"Charles Michel entschuldigt sich in Ruanda", titelt De Morgen. "Belgien will sich seinem Teil der Verantwortung stellen", so die Schlagzeile von Le Soir. Das GrenzEcho formuliert es ähnlich: "Belgien übernimmt Teil der Verantwortung", schreibt das Blatt.
In Ruanda ist gestern der Opfer des Völkermords vor 25 Jahren gedacht worden. Als Auslöser gilt der Abschuss der Präsidentenmaschine am 6. April 1994, Präsident Juvénal Habyarimana kam dabei ums Leben, er gehörte der Volksgruppe der Hutu an. Im Anschluss machten radikale Hutus Jagd auf Angehörige der Tutsi-Minderheit. Mindestens 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu wurden brutal ermordet. Belgien trägt eine unmittelbare Mitverantwortung für die Tragödie: Nach dem Tod von zehn belgischen Blauhelmen in der ruandischen Hauptstadt Kigali hatte die Brüsseler Regierung alle Soldaten aus Ruanda abgezogen. Das gab den Mördern letztlich freie Hand.
Le Soir beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit der Aufarbeitung des Völkermords: "25 Jahre sind nichts", meint das Blatt. Die Wunden sind noch längst nicht verheilt. Davon abgesehen hat sich aber in Ruanda ein kleines Wunder vollzogen. Nicht nur, dass die Bürger jetzt friedlich zusammenleben. Auch wirtschaftlich kann man das Land fast schon als einen Leuchtturm in Afrika bezeichnen. Präsident Paul Kagame hat denn auch zu Recht die Widerstandsfähigkeit und den Mut seines Volkes gewürdigt. Und doch muss man wachsam bleiben: 25 Jahre reichen nicht, um ideologische Verblendung verschwinden zu lassen.
"Nie wieder!", so auch der flammende Appell von L'Avenir. Ein neuer Völkermord wie der von Ruanda muss mit allen Mitteln verhindert werden. So etwas hat man allerdings schon oft gehört. Der Erste Weltkrieg etwa sollte der letzte Großkonflikt sein. Und doch warf schon direkt danach der Zweite seine Schatten voraus. Und auch in jüngerer Vergangenheit, nach der Shoah, gab es noch ethnische Säuberungen, etwa im Irak oder in Bosnien-Herzegowina. Die Ursachen sind immer die gleichen: Einigelung, Intoleranz, Hass. Nicht vergessen: Inzwischen werden auch die Grundfesten der Europäischen Union infrage gestellt, ungeachtet unserer eigenen tragischen Geschichte.
Karten auf den Tisch
"Muss Vermögen stärker besteuert werden? Die Parteien legen ihre Karten auf den Tisch", so derweil die Aufmachergeschichte von La Libre Belgique. Schaut man sich besagte Karten an, dann stellt man fest: Fast alle Parteien sind für eine Vermögenssteuer, mit Ausnahme der beiden liberalen Parteien MR und OpenVLD sowie den flämischen Nationalisten, also der N-VA und des Vlaams Belangs.
Dabei wird Kapital doch schon besteuert, wendet La Libre in ihrem Leitartikel ein. Die Debatte wird von Klischees geprägt. Es klingt logisch, dass man den Armen hilft, indem man die Reichen ärmer werden lässt. Am Beispiel Frankreich sieht man aber, dass eine Vermögenssteuer nur Investoren in die Flucht schlägt und für einen Exodus von Hunderten Milliardären gesorgt hat. Belgien ist bestimmt kein Steuerparadies. In den letzten Jahren ist der Steuerdruck auf Kapital nur größer geworden. Eine zusätzliche Vermögenssteuer hätte denn fast schon auch selbstzerstörerische Wirkung: Unternehmer würden ihre Firmen verkaufen und junge Gründer würden ins Ausland gehen.
"Was für ein Kindergarten!"
Einige flämische Zeitungen beschäftigen sich mit einem bizarren Schlagabtausch auf Twitter: Auftakt war eine Meldung am Samstag unter anderem in Het Belang van Limburg. Demnach habe sogar US-Präsident Donald Trump Klarheit gefordert angesichts der Visa-Affäre um den früheren N-VA-Asylstaatssekretär Theo Francken. Die OpenVLD-Chefin Gwendolyn Rutten wandte sich daraufhin auf Twitter an Donald Trump, um darauf hinzuweisen, dass die liberale Ministerin Maggie De Block die von Francken geöffnete Hintertür inzwischen geschlossen habe. Theo Francken reagierte mit den Worten: "Glauben Sie nicht den Liberalen, sie waren die größten Fans von Hillary Clinton."
Was für ein Kindergarten!, wettert Het Laatste Nieuws sinngemäß in seinem Kommentar. Mit dieser Schlammschlacht sorgt man allenfalls dafür, dass das Vertrauen der Amerikaner in unser Land auf die Probe gestellt wird. Bislang können Belgier noch ohne großen bürokratischen Aufwand in die Vereinigten Staaten reisen. Inzwischen muss man hoffen, dass das auch so bleibt.
Noch hat das Weiße Haus nicht reagiert, und auch die amerikanische Presse hat den belgischen Visa-Skandal noch nicht aufgegriffen, stellt Het Belang van Limburg fast schon erleichtert fest. In jedem Fall ist der Brief der US-Botschaft für Theo Francken ein herber Schlag. Sein Image wird dadurch zusätzlich ramponiert. Dass ausgerechnet die Amerikaner Kritik an seiner Politik üben, muss für ihn besonders schmerzhaft sein, gehört Francken doch zu den Wenigen in Belgien, die Trump öffentlich unterstützen. Nicht zufällig hat Francken denn auch das Ganze als "Fake News" abgetan, das ist schließlich der Lieblingsbegriff von Donald Trump. Es sind aber keine Fake News. Francken sollte mit diesen zwei Wörtern sparsam umgehen.
Ein überraschender Sieger
Was viele flämische Zeitungen heute aber wirklich bewegt, das ist die Flandernrundfahrt. Gewonnen hat den Radklassiker gestern ein Italiener, den eigentlich niemand auf dem Schirm hatte: "Alberto Bettiol spielt alle Favoriten aus", schreibt Het Belang van Limburg. Het Laatste Nieuws ist direkter: "Der Mann, der die Ronde bestimmt nicht gewinnen würde, hat gewonnen", schreibt das Blatt. Gazet van Antwerpen ist genauso erstaunt: "Alberto Bettiol ist ein so überraschender Sieger, dass er es selbst nicht glauben kann."
Roger Pint