"Koen Geens schlägt die Tür zu und beschuldigt die PS", titelt Le Soir. "Regierungsbildung versandet in kompletter Ausweglosigkeit", schreibt De Tijd auf Seite eins. "Neuwahlen werden immer wahrscheinlicher", so der Aufmacher von Het Laatste Nieuws.
Der königliche Beauftragte Koen Geens hat gestern Abend überraschend den Rücktritt von seiner Mission eingereicht. Vorausgegangen waren Äußerungen des PS-Vorsitzenden Paul Magnette in verschiedenen Medien, in denen Magnette es als unmöglich darstellte, dass seine PS zusammen mit der N-VA regieren werde. Ab Montag will König Philippe Gespräche mit den verschiedenen Parteivorsitzenden führen.
Fast alle Zeitungen greifen diese Ereignisse in ihren Leitartikeln auf. L'Avenir schreibt: Magnette hat gestern eigentlich nur das wiederholt, was er zuvor schon x Mal gesagt hatte: PS und N-VA, das passt nicht zusammen. Damit kann man einen Schlussstrich ziehen unter die Bemühungen, PS und N-VA in einer Regierungskoalition zusammenzuführen. Magnette übt damit Druck auf die CD&V aus. An den flämischen Christdemokraten liegt es jetzt, die sogenannte Vivaldi-Koalition aus Sozialisten, Grünen und Liberalen beider Landesteile, sowie eben der CD&V, aus der Taufe zu heben. Bislang will die CD&V das nicht machen. Was ab Montag passieren wird, bleibt schleierhaft, meint L'Avenir.
Magnettes Rechnung ist nicht aufgegangen
De Morgen analysiert: Magnette wollte mit seinen Äußerungen gestern Geens dazu veranlassen, die CD&V ins Spiel zu bringen. Wenn die Fährte PS-N-VA ins Leere läuft, so Magnettes Plan, bliebe dem königlichen Beauftragten Geens nur noch übrig, seine eigene Partei, die CD&V, zu bearbeiten, in eine Vivaldi-Koalition einzutreten. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Lieber ist Geens zurückgetreten, als die CD&V von der Seite der N-VA zu lösen, stellt De Morgen fest.
De Standaard sieht das genauso: Magnette hat der CD&V das Messer an die Kehle gesetzt. Anstatt Koen Geens Zeit zu lassen, seine Partei Zentimeter für Zentimeter in eine Vivaldi-Koalition zu bewegen, hat es Magnette mit dem Hauruck-Verfahren versucht. Das ist schiefgegangen, konstatiert De Standaard.
Het Laatste Nieuws zeigt sich gar nicht mal unglücklich über die neue Situation und begründet: Mit dem gestrigen Tag haben Magnette und Geens uns Extrarunden erspart. Jetzt muss man nicht unnötig weitere Zeit darauf verschwenden, PS und N-VA zusammen zu bekommen. Geens hat der PS das gestern quasi vorgeworfen: Sie sei dafür verantwortlich, dass es nichts werde mit einer neuen Regierung. Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Denn auch Geens' CD&V könnte ja durchaus mal aus den Puschen kommen. Das ist jetzt übrigens auch angesagt: CD&V-Vorsitzender Joachim Coens sollte jetzt bitte schnell und deutlich sagen: "Ja" oder "Nein" zu einer Vivaldi-Koalition. Alles andere wäre weitere Zeitverschwendung, unterstreicht Het Laatste Nieuws.
Le Soir ärgert sich: Das muss man erstmal bringen! Da stellt sich der Geens gestern Abend vor die Presse und verkündet, die PS sei schuld am Scheitern seiner Mission. Weil Magnette gesagt habe, N-VA und PS – das passe nicht zusammen. Aber bitteschön, das hat Magnette schon tausend Mal gesagt. Geens will einfach nur davon ablenken, dass es seine eigene Partei ist, die die Schlüssel in der Hand hält, um dem Land endlich eine Regierung zu geben. Dass es zwischen PS und N-VA nichts werden könnte, war doch schon von vornherein klar, betont Le Soir.
Das Scheitern ist kollektiv
Het Nieuwsblad findet: Dieses Schwarzer Peter-Spiel hat doch keinen Sinn. Geens hat es gestern noch einmal bemüht, um der PS die Schuld in die Schuhe zu schieben. Aber dann könnte man auch die MR nennen, die keine Staatsreform will, die CD&V, die sich nicht von der N-VA lösen will, oder die N-VA, die außer ihrem Parteiprogramm wenig auf den Verhandlungstisch gelegt hat, erinnert Het Nieuwsblad.
Ähnlich La Libre Belgique: Bitte bitte, liebe Paul, Bart, Joachim, Georges-Louis, Gwendolyn, Jean-Marc, Conner, Maxime, François und all die anderen: Erspart uns gegenseitige Schuldzuweisungen. Das Scheitern ist kollektiv. Augenscheinlich sind alle Möglichkeiten getestet worden, um eine Regierung zu bilden. Alle haben zu nichts geführt. Et voilà. In einer Demokratie sollte man keine Angst vor Wahlen haben, rät La Libre Belgique.
Mission: Budget verabschieden – egal wie
Die Wirtschaftszeitung L'Echo schaut auf die Finanzen und fordert: Um die Haushaltslage nicht noch katastrophaler werden zu lassen, muss jetzt ganz dringend irgendeine Mehrheit gefunden werden, um ein Budget zu verabschieden. Eine neue Regierung, eine Mehrheit im Parlament oder auch eine Technokratenregierung – alles wäre willkommen zu diesem Zweck. In einem nächsten Schritt müsste man sich dann überlegen, wie man das Wahlsystem in Belgien grundsätzlich ändert, um eine Situation wie aktuell künftig zu verhindern. Dass nämlich eine Handvoll Politiker ein ganzes Land blockieren, so L'Echo.
De Tijd notiert: Montag droht Chaos. Aus einer politischen Krise ist eine Systemkrise geworden. Bei Neuwahlen wird es nicht um Einwanderung, Klima und Pensionen gehen. Sondern um staatliche Strukturen, das Funktionieren von Belgien selbst und das Unvermögen der politischen Parteien, das aktuelle System am Leben zu erhalten, prophezeit De Tijd.
Kay Wagner