"Risse im Gehaltsplafond bei Proximus", titelt De Morgen am Montag. Im Zentrum einiger Leitartikel steht die Diskussion um die Gehaltsobergrenze bei Staatsunternehmen. Angestoßen wurde die Debatte durch den überraschenden Weggang von Proximus-Chefin Dominique Leroy zum niederländischen Konkurrenten KPN. Proximus-Verwaltungsratspräsident Stefaan De Clerck sieht die derzeitige Gehaltsobergrenze von 650.000 Euro im Jahr als ein Handicap, einen Nachfolger zu finden und will die von der Politik auferlegte Beschränkung lockern.
Wie viel darf ein CEO mehr verdienen?
Dazu schreibt Het Belang van Limburg: Wer mehr will, muss auch zahlen, was der Markt verlangt. Der Wert eines Geschäftsführers ist allerdings schwer zu bestimmen. Sind gute Unternehmensresultate das Verdienst eines genialen CEO oder günstiger Marktumstände? Diese Unklarheit führt unvermeidlich zu ideologischen Diskussionen.
Links werden sie finden, dass sich die Politik aus moralischen Gründen um die Einkommensunterschiede kümmern muss. Aber wie viel darf ein CEO denn mehr verdienen als der am schlechtesten bezahlte Arbeitnehmer? Fünf, zehn oder 20 Mal mehr?
Rechts wird man anführen, dass die Politik dafür sorgen soll, dass börsennotierte Staatsbetriebe autonom über die Gehälter ihrer CEOs entscheiden, und so auch mehr Jobs und auch mehr Wert schaffen können. Vielleicht hat die schleppende Regierungsbildung doch noch was Gutes. Die Diskussion über die Top-Löhne kann jetzt noch mit auf den Verhandlungstisch. Jetzt gilt es noch Parteien zu finden, die das Ganze anschieben wollen, wünscht sich Het Belang van Limburg.
Zynische Selbstverständlichkeit
Andere Zeitungen kommentieren einen anderen Aspekt in der ganzen Geschichte. Leroy hatte Anfang August 10.000 Proximus-Aktien im Wert von 285.000 Euro verkauft. Die Börsenaufsicht ermittelt. Denn sollte Leroy zu dem Zeitpunkt schon ihren Weggang beschlossen haben, dann hätte sie die Anteile nicht verkaufen dürfen. Dazu meint De Morgen: Man darf annehmen, dass die Sache im Sande verlaufen wird. 285.000 Euro sind nun auch nicht so viel für einen Top-Manager. Vielleicht ist dann auch nicht der Lohn der große Stolperstein bei der Suche nach einem neuen Top-Manager, sondern die Selbstverständlichkeit mit der Unternehmensverantwortliche mit solchen Beträgen um sich schmeißen. Das ist Zynismus.
Aber noch viel zynischer ist das Ganze vor dem Hintergrund der Situation bei Proximus. Das Unternehmen muss sich neu organisieren, dabei verschwinden 1.900 Arbeitsplätze. Aber es scheint so, als wäre die größte Schwierigkeit, jemanden zu finden, der den Betrieb für eine kleine Million führen will. Verwaltungsratspräsident Stefaan De Clerck schlägt vor, dass der CEO einen Bonus erhalten soll, wenn er langfristige Zielsetzungen erreicht. Wenn es dem Betrieb gut geht, dann soll der Top-Mann oder die Top-Frau auch dafür belohnt werden. Wäre es da nicht eine verrückte Idee, dann auch den Arbeiter ganz unten an der Pyramide dafür zu belohnen?, so De Morgen sarkastisch.
Le Soir sieht in der ganzen Affäre vor allen Dingen eins: Die Problematik um die Gehälter der Top-Manager offenbart den wachsenden sozialen Graben, der in einer zerbrechlichen Gesellschaft mit komplexen Herausforderungen Unverständnis und Empörung hervorruft. Die großen Chefs und die einfachen Leute leben auf zwei komplett verschiedenen und sich voneinander entfernenden Planeten. Die aktuellen Ereignisse zeigen die extreme Kniffligkeit des Themas und wie viel Sensibilität und Pädagogik es braucht, um das gegenüber der Gesellschaft darzustellen. Das gilt auch für Dominique Leroy, die zwar das Recht hat, Karriere zu machen, aber auch die Pflichten, die ihre privilegierte Position mit sich bringen: Kritik anhören, Rechenschaft ablegen und größtmögliche Transparenz zeigen, meint Le Soir.
Milchbauern ziehen wieder in den Kampf
L'Avenir blickt am Montag auf eine Ereignis von vor zehn Jahren zurück. Am 16. September 2009 verschütteten Milchbauern drei Millionen Liter Milch auf einer Wiese in Ciney. Damit wollten sie auf ihre prekäre Situation hinweisen. Anlässlich des Jahrestages werden am kommenden Montag 1.000 Traktoren in Ciney erwartet. Dazu schreibt die Zeitung: In zehn Jahren hat sich für unsere Landwirte nichts verändert. Zehn Jahre nach dem "Milchstreik" müssen wir feststellen, dass die belgische Landwirtschaft immer noch gerade so den Kopf über Wasser hält. Zehn Jahre später geht es nicht um ein emotionales Erinnern. Die Landwirte wollen wieder in den Kampf ziehen. Und das nicht unbedingt mit Blumen am Gewehr. Sie verlangen, mit ihrem Beruf ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Der Milchpreis ist nicht mehr auf dem Niveau von 2009, erlaubt aber den meisten Produzenten nicht, davon zu leben.
Der Augenblick ist entscheidend, da Europa gerade dabei ist, seine Exekutive neu zusammenzustellen. Ob der zukünftige Landwirtschaftskommissar geneigt ist, dem Anliegen der Produzenten ein offenes Ohr zu leihen, die Milchproduktion zu begrenzen, damit die Preisen steigen? Um erhört zu werden, müssen die Milchbauer sich auf europäischem Niveau mobilisieren. Die geplante Aktion am 16. September in Ciney mit 1.000 Traktoren ist der Startschuss für eine viel breitere Mobilmachung, nicht nur im Milchsektor. Eine Frage bleibt: Sind die Landwirte bereit in einen lang anhaltenden Kampf zu ziehen? Das schaffen sie nur, wenn sich die Verbraucher ihrer Sache anschließen, glaubt L'Avenir.
Volker Krings