"Von der Leyen-Kommission endlich bestätigt", titelt Le Soir. Und die flämische Wirtschaftszeitung De Tijd schreibt: "Von der Leyen-Kommission kann loslegen". Mit etwas Verspätung hat das EU-Parlament gestern der neuen EU-Kommission von Ursula von der Leyen zugestimmt. Und zwar mit einer komfortablen Mehrheit von 461 Stimmen.
Le Soir schreibt dazu: Die Kommission kann ihre Arbeit mit einem soliden politischen Kapital in Angriff nehmen. Das zeigt auch, dass dieses Parlament, von dem man glaubt, dass es durch die Schwächung der zwei großen politischen Fraktionen – der konservativen EVP und den Sozialdemokraten – sowie der Zersplitterung der pro-europäischen Kräfte unregierbar geworden sei, doch fähig ist, eine Mehrheit für die gemeinsame Sache zusammen zu bekommen. Auf der anderen Seite sollte man sich aber keine Illusionen machen. Für die Unterstützung der Abgeordneten sind viele Zugeständnisse in alle Richtungen gemacht worden. Die gestrige Mehrheit für die Kommission lässt nicht unbedingt darauf schließen, dass alle ihr in Zukunft folgen werden, befürchtet Le Soir.
Es gibt einiges zu tun
Nach Ansicht von Het Belang van Limburg hat Ursula von der Leyen einiges zu tun: Europa muss die Ambition haben, geopolitisch eine wichtige Rolle zu spielen. Die europäische Lebensweise muss gefördert werden, was immer das auch konkret bedeutet. Europa muss es in Sachen Digitalisierung mit der Konkurrenz aus den USA und China aufnehmen. Vor allem aber muss Europa im Kampf gegen den Klimawandel nach vorne preschen. Für diese und andere Pläne sind Milliarden nötig. Die allererste Aufgabe von der Leyens besteht dann auch darin, die Finanzierung sicherzustellen, notiert Het Belang van Limburg.
Ähnlich sieht es auch L'Avenir. Von der Leyen muss zahlreiche Klippen umschiffen. Zuallererst den Brexit, der schon in den ersten Wochen ihres Mandates Realität wird, insofern die Briten am 12. Dezember ihrem Premierminister Boris Johnson grünes Licht geben. Anschließend gilt es dann, die zukünftigen Beziehungen zwischen Europa und dem Vereinigten Königreich zu regeln. Der Brexit ist auch Ausdruck eines Misstrauens gegenüber den europäischen Institutionen, das die von der Leyen-Kommission überwinden muss. Und auch da sind die Perspektiven wenig ermutigend: der Aufstieg des Populismus in einigen Ländern, nationalistische Abschottung in anderen und mangelnde Solidarität zwischen den europäischen Ländern in wichtigen Fragen wie beispielsweise bei der Verteilung von Migranten, stellt L'Avenir fest.
Keine leichte Aufgabe
Die flämische Wirtschaftszeitung De Tijd äußert sich in ihrem Leitartikel zum neuen Proximus-Chef Guillaume Boutin. Der Verwaltungsrat hat sich nicht für einen der Namen entschieden, die sonst fallen, wenn hierzulande nach einem Manager für einen großen Staatsbetrieb gesucht wird. Man hat sich für den Franzosen Guillaume Boutin entschieden. Jemand aus dem eigenen Haus. Es ist eine Wahl der Kontinuität. Boutin kennt den Laden. Er war Chef der Kundenabteilung von Proximus. Er braucht keine Monate, um sich einzuarbeiten und den Auftrag fortzuführen, den seine Vorgängerin Dominique Leroy durch ihren abrupten Weggang unvollendet hat liegen lassen: Proximus von einem Telekommunikationsbetrieb in ein Digital- und Datenunternehmen umzubauen. Das wird keine leichte Aufgabe.
Hinzu kommt noch, dass der von Leroy erstellte Umstrukturierungsplan mit dem Abbau von 1.900 Stellen bei der gleichzeitigen Rekrutierung von 1.250 neuen digitalen Profilen soziale Unruhen hervorgerufen hat. Die zwei größten Gewerkschaften haben dann auch gestern den Sozialplan verworfen. Hinzu kommt: Der Umsatz mit traditionellen Telekomaktivitäten ist rückläufig. Das Unternehmen muss neue Einkunftsquellen suchen, indem es digitale Dienste entwickelt. Und um konkurrenzfähig zu bleiben, muss Proximus einiges in die Netzwerkinfrastruktur investieren, sowohl in ein Glasfasernetz als auch in das 5G-Netz für mobilen Datenverkehr, rät De Tijd.
Frauen nicht schuldig, sondern Opfer
Andere Zeitungen kommentieren die derzeitige Debatte um eine Reform des Abtreibungsgesetzes. La Libre Belgique notiert: Ein gewollter Schwangerschaftsabbruch ist immer auch ein Scheitern. Keine Frau entscheidet sich dafür, ohne auch darunter zu leiden. Die Frauen, die auf eine Schwangerschaft verzichten, eine Familie zu gründen oder zu vergrößern, befinden sich immer in einer Notlage. Diese Frauen sind nicht schuldig: Sie sind Opfer einer Gesellschaft, die es ihnen nicht erlaubt, ein Kind zu bekommen, glaubt La Libre Belgique.
De Morgen schreibt zum selben Thema: Die Verlängerung der Frist von zwölf auf 18 Wochen, in der eine Abtreibung erlaubt sein soll, kann nicht die einzige Antwort sein auf dieses Problem. Als Gesellschaft müssen wir alles daran tun, um unerwünschte Schwangerschaften zu vermeiden. Wir müssen uns einsetzen für Aufklärung, Unterstützung und bessere Lebensumstände. Wenn Studien zeigen, dass wer abtreibt, oft schlechter ausgebildet ist und ein niedrigeres Einkommen hat, dann muss man genau daran arbeiten, fordert De Morgen.
Volker Krings