"Engie zählt darauf, dass zwei Kernkraftwerke bis 2045 am Netz bleiben", titelt De Tijd. Der Mutterkonzern des Atomkraftwerkbetreibers Electrabel geht also nach eigenen Worten davon aus, dass der Atomausstieg nicht wie geplant 2025 vollständig umgesetzt sein wird. Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit müssten zwei Reaktoren in Betrieb bleiben, nämlich die beiden jüngsten - also Tihange 3 und Doel 4.
"Belgien muss bis Anfang 2020 über eine mögliche Laufzeitverlängerung entscheiden", sagt auch der Engie-Aufsichtsratsvorsitzende Jean-Pierre Clamadieu auf Seite eins von La Libre Belgique. Ein möglicher Grund für diese Vorstöße steht auf der Titelseite von L'Echo: "Die unsichere Laufzeitverlängerung der belgischen Atomkraftwerke sorgt für Abwertungen bei Engie", schreibt die Wirtschaftszeitung. Konkret hat Engie in seinen Büchern den Wert des belgischen Atomparks um 615 Millionen Euro nach unten korrigieren müssen.
Den Bogen überspannt
"Orban ist mit einem Fuß aus der EVP", das ist am Freitag die Aufmachergeschichte von De Standaard. Die belgischen Zentrumsparteien CD&V und CDH haben zusammen mit den Kollegen aus Luxemburg den Antrag gestellt, dass die Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban die Europäische Volkspartei verlassen sollte. "Die CD&V will die Scheidung von Orban", so formuliert es De Morgen. Viktor Orban steht ja schon seit Jahren in der Kritik wegen seiner Politik, die sich immer weiter von der Demokratie entfernt.
Die EVP muss sich entscheiden zwischen der Macht und den Prinzipien, glaubt De Standaard in seinem Leitartikel. Viktor Orban ist vielen schon seit längerer Zeit ein Dorn im Auge. Jetzt hat er den Bogen aber offensichtlich überspannt, als er auf Wahlplakaten den Parteifreund Jean-Claude Juncker direkt verantwortlich machte für die Immigration und die "Gefährdung der christlichen Werte". Damit waren die Grenzen überschritten. Nur klingt das doch ein bisschen scheinheilig. Tragbar war Orban längst nicht mehr. Toleriert war er nur, weil er der EVP mit seinen zwölf Sitzen zusätzliches Gewicht im EU-Parlament gab. Dieses Machtdenken könnte der EVP jetzt im Wahlkampf noch mal sauer aufstoßen.
Zum Glück kann eine Regierung nur einmal stürzen
Apropos Wahlkampf: Noch 86 mal schlafen, zählt Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel ab. Dann geht es an die Wahlurnen. Der amtierende Premierminister Charles Michel wirkt allerdings mit jedem Tag einsamer. Am Donnerstag musste er sich in der Kammer einmal mehr harsche Kritik von der linken Opposition gefallen lassen im Zusammenhang mit der Affäre um die libyschen Gelder. Wieder blieb er Antworten schuldig. Seine Verteidigung wirkte irgendwie verzweifelt. Da stellt sich die Frage, was von dem ursprünglich so frischen Image des jüngsten belgischen Premiers aller Zeiten noch übriggeblieben ist.
Het Laatste Nieuws stellt eine ähnliche Diagnose: Zum Glück kann eine Regierung nur einmal stürzen, ansonsten käme die Equipe Michel jetzt wegen der libyschen Gelder doch ziemlich in die Bredouille. Premier Charles Michel reagierte am Donnerstag in der Kammer, als wäre er von einer Wespe gestochen worden. Er schimpfte wie ein Rohrspatz, konnte die Kritik der Opposition so gar nicht nachvollziehen. Nach außen hin wirkte er dabei aber ziemlich einsam. Zumal die Open VLD kurz vorher ebenfalls aus der Koalition ausgeschert war - und zwar im Zusammenhang mit dem Rahmentarifabkommen. Der Austritt von Alain Destexhe aus der MR setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf.
Die Karotte war zu verlockend
"Da konnten sie noch lachen", schreibt derweil De Morgen auf Seite eins und zeigt die breit grinsenden Staatschefs Kim Jong Un und Donald Trump. Beide haben im vietnamesischen Hanoi über die nukleare Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel verhandelt. Bis die Gespräche abrupt beendet wurden.
Es war natürlich naiv von Trump, zu denken, dass zwei Gipfeltreffen ausreichen würden, um eines der komplexesten und isoliertesten Länder der Welt auf andere Gedanken zu bringen, analysiert De Morgen. Ein diplomatisches Friedensabkommen ist nun einmal doch etwas anderes als ein Immobiliendeal in Manhattan. Dennoch sollte man mal genauer hinschauen und sich die Frage stellen, warum das Treffen von Hanoi im Einzelnen gescheitert ist. Das hat womöglich weniger mit Trump und Kim zu tun; es gab nämlich noch gleich mehrere andere Elefanten im Raum mit Namen China, Russland und Iran. Wer Korea befrieden will, der kommt insbesondere an China nicht vorbei.
Trumps Rechnung ist nicht aufgegangen, meint auch das GrenzEcho. Der gewiefte Kim Jong Un hat dem mächtigen US-Präsidenten offensichtlich klargemacht, dass er gar nicht daran denkt, seine Lebensversicherung zu kündigen. Genau das hatten US-Experten schon vor dem ersten Treffen der beiden Staatschefs versucht, Trump zu vermitteln. Doch die Karotte "Friedensnobelpreis" vor Trumps Nase war verlockender als die Argumente seiner Berater. Nach den Aussagen seines Ex-Anwalts vor dem US-Kongress könnte die Luft für Trump jetzt aber auch innenpolitisch dünner werden.
Innerhalb weniger Stunden scheint die Präsidentschaft von Donald Trump in einen spektakulären Sturzflug übergegangen zu sein, frotzelt La Libre Belgique. Der Mann, der von sich glaubt, einer der größten US-Präsidenten aller Zeiten zu sein, hat sich in Hanoi krachend auf diese Nase gelegt. Vielleicht war er im Kopf ja in Washington, wo sein einstiger Vertrauensmann Michael Cohen zeitgleich vor dem Kongress auspackte. Wenn sich dessen Aussagen als fundiert erweisen, dann wären die Folgen für Trump regelrecht desaströs.
Roger Pint