"Open VLD hält sich alle Möglichkeiten offen", notiert De Morgen auf Seite eins. "Trotz des Drucks der N-VA macht die Open VLD weiter mit Magnette", vermeldet die Wirtschaftszeitung L'Echo. "Sie ist sich ihrer Sache sicher", titelt Het Nieuwsblad zu einem Bild von Gwendolyn Rutten, der Vorsitzenden der Open VLD.
Die Zeitungen widmen sich ausführlich den Reaktionen auf das Geheimtreffen der "Regenbogenkoalition" am vergangenen Samstag. N-VA und CD&V hatten die Open VLD heftig kritisiert, weil die flämischen Liberalen an dem Treffen mit den Grünen und Sozialisten teilgenommen hatten. Daraufhin hatte die Open VLD ihr Verhalten verteidigt.
L'Echo kommentiert: Das Treffen von Samstagabend ist die logische Konsequenz eines Vorgehens, das im Sommer auch schon die Informatoren Reynders und Vande Lanotte angewandt hatten. Sie – genauso wie jetzt Paul Magnette – haben nach inhaltlichen Übereinstimmungen gesucht und dann die Parteien aussortiert, mit denen keine große Schnittmenge existierte.
Bei Magnette hat das jetzt zu einem Treffen der Parteien geführt, die übrig geblieben sind. Aber entschieden ist noch lange nichts. Die Open VLD hat weder Ja gesagt zu einer Teilnahme am "Regenbogen" noch die Tür zugeschlagen, konstatiert L'Echo.
Erstmals hat man das Gefühl, dass es vorwärts geht
Auch De Morgen unterstreicht: Es ist ganz und gar nicht verwerflich, was Magnette da am Wochenende gemacht hat. Vielmehr ist es erstmals gelungen, Parteien um einen Tisch zu versammeln, die miteinander über eine gemeinsame Regierung reden wollen. Das ist ein Fortschritt.
Erstmals hat man das Gefühl, dass es etwas werden könnte mit einer Regierung. Und wenn sich die N-VA jetzt ärgert, sollte sie sich besser selbst fragen: Warum hat sie so lang gezögert, ihren klaren Willen zur Regierungsbeteiligung kundzutun?, stichelt De Morgen.
Het Nieuwsblad weist darauf hin: Die Open VLD weiß sicher, warum sie dem Regenbogen eine Chance gibt. Zusammen mit der frankophonen Schwesterpartei MR können die flämischen Liberalen in der rot-grün-blauen Konstellation Akzente setzen. Sie können hier ihr Programm besser durchsetzen als in einer "burgundischen" Koalition mit N-VA und PS.
In einer burgundischen Koalition würde die N-VA die wirtschaftspolitischen Akzente setzen, die PS die sozialen; die Liberalen liefen Gefahr, zum fünften Rad am Wagen zu werden, analysiert Het Nieuwsblad.
De Standaard staunt: Magnette hat es geschafft, Bart De Wever in die Defensive zu drängen. Der kündigte gestern an, jetzt selbst eine Initiative zur Regierungsbildung starten zu wollen. Vielleicht ist es dafür schon zu spät. Derweil ist das Spiel, das Gwendolyn Rutten spielt, ein gewagtes. Aber: nicht ohne Aussicht auf Erfolg. Auch der "schwedischen Kamikaze"-Koalition von Charles Michel wurde ein schnelles Ende vorausgesagt – und dann hielt sie doch bis fast zum Ende der Legislatur, erinnert De Standaard.
Vielleicht wäre es besser, der Realität ins Auge zu sehen
Kritisch zeigt sich L'Avenir und fragt: Ist Magnette nicht dabei, wertvolle Zeit zu verschwenden? Seine Versuche, den Regenbogen auf die Beine zu stellen, erinnern an Elio Di Rupo im Sommer. Da hatte der wallonische Informator versucht, eine rot-grüne Minderheitsregierung mit Unterstützung der Zivilgesellschaft in der Wallonie auf die Beine zu stellen. Das wäre die Wunsch-Koalition für Di Rupo gewesen. Aber es klappte halt nicht.
Die Parallelen zu Magnettes Bemühungen um den Regenbogen sind deutlich zu erkennen. Vielleicht wäre es besser, wenn Magnette seine Träume aufgäbe und der Realität ins Auge sähe, rät L'Avenir.
Het Laatste Nieuws bedauert den König und führt aus: Nächsten Montag möchte wohl niemand in der Haut von König Philippe stecken. Dann nämlich wird Informator Paul Magnette in den Palast kommen und sagen: Eine Regenbogenkoalition könnte klappen. Was soll der König dann machen?
Die Rolle des Königs ist klar definiert: Wenn ihm die Möglichkeit einer mehrheitsfähigen Regierung präsentiert wird, sollte er grünes Licht für Regierungsverhandlungen geben. Welche Parteien da zusammensitzen, ist zunächst unerheblich. Dabei ist klar, dass ein Regenbogen eine starke rechte Opposition in Flandern aushalten müsste - was bei den nächsten Wahlen zu einem Ergebnis führen könnte, das dann selbst den Fortbestand des Königreichs in Frage stellen könnte, warnt Het Laatste Nieuws.
Worauf warten wir noch?
Zum Weltklimagipfel, der Montag in Madrid begonnen hat, schreibt La Libre Belgique: Leider ist festzustellen, dass die großen Erwartungen nicht erfüllt wurden, die der Klimagipfel 2015 in Paris geweckt hatte. Denn seitdem hat es keine wirksamen Anstrengungen gegeben, etwas gegen den Klimawandel zu tun.
Die Folgen spürt die Menschheit fast täglich durch Naturkatastrophen überall auf der Welt. Die einzige Frage, auf die Madrid jetzt eine Antwort geben muss, ist: Worauf warten wir noch, um endlich etwas zu tun?, schließt La Libre Belgique.
De Tijd meint: Die Politiker tun sich auch deshalb schwer, klimapolitische Maßnahmen zu beschließen, weil das die Bürger Geld kosten wird. Und die Bürger wollen nicht mehr zahlen. Dieses Dilemma muss gelöst werden.
Die Bürger müssen verstehen, dass auch sie ihren Beitrag zur Klimarettung leisten müssen. Und die Politiker müssen es schaffen, die Bürger von unpopulären Maßnahmen zu überzeugen, fordert De Tijd.
Kay Wagner