"Ein fröhliches Weihnachtsfest", wünschen fast alle Zeitungen ihren Lesern; vor allem Het Laatste Nieuws, La Libre Belgique und Gazet van Antwerpen. Auf vielen Titelseiten ist auch allerlei Weihnachtsdeko zu sehen, also Christbaumkugeln, Tannenzweige oder Menschen mit Weihnachtsmannmützen. La Dernière Heure liefert weihnachtliche Statistik: "820.000 Belgier gehen zur Weihnachtsmesse".
Le Soir hat seinerseits die Weihnachtsansprachen der Könige analysiert, also von König Philippe, seinem Vater Albert II. und auch von König Baudouin. Dabei fällt insbesondere auf, dass die Königsreden in den letzten Jahren wieder kürzer geworden sind. "Was die Könige den Belgiern ins Ohr flüstern", so der Titel des Artikels im Innenteil. Der Befund: "Die Themen sind ebenso vielfältig wie vorhersehbar". Die diesjährige Weihnachtsansprache von König Philippe wird am Dienstagmittag ausgestrahlt.
Einige Zeitungen widmen auch ihre Leitartikel dem anstehenden Weihnachtsfest. La Libre Belgique etwa hält in einem sehr poetischen Kommentar ein Plädoyer für Lebensfreude, Warmherzigkeit und Optimismus. Jeden Tag sollten wir dieselben Ziele vor Augen haben: handeln, wachsen und die Seele veredeln.
Zeit für eine Auszeit!
Es ist schon paradox, meint seinerseits Het Laatste Nieuws: Je weniger gläubig wir sind, desto wichtiger wird Weihnachten. Na ja, zugegeben: Der Neugeborene in der Krippe steht nicht mehr wirklich im Mittelpunkt. Weihnachten ist längst auch das Fest des Konsums. Es sollte aber auch ein Fest sein, um sich Zeit zu nehmen für die Menschen, die uns wichtig sind. Entsprechend sind das auch die Tage, an denen einsamen Menschen ihre Situation noch einmal so richtig bewusst wird. So abgedroschen und pathetisch es klingen mag, Aufmerksamkeit füreinander ist das schönste Geschenk, das wir geben können.
"Lasst uns eine warme Auszeit nehmen", so der Appell von Gazet van Antwerpen. Das gilt auch und vor allem für die Politik. Da darf man aber leider nicht zu viel erwarten. Gerade erst hat N-VA-Chef Bart De Wever in der amerikanischen Zeitschrift Newsweek eine "Implosion der parteipolitischen Landschaft" im Jahr 2024 vorhergesagt. Politische Beobachter bescheinigen dem Land schon jetzt eine "hoffnungslos verfahrene politische Situation". Der Klimagipfel von Madrid ist soeben mit einem doch sehr mageren Ergebnis zu Ende gegangen. Und in unseren überbelegten Gefängnissen regiert die Gewalt. Jetzt, zu Weihnachten, diesem schönsten aller Feste wäre es Zeit für eine Pause, einen Waffenstillstand in unserem täglichen Kampf gegen alles und jeden.
Der Luxus des Zweifelns
Auch Het Belang van Limburg wünscht sich ein "warmes Weihnachtsfest". Hier sollten nicht nur leckeres Essen und Trinken im Überfluss im Mittelpunkt stehen. Weihnachten ist wohl der einzige Moment, an dem es nicht falsch ist, auch mal mit offenem Geist über Solidarität nachzudenken. Demgegenüber scheinen in unserer Zeit mehr und mehr die von Nihilismus geprägten Worte der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher Wirklichkeit zu werden: "Es gibt nicht so etwas wie eine Gesellschaft, es gibt nur individuelle Männer und Frauen", sagte sie 1987. Individualismus also als das höchste und einzige Gut. Das ist eine düstere und zynische Sicht auf unsere Welt. Lasst uns nicht vergessen, dass in Flandern eins von vier Kindern in Armut aufwächst, in Brüssel sind das sogar sechs von zehn. Man kann dem Kardinal Jozef De Kesel nur Recht geben: Wenn die Ungleichheit zu groß wird, dann gerät die Gesellschaft in Gefahr. Und allein mit hohen Mauern, die verzweifelte Menschen fernhalten sollen, werden wir unseren Wohlstand auch nicht sichern können.
Trotz allen Fortschritts, der Errungenschaften der letzten Jahre, unseres Wohlstands: Wir leben in einer Welt, die von Zweifeln geprägt ist, meint L'Avenir. Das ist eigentlich Luxus. In vielen Teilen der Welt zweifelt man nicht, sondern kämpfen die Menschen ums Überleben. Auf dem "Alten Kontinent" fragen wir uns also, welchen Weg wir nehmen sollen, wo die Reise hingeht. Dabei sollte man nicht den Fehler machen, die Vergangenheit zu verklären. Auch unsere Altvorderen sind nicht immer resoluten Schrittes in die Zukunft gegangen. Früher war es aber so, dass die Menschen sich eine Fähigkeit erhalten hatten: die Hoffnung. Das ist genau das, was uns heute fehlt.
Machtkampf bei der VRT droht auszuarten
In Flandern köchelt immer noch der Streit auf der Führungsebene der VRT vor sich hin: "Die VRT-Spitze schiebt die Nummer Zwei des Unternehmens geschlossen Richtung Ausgang", titelt etwa De Tijd. "Die VRT-Spitze fordert schriftlich die Entlassung von Peter Claes", schreibt auch De Morgen. Dieser Peter Claes hat sich insbesondere mit Direktor Paul Lembrechts überworfen. Claes wurde vom Dienst suspendiert. Die geplante Entlassung wurde aber nicht vom Verwaltungsrat abgesegnet. Das ist also eigentlich eine Desavouierung der aktuellen Führung des öffentlich-rechtlichen Medienhauses. Es droht also ein Machtkampf um die Leitung der VRT.
Der Konflikt trifft die VRT da, wo es wehtut, meint De Tijd in ihrem Leitartikel. Erstens: Es regiert wieder die Parteipolitik. Der politisch besetzte Verwaltungsrat ist ganz offensichtlich auf Konfrontationskurs mit der Direktion gegangen. Zweitens: Die VRT verhandelt gerade über ihren neuen Geschäftsführungsvertrag. Das ist für jeden Staatsbetrieb ein heikler Moment. Das Ganze kann in einen Krieg ausarten. Im schlimmsten Fall müssen Direktor Lembrechts und drei seiner Managerkollegen weichen. Damit würde man die VRT buchstäblich köpfen. Der Verwaltungsrat wäre gut beraten, sich das noch einmal zu überlegen.
"… und der Westen schaut weg"
"Der türkische Präsident Erdogan warnt vor einer neuen Flüchtlingskrise", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. In Nordsyrien wird wieder gekämpft, genauer gesagt in der Provinz Idlib. 3,7 Millionen Menschen sind wieder auf der Flucht; viele von ihnen waren schon Vertriebene, die aus anderen Regionen nach Idlib gekommen waren. Und die Türkei hat schon gesagt, dass sie eine neue Flüchtlingswelle nicht alleine stemmen kann.
Der Schatten der Syrer, die im Bombenhagel sterben, wird uns noch lange verfolgen, glaubt Le Soir in seinem Leitartikel. "In Syrien sterben Menschen, und die Welt schaut weg", diesen Satz hören wir schon seit 2011. Geändert hat sich nichts. Im Gegenteil: Seit die russische Armee mitmischt, ist es noch schlimmer geworden. Wladimir Putin hat sich offensichtlich für eine Strategie entschieden, die er auch schon in Tschetschenien angewandt hatte: Aufmüpfige Regionen werden dem Erdboden gleichgemacht. Und der Westen reagiert mit Kleingeistigkeit und Feigheit.
Trotz dieser nicht wirklich schönen Schlussworte wünscht Ihnen das ganze Team des BRF-Studios Brüssel frohe und friedliche Weihnachten!
Roger Pint