"Geht das Spiel in die Verlängerung, oder bekommen wir einen neuen Spielmacher?", fragt sich De Morgen auf seiner Titelseite. Het Belang van Limburg wird konkreter: "Bekommt der Regenbogen noch einmal mehr Zeit, oder kommt jetzt Bart De Wever zum Zug?".
Diese Frage muss jetzt König Philippe beantworten. Informator Paul Magnette wird heute im Palast erwartet, um seinen dritten Bericht vorzulegen. Damit verbunden ist eine Frage: Gibt es ausreichend gute Gründe, um an die Bildung einer Regenbogen-Koalition zu glauben, also einer Allianz aus Sozialisten, Liberalen und Grünen? Wenn ja, dann wird der König wohl einen Regierungsbildner in die Arena schicken. Viele Zeitungen gehen aber davon aus, dass die Antwort Nein lauten wird. "Es fehlen noch Stücke, um das Regenbogen-Puzzle fertigzustellen", konstatiert etwa La Libre Belgique auf ihrer Titelseite.
Der Regenbogen und das blaue Dilemma
Zunächst ist es so, dass die flämischen Liberalen OpenVLD nach wie vor zögern. In der Frage, ob man sich an einer Regenbogen-Koalition beteiligen soll oder nicht, ist die OpenVLD tief gespalten. Hinzu kommt: Ein klassischer Regenbogen hätte nur eine knappe Mehrheit von einem Sitz. Das wäre den frankophonen Liberalen MR zu wenig. Die CD&V könnte für eine komfortablere Mehrheit sorgen. Nur lehnen die flämischen Christdemokraten zum jetzigen Zeitpunkt jegliche Beteiligung an einer solchen Koalition ab. Gazet van Antwerpen fasst zusammen: "Magnette kann die Liberalen und die CD&V nicht davon überzeugen, auf den Regenbogen-Wagen aufzuspringen". "Für die Ernennung eines Regierungsbildners ist es wohl noch zu früh", so das Fazit von Het Nieuwsblad.
"Das blaue Dilemma", so fasst Het Laatste Nieuws die Lage der flämischen Liberalen zusammen. Auf der einen Seite ist es lange her, dass die flämischen Liberalen so relevant waren. Nach Jahren der relativen Bedeutungslosigkeit hat die OpenVLD jetzt die Schlüssel in der Hand. Das Problem ist nur, dass sie dieser Rolle offensichtlich nicht gewachsen ist. Die Parteispitze hat begriffen, dass es der OpenVLD nicht hilft, wenn sie im Fahrwasser der N-VA bleibt. Nur hat es insbesondere Parteichefin Gwendolyn Rutten nicht geschafft, ihre Basis auf diesen Kurswechsel einzuschwören. Und auch die öffentliche Meinung in Flandern würde es wohl nicht verstehen, wenn man N-VA-Chef Bart De Wever nicht die Möglichkeit geben würde, es auch mal zu versuchen. Die Einschätzung der Parteispitze mag richtig sein, das ist aber unerheblich, solange die Menschen auf der Straße diese Meinung nicht teilen.
Blaue Vermittlung
Für Het Belang van Limburg steht die CD&V im Zentrum des Spiels. Es sind die flämischen Christdemokraten, die unumgänglich sind, wenn man eine stabile, überlebensfähige Regenbogenkoalition anstreben will. Und deswegen sind die flämischen Liberalen gut beraten, jetzt nicht zu schnell Farbe zu bekennen. Erst muss sich die CD&V positionieren. Und die plädiert nun mal weiterhin dafür, dass zu allererst nun auch Bart De Wever seine Chance bekommen muss. De Wever selbst beansprucht jetzt auch eine führende Rolle. Er kann seiner Basis auch schwerlich erklären, wie es möglich war, dass seine Partei ausgebootet wurde.
De Standaard glaubt aber nicht daran, dass der König jetzt Bart De Wever in die Arena schicken wird. Natürlich ist es wohl für einen Regierungsbildner zu früh. Die Zeit für einen Regenbogen ist nicht reif. Andererseits wissen wir im Grunde aber schon längst, dass eine Regierung um die Achse N-VA-PS unrealistisch ist. Diese Formel wurde ja schon monatelang getestet, wenn vielleicht auch nicht durch De Wever selbst. Am wahrscheinlichsten ist denn auch, dass der König eine oder einen flämischen Liberalen mit einer Mission betraut. Ein blauer Vermittler also, der unter anderem auch den flämischen Nationalisten den Puls fühlen soll. Auf diese Weise würde der Regenbogen wenigstens nicht gänzlich in den Kühlschrank verfrachtet.
Starke Arme gefragt, um das belgische Schicksal zu tragen
Mit einem solchen Szenario könnte wohl auch La Libre Belgique leben. Die N-VA hatte ihre Chance. Fünf Monate lang wurde versucht, PS und N-VA an einen Tisch zu bringen. Wenn der Regenbogen vielleicht noch nicht reif ist, so weiß man doch eigentlich, dass eine Achse N-VA-PS von vornherein faul wäre. Wenn man die N-VA wieder zum Zuge kommen lässt, dann stellt man die Weichen in Richtung Neuwahlen. Stattdessen sollte man also weiter auf das Regenbogen-Szenario setzen.
"PS und N-VA schließen sich gegenseitig aus", glaubt Le Soir. Und das mehr denn je. Zwischen den beiden gibt es so gut wie keine Schnittmenge. Von Vertrauen ganz zu schweigen. Blieben also ein erweiterter Regenbogen oder Neuwahlen. Was man jetzt aber schon feststellen kann: Es fehlen starke Arme, um gemeinsam und entschlossen das belgische Schicksal zu tragen. Belgien erlebt seine erste wirkliche existenzielle Krise.
Bis zum bitteren Ende?
Und das eigentlich schon seit einem Jahr. Am 8. Dezember 2018 verließ die N-VA die damalige, so genannte "Schwedische Koalition". Unmittelbarer Anlass war das UN-Migrationsabkommen, der so genannte "Marrakesch-Pakt". Zehn Tage später musste Premierminister Charles Michel seinen Rücktritt einreichen. Seither ist die Regierung geschäftsführend im Amt.
Ein Jahr nach der Marrakesch-Krise erscheint die N-VA nach wie vor wie ein wenig vertrauenswürdiger, gar gefährlicher Partner, meint L'Avenir in seinem Leitartikel. Die Partei scheint weiterhin auf das Thema Migration zu setzen, um seine Wähler vom rechtsextremen Vlaams Belang zurückzugewinnen. Es steht also zu hoffen, dass man den Weg, den Paul Magnette eingeschlagen hat, auch mal zu Ende geht. Scheitert der Regenbogen, dann ist Bart De Wever als Vorsitzender der stärksten Partei des Landes am Ende doch wieder am Drücker. Die Perspektive, das wären dann Neuwahlen Anfang nächsten Jahres.
Roger Pint