"Sozialisten gewinnen in Spanien, haben aber keine Mehrheit", schreibt L'Echo auf Seite eins. Gleich mehrere Zeitungen kommen in ihren Berichten und Leitartikeln auch am Dienstag noch einmal auf das Ergebnis der Parlamentswahlen in Spanien zurück. De Morgen analysiert: Viel war am Montag die Rede davon, dass in Spanien erstmals seit Ende des Franco-Regimes mit Vox jetzt eine rechtsradikale Partei ins Parlament einzieht. Viele sprachen am Montag von einer Radikalisierung Spaniens. Doch das ist gar nicht so.
Eigentlich hat Spanien am Sonntag vor allem rot und regional gewählt. Die Sozialisten konnten deutlich an Stimmen gewinnen. Auch Regionalparteien in Katalonien, dem Baskenland und auf den Kanarischen Inseln legten zu. Am rechten Rand geht der Erfolg von Vox einher mit erdrutschartigen Verlusten der konservativen PP. Die aber auch Stimmen an die Liberalen verlor. Trotzdem wird eine Regierungsbildung für die Sozialisten nicht einfach. Aber sie senden immerhin das Zeichen, auch nach Europa: Sozialisten können noch gewinnen, notiert De Morgen.
Rot hat gewonnen
Ähnlich kommentiert Het Belang van Limburg. Rot hat gewonnen in Spanien. Doch die Probleme, die zu den vorgezogenen Wahlen führten, bleiben bestehen. Denn eine Regierungsbildung wird ohne die Regionalisten aus Katalonien wohl nicht gehen. Diese hatten die letzte Regierung zu Fall gebracht. Die kommende spanische Regierung wird wieder von den Sozialisten geführt werden. Einfacher wird das Regieren jedoch nicht werden, weiß schon jetzt Het Belang van Limburg.
L'Echo hingegen richtet seinen Fokus auf die rechtsradikale Vox und schreibt: Die europafeindliche Familie wird also größer. Der Aufstieg von Vox, der einhergeht mit herben Verlusten für die PP, ist ein Phänomen, das man überall in Europa beobachten kann. In der Katalonien-Krise hatten die spanischen Konservativen wieder an das spanische Nationalgefühl appelliert, um ihre harte Haltung gegenüber Katalonien zu rechtfertigen. Viele Spanier haben daran Gefallen gefunden, geben aber jetzt ihre Stimme lieber einer Partie, die diese nationale Linie noch kompromissloser vertritt. Das passiert überall in Europa, wo die deutliche Abgrenzung der klassischen konservativen Parteien gegenüber Rechtsextreme bröckelt. Der Wähler bevorzugt letztlich das rechtsextreme Original. Europa kann sich für die anstehenden Europawahlen warm anziehen, warnt L'Echo.
Griechische Philosophie immer noch aktuell
La Dernière Heure notiert zur Einordnung von Vox: Viele sehen in Vox eine Rückkehr Spaniens zur Franco-Ära. Doch führt der Vergleich in die Irre. Vox wurde vor allem gegründet, um die Einwanderung nach Spanien zu stoppen. Es ist eine Antimigrationspartei, die sich mit Themen auseinandersetzt, die es zur Franco-Ära noch gar nicht gab. So ist es mit vielen rechtsextremen Parteien: Sie werden gerne verglichen mit Parteien aus der Geschichte. Aber diese Vergleiche hinken alle. Denn jede Zeit hat ihre eigenen Gesetze. "Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen". Diese Formel von vor 2500 Jahren ist auch heute noch gültig, erinnert La Dernière Heure.
L'Avenir schaut auf den morgigen Ersten Mai und führt aus: Wie jedes Jahr wird gerade die sozialistische Gewerkschaft FGTB wieder versuchen, Menschenmassen in Mai-Demonstrationen auf die Straße zu bringen. Das wird trotz der anstehenden Wahl in knapp drei Wochen sicher nicht ganz einfach werden. Denn auch die Linke wird von einem Phänomen nicht verschont, das man überall in der Gesellschaft feststellen kann: nämlich die Vielfalt der Interessen, Anliegen und Standpunkte. Das macht Mobilisierungen unter einem gemeinsamen Motto immer schwieriger. So etwas ist aber nötig, wenn man etwas erreichen will. Darüber sollte sich die Linke im Klaren sein, obwohl Vielfalt ja an sich durchaus etwas Positives ist, gibt L'Avenir zu bedenken.
Wirtschaftspolitisches Armutszeugnis
De Standaard macht sich Sorgen um den frankophonen Landesteil und hält fest: Trotz aller Anstrengungen der vergangenen 30 Jahre bleibt es dabei: Belgien besteht aus zwei Teilen. Der frankophone Landesteil leidet immer noch an hoher Arbeitslosigkeit und deutlich größerer Armut, als es sie in Flandern gibt. Daran haben all die Marshall-Pläne, Finanzspritzen und Strukturreformen nichts geändert. Soll Flandern das egal sein in dem Moment, wo Flandern nicht mehr zu Ausgleichszahlungen für die Wallonie und Brüssel gezwungen ist? Auf keinen Fall. Denn der schlechte Zustand des frankophonen Landesteils zieht ganz Belgien nach unten. Flandern muss im eigenen Interesse handeln. Doch dank der vielen Staatsreformen wird es immer schwieriger, mit einem föderalen Instrument die gesamtbelgische Situation zu verbessern, bedauert De Standaard.
Le Soir beschäftigt sich mit dem chinesischen Online-Riesen Alibaba. Der will ja am Flughafen Lüttich sein europäisches Drehkreuz errichten. Le Soir meint: Viele haben im vergangenen Herbst darüber gejubelt, als Alibaba den Standort Lüttich bekanntgab. Doch eigentlich ist das Ganze ein Armutszeugnis für die Wallonie, für Belgien und sogar für Europa. Wir selbst schaffen es nicht mehr, zukunftsfähige Wirtschaftsunternehmen bei uns aufzubauen. Wir sind auf zweifelhafte Investoren aus China angewiesen. Was für ein Jammer, beklagt Le Soir.
Kay Wagner