das tatsächlich die beste Lösung.
Roger Pint