"In jedem fünften Betrieb verdient die Frau mehr als der Mann", titelt heute De Standaard. Männer verdienen zwar durchschnittlich 16 Prozent mehr als Frauen, doch in einem von fünf Unternehmen ist es umgekehrt. Die Zeitung meint dazu: Das ist überraschend, aber das andere kommt immer noch häufiger vor. Die ungleiche Situation zwischen Männern und Frauen ist weniger die Folge von expliziter Diskriminierung oder einer Unterschätzung weiblicher Kompetenzen, als vielmehr von tiefverwurzelten gesellschaftlichen Strukturen.
Die Elternschaft spielt da eine zentrale Rolle: Dass junge Frauen derzeit bis zu ihrer Mutterschaft durchschnittlich mehr verdienen als junge Männer ist vielsagend. In diesem Moment kommen dann die traditionellen Rollenmodelle wieder hervor. Dann zählt die Karriere des Mannes mehr als die der Frau. Ermutigend ist auf jeden Fall, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen. Die Lohnlücke wird jedes Jahr kleiner. Traditionelle Rollenmuster bröckeln. Und dass junge Frauen jetzt besser ausgebildet den Arbeitsmarkt betreten als junge Männer, das rechtfertigt die Erwartungen, dass die umgekehrte Lohnlücke sich immer öfter auftun wird. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt werden vielleicht niemals ganz verschwinden, aber so lange sie finanziell im Gleichgewicht sind, ist schon viel erreicht, meint De Standaard.
Ist das kohärent?
Einige Zeitungen kommen heute noch einmal auf die Brexit-Fristverlängerung zurück. La Libre Belgique vergleicht die Brexit-Saga mit Schrödingers Katze: EU und Großbritannien bereiten sich seit mehr als zwei Jahren auf den Brexit vor. Doch solange er nicht da ist, ist es unmöglich, mit Sicherheit zu sagen, ob er überhaupt eines Tages kommen wird. Und wenn ja: ob er geordnet oder chaotisch sein wird. Um einen wilden Brexit diesen Freitag null Uhr zu vermeiden, haben die 27 Staats- und Regierungschefs entschieden, den Austritt Großbritanniens auf den 31. Oktober zu verschieben. Das ist eine verantwortungsvolle Entscheidung: Man muss den Briten Zeit geben, einen internen Konsens zu finden, um dem Austrittsvertrag vom letzten November zuzustimmen. Die Konsequenzen eines "No deal" wären bestenfalls schlecht – und im schlimmsten Fall katastrophal. Für alle, warnt La Libre Belgique.
Le Soir sieht die Entscheidung zur Fristverlängerung etwas kritischer: Vor drei Wochen hatten die 27 beschlossen, Großbritannien nur dann einen Aufschub zu gewähren, wenn es ihnen einen glaubwürdigen, von einer politischen Mehrheit unterstützten Plan präsentiert. Diesen glaubwürdigen Plan gibt es aber nicht. Genauso wenig wie eine Mehrheit im Parlament. Es sei denn, um jegliche Pläne, die ihm vorgelegt werden, zu verwerfen. Und siehe da: Man gewährt trotzdem sechs Monate Aufschub. Ist das kohärent? Die 27 haben sich dafür entschieden, sich leicht beruhigen zu lassen. Dafür gibt es einen guten und einen schlechten Grund. Der gute: Es ist legitim, dass die Männer und Frauen an der Spitze ihrer Länder zögern, eine Entscheidung zu treffen, die einen No-deal-Brexit provozieren könnte, das Synonym für Chaos. Der schlechte Grund: Sie haben das Risiko eines harten Brexits nur deswegen nach hinten verschoben, damit er ihnen nicht die Europawahlen vermasselt. Verschafft sich die EU damit wirklich den Respekt ihrer Bürger und des Rests der Welt?, fragt sich Le Soir.
Alle Optionen sind (wieder) offen
Ähnlich sieht das die Wirtschaftszeitung De Tijd: Die Verlängerung löst gar nichts, sie bietet lediglich etwas Zeitgewinn. Alle Optionen sind offen: ein schneller Deal, ein neues Referendum, Neuwahlen oder dann doch der harte Brexit. Die Unsicherheit für die Wirtschaft bleibt genauso groß wie in den vergangenen vier Monaten. Die einzige Sicherheit ist, dass diese Unsicherheit noch einmal sechs Monate länger andauert. Es sei denn, auf wundersame Weise fiele doch noch vor dem 22. Mai ein Deal vom Himmel. Im Vereinigten Königreich gibt es nur Wenige, die darauf wetten – außer der unerschütterlichen Premierministerin May, bemerkt De Tijd.
Das schöne Bild zerbröckelt
L'Avenir greift die Tatsache auf, dass bei der gestrigen Klimademonstration in Brüssel gerade einmal 1.100 Teilnehmer dabei waren. Die Zeitung fragt sich, was an der Klima-Front los ist: Das schöne Bild zerbröckelt, genauso wie die Erdkruste unter der Hitze des Klimawandels. Das schöne Bild, das sind die jungen Donnerstagsdemonstranten – motivierte Jugendliche, verantwortungsbewusst, respektvoll, die mit Frechheit und Humor den Planeten retten wollen. Zweifellos liegt es in der Natur der Sache: bescheiden beginnen, dann über mehrere Wochen wachsen und schließlich nachlassen. Das Gesetz von Überdruss und der unabänderlichen Abnutzung menschlicher Leidenschaft.
Man muss allerdings auch zugeben, dass die gerade erst sensibilisierten jungen Leute von der Politik Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommen haben, indem die sich geweigert hat, ein Klimagesetz zu verabschieden. Und es ist immer schwieriger, sich nach einer Niederlage neu zu mobilisieren. Die Zeitung rät den Jugendlichen, nicht die Fehler ihrer Eltern zu wiederholen: Augen verschließen, so tun als ob, auf die anderen zählen und die Arbeit den kommenden Generationen aufhalsen.
Volker Krings