"Die Stunde der Wahrheit für das Klimagesetz", titelt Le Soir. "Drei flämische Parteien begraben das Klimagesetz", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Klimagesetz prallt auf Politik", notiert De Standaard auf Seite eins.
Das umstrittene Klimagesetz, das die grünen Parteien in der Kammer eingereicht hatten, muss am Dienstag seine erste politische Hürde nehmen. Der Ausschuss für Verfassungsänderung muss einer Grundgesetzänderung zustimmen, um den weiteren Weg für das Klimagesetz frei zu machen. Die drei flämischen Parteien N-VA, CD&V und OpenVLD sind allerdings immer noch gegen dieses Klimagesetz.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo kommentiert: Es ist klar, dass ein Sondergesetz zum Klima, um das es hier geht, nicht auf einen Schlag alle Probleme lösen würde. Ein solches Gesetz hätte vor allem symbolischen Wert - und Symbole sind durchaus wichtig. Die Bedenken, die die drei flämischen Parteien gegen dieses Gesetz erheben, sind begründet durch einen regionalen Reflex und die Sorge um die Kosten, die auf flämische Unternehmen zukommen könnten. Die belgische Politik steht am Scheideweg. Sie kann sich dann entscheiden, die unausweichlichen Veränderungsprozesse schmerzlich zu erleiden oder diese Veränderung proaktiv selbst zu gestalten, resümiert L'Echo.
Wie ein Schrank mitten auf der Bühne
L'Avenir zieht einen Vergleich: Das Klima ist wie ein großer Schrank, der gerade ein bisschen zu groß geworden ist, seitdem Zehntausende von Menschen ihn inmitten auf die politische Bühne gestellt haben. Denn nicht alle auf dieser politische Bühne wollen diesen Schrank öffnen. Die Flamen würden ihn gerne wieder herunterstoßen von der Bühne; der Schrank ist ihnen einfach zu lästig. Öffnen will ihn auch kaum jemand, denn man fürchtet die Folgen, die das haben könnte. Das könnte sich noch rächen, denn der Schrank könnte eines Tages explodieren und dadurch großen Schaden anrichten. Und das nur, weil keiner ihn früh genug geöffnet hat, warnt L'Avenir.
La Libre Belgique ist sich sicher: Am Dienstag wird es eine einfache Mehrheit im Ausschuss dafür geben, um das Klimagesetz zu ändern. Danach wird es aber nicht weitergehen. Denn im Plenum wird es die nötige Zweidrittelmehrheit für das Gesetz nicht geben. Und dann? Muss man das bedauern? Bedauern, dass das Gesetz nicht in aller Eile verabschiedet worden ist? Oder sollte man vielmehr Lehren daraus ziehen, sich in der nächsten Legislaturperiode mehr Zeit für eine vernünftige Gesetzgebung für eine ambitionierte Klimapolitik geben? Um wirklich nachhaltige, wirtschaftlich finanzierbare und sozial annehmbare Maßnahmen zu beschließen?, fragt La Libre Belgique.
Parallele zum Atomausstieg
Ähnlich De Morgen, das notiert: Es ist vielleicht gar nicht mal so schlimm, dass das Klimagesetz jetzt zunächst scheitern wird. Denn was mit Gesetzen passieren kann, die große Ziele verfolgen aber quasi im Hauruckverfahren, ohne konkreten Fahrplan verabschiedet werden, zeigt das Atomausstiegsgesetz. Immer noch laufen in Belgien alle Atomkraftwerke. Tatsächlich wäre auch für ein Klimagesetz ein anderer Weg besser: nämlich zunächst die gesellschaftliche Dringlichkeit feststellen. Dann Expertisen und Lösungsvorschläge einholen, um letztlich alles politisch zu beschließen. Der Erfolg ist dabei nicht garantiert; aber es erspart den Bürgern die Erfahrung, dass sie durch ein jetzt schnell verabschiedetes Klimagesetz enttäuscht werden könnten, glaubt De Morgen.
De Tijd meint: Ein föderales Klimagesetz brauchen wir sowieso nicht. Die beste Klimapolitik kann dann gemacht werden, wenn sich Föderalstaat und die Teilstaaten auf einen von allen getragenen Pakt einigen. Dass das bislang nicht passiert ist, zeigt, wie schlecht es um das nationale Gefüge unseres Staates geht, bedauert De Tijd.
Le Soir seinerseits schimpft: Dieses Klimagesetz ist eine Schande für unsere Politiker. Denn es macht deutlich, dass sie es versäumt haben, eine vernünftige Klimapolitik in den vergangenen Jahren zu führen. Sie haben sich als unfähig erwiesen, und jetzt sieht es so aus, als ob die Brechstange das korrigieren müsste. Es wird endlich Zeit, dass die Politiker erkennen, dass der wirkliche Feind in dieser ganzen Angelegenheit nicht die Menschen sind, die jetzt mit Nachdruck eine bessere Klimapolitik fordern, sondern sie, die Politiker selbst, wettert Le Soir.
Wähler werden entscheiden
Gazet van Antwerpen überlegt: Das klare Nein von N-VA, OpenVLD und CD&V ist wahrscheinlich wahltaktisch bedingt. Ein Blick in die Niederlande macht das deutlich. Dort hat der rechtsradikale Thierry Baudet gerade die Wahl gewonnen. Viele Stimmen bekam er dabei von Menschen, die sich vor der Klima-Hysterie fürchten, die auch unser Nachbarland erfasst hat. Wie die Belgier zum Thema Klima stehen, werden, nach dem jetzt zur erwartenden Scheitern des Klimagesetzes, die Wahlen am 26. Mai zeigen, prophezeit Gazet van Antwerpen.
Het Laatste Nieuws findet das sogar den einzig richtigen Weg und argumentiert: In einer Demokratie sind es immer noch die gewählten Politiker, die Entscheidungen treffen. Und nicht irgendwelche Aktivisten, die vor Parlamenten in der Hauptstadt campieren. Die nächsten Wahlen sind schon bald; die Entscheidung über die Klimapolitik liegt in der Hand der Wähler, erinnert Het Laatste Nieuws.
Kay Wagner