"Der König schickt Koen Geens auf das Spielfeld", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Der König schaltet einen Gang höher", titelt das GrenzEcho. Der Palast hat Freitagabend für eine faustdicke Überraschung gesorgt. Völlig unerwartet haben die beiden bisherigen Informatoren Joachim Coens und Georges-Louis Bouchez dem König am Abend ihren Abschlussbericht vorgelegt.
Eigentlich sollte das erst am kommenden Dienstag passieren. Im Anschluss wurden beide von ihrer Mission entbunden. Kurz darauf fuhr Koen Geens vor dem Palast vor. Und der amtierende Justizminister und CD&V-Spitzenpolitiker kam wenig später mit einem königlichen Auftrag wieder heraus. "Der König beauftragt Koen Geens damit, eine Regierung in die Wege zu leiten", titelt Het Belang van Limburg. De Tijd wird deutlicher: "Koen Geens muss eine Regierung bilden".
Einen besonderen Titel hat König Philippe Geens nicht verliehen, also nicht "Informator", "Vorregierungsbildner" oder dergleichen. "Jetzt muss Koen Geens es richten", so die Schlagzeile von Le Soir. "Der Staatsmann Koen Geens darf es versuchen", meint Het Laatste Nieuws. "Geens und die CD&V stehen vor der Stunde der Entscheidung", notiert L'Echo.
Denn darum geht es wohl. Vor allem aus frankophoner Sicht ist es nämlich insbesondere die CD&V, die die Regierungsbildung blockiert, da sie das Fahrwasser N-VA nicht verlassen will. "Geens muss jetzt dafür sorgen, dass die CD&V Farbe bekennt", schreibt denn auch Het Nieuwsblad. La Libre Belgique nennt Geens jedenfalls den "Joker" des Palastes. La Dernière Heure formuliert es dramatischer: "Koen Geens, das ist die letzte Trumpfkarte des Königs".
Die CD&V liegt in der Mitte des Betts
Der gestrige Freitag kann im Kalender rot markiert werden, meint sinngemäß Le Soir. Es ist der Palast, der seine Verantwortung übernommen hat, der König und niemand anderes. Das kommt nicht so häufig vor. So nötig dieser Schritt war, so riskant ist er auch. Der Palast lässt wieder Bart De Wever außen vor. Stattdessen geht der Auftrag erneut an einen CD&V-Politiker. Dass der Palast so abrupt den Stecker aus dem Tandem Coens-Bouchez gezogen hat, das kann man übersetzen mit. Es reicht! Nach 250 Tagen endlosen Palavers wirkt das fast schon wie eine Erleichterung.
In den Schuhen von Koen Geens will man nicht stecken, meint mitfühlend Gazet van Antwerpen. Jetzt muss er die Quadratur des Kreises hinbekommen. Gut, es ist schließlich seine CD&V, die in der Mitte des Bettes liegt. Sie kann in alle Richtungen rollen, entweder auf die violett-gelbe Seite, wo also die N-VA liegt; oder auf die Vivaldi-Seite, wo eben nicht die N-VA liegt.
Das Problem ist nur, dass die Lage fast hoffnungslos verfahren ist. PS-Chef Paul Magnette hat kürzlich noch einmal klargemacht, dass er mit der N-VA nicht zusammenarbeiten will. Auf der anderen Seite will die CD&V, also die Partei von Koen Geens, die N-VA partout nicht loslassen. So wie die Karten jetzt liegen, sind Neuwahlen definitiv nicht mehr auszuschließen.
Neuwahlen, das wäre aber längst nicht im Interesse aller Parteien, bemerkt Het Nieuwsblad. Und es mag überraschen, aber das gilt insbesondere für die N-VA. Laut einer Umfrage geben vier von zehn Flamen der N-VA die Schuld an der derzeitigen Blockade. Weniger, nämlich drei von zehn, machen die PS für die Misere verantwortlich.
Für die N-VA ist das ein Riesenproblem. Bart De Wever war bislang doch der Meister darin, immer anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Anscheinend funktioniert diese Nummer aber nicht mehr. Und noch etwas ist neu: Bislang sind die Parteien offensichtlich davon ausgegangen, dass sie sich alles erlauben dürfen. Und damit auch durchkommen. Auch das stimmt nicht mehr. Insbesondere die Flamen sind alles andere als begeistert von der Aussicht auf Neuwahlen.
Es gibt keine Gewinner
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch heute noch mit dem Genter Euthanasieprozess. Das Urteil war erst Freitag in den frühen Morgenstunden gefallen. Es ging um den Fall Tine Nys. Die drei Ärzte, die vor zehn Jahren ihren Antrag auf Sterbehilfe abgesegnet beziehungsweise den eigentlichen Akt durchgeführt hatten, mussten sich wegen "Giftmordes" vor dem Schwurgericht verantworten. Die Jury hat sie aber auf der ganzen Linie freigesprochen.
Aber in dieser Sache gibt es keine Gewinner, meint De Morgen. Das waren im Übrigen auch die ersten Worte des Hauptangeklagten nach seinem Freispruch. Der Arzt hat zehn Jahre lang am Pranger gestanden. Und die Angehörigen haben ihrerseits zehn Jahre lang auf Antworten auf ihre Fragen gewartet. Sie warten immer noch. Doch auch die drei Ärzte bleiben gezeichnet.
Der Prozess dürfte dennoch nicht ohne Folgen bleiben, sind sich die Leitartikler einig. Wenn das Verfahren eins gezeigt hat, dann ist es die Feststellung, dass fast 20 Jahre nach der Legalisierung von Sterbehilfe noch immer Grauzonen existieren. Dass es ein Malaise gibt. Dass in Bezug auf die Kriterien, die für Sterbehilfe erfüllt sein müssen, immer noch Rechtsunsicherheit besteht. Nach fast 20 Jahren dürfte das eigentlich nicht mehr der Fall sein.
Und auch bei den Patienten hinterlässt der Prozess ein dumpfes Gefühl, meint Het Belang van Limburg. Der ein oder andere mag befürchten, dass sein Antrag auf Sterbehilfe nicht mehr bewilligt wird, dass ihr Arzt sie in letzter Minute im Stich lassen könnte bei ihrem Wunsch nach einem menschenwürdigen Ende.
Nach diesem schmerzhaften Verfahren ist jetzt die Politik gefragt, meint denn auch De Standaard. Das Gesetz muss überarbeitet werden. Das ist mit Sicherheit ein heikles Unterfangen, ist aber nötig. Das Resultat muss nicht notwendigerweise eine Aushöhlung des Gesetzes sein, sondern eine Verfeinerung.
"Ende eines Missverständnisses"
All das hat ein durchaus historisches Ereignis in den Hintergrund gedrängt: Der Brexit ist seit Mitternacht eine Realität. Das GrenzEcho spricht vom "Ende eines Missverständnisses". Eine Liebesheirat ist das nie gewesen.
De Tijd und Het Laatste Nieuws mahnen zu Reformen: Wenn ein Mitglied den Klub verlässt, dann bedeutet das in der Regel, dass der Klub nicht richtig funktioniert, meint De Tijd.
Die EU muss an Schlagkraft gewinnen, fordert Het Laatste Nieuws. Europa muss nicht überdacht werden, um potentielle Aussteiger zurückzuhalten, sondern, um den verbleibenden Mitgliedern mehr Vertrauen in die EU zu geben. Wenn das nicht gelingt, dann haben wir nicht zum letzten Mal "Auf Wiedersehen" gesagt.
Roger Pint